Scherben – Aus dem Hinterhof der Seele

Du sitzt im Park.
Die Sonne.
Sie scheint dir ins Gesicht.
Und du schließt die Augen.
Träumst…
Einen langen Moment lang…
Wird Zeit.
Dass du heimgehst.
Denkst du dir.
Auch wenn daheim.
Niemand auf dich wartet.
Auch wenn daheim.
Eine kleine Wohnung ist.
Jetzt.
Seit ein paar Monaten.
In der du alleine bist.
Öfter.
Aber das macht nichts.
Ein paar Pflanzen.
Ein paar Bilder.
Und Fotos.
Viele Fotos.
Auch von deinem Mann.
Auch wenn er nicht reden mag.
Mit dir.
Zur Zeit.
Das wird dauern.
Du seufzt.
Stehst auf…

Wenn du dich erinnerst.
Deine Melancholie.
Sie fing an.
An einem Tag wie heute.
Vor einem Jahr.
Als du dich zu fragen begannst.
Ob das alles war.
Anfang Fünfzig warst du.
Deine Kinder verheiratet.
Und sogar ein Enkel…
Dein Mann.
Er war dir fremd geworden.
Lange schon.
Aber es wurde dir bewusst.
Schmerzhaft.
Als ihr nebeneiander lagt.
Euch nichts zu sagen hattet.
Fremd gegangen.
Ist er wohl nicht.
Das wäre dir aufgefallen.
Zumindest.
Das nicht.
Er war kein schlechter Mann.
Aber wenig gefühlvoll.
Wortkarg.
Und sein Stammtisch.
Der war ihm wichtig.
Sehr wichtig…

Irgendwann.
Da kam diese Traurigkeit.
Von innen heraus.
Du wusstest nicht.
Wieso.
Und du konnntest nicht mehr lachen.
Und dich freuen.
Du sehntest dich.
Nach Zärtlichkeit und Wärme.
Nach Nähe.
Nach Küssen.
Aber dein Mann.
Er hat dich nicht geküsst.
Nicht richtig.
Und du dachtest dir.
Ich werde alt.
Und irgendwann.
Da werde ich sterben.
Alles vorbei…
Und ich kann nicht nachholen.
Was ich jetzt nicht tue.
Nie mehr…
Du hast geweint.
Heimlich.
Dich eingesperrt.
Und geweint.
Weil du traurig warst.
Und du wusstest nicht.
Wieso.
Du hattest es doch so gut.
Oder?
Ein schönes Haus.
Einen guten Mann.
Der sich um dich kümmerte…
Aber der kalt war.
Trotzdem.
Die anderen.
Sie merkten es nicht.
Aber du…

Nach Weihnachten.
Da bist du zusammengebrochen.
Das Herz.
Und deine Seele.
Sie weinte.
Sie behielten dich.
Im Spital.
Da hast du geredet.
Endlich.
Und dein Mann.
Er kam mit Blumen.
Und wollte dich heimholen…
Depressionen?
So ein Unsinn!
Lass dich nicht gehen.
Die Arbeit wird dir gut tun.
Und deine Familie…

Da hast du gemerkt.
Dass er dich nicht liebt.
Nicht mehr.
Dass du funktionieren solltest.
Wegen seines schlechten Gewissens…
Er fühlte sich schuldig.
Schuldig.
Als du Wochen im Spital warst.
Als du weiter zum Arzt gingst.
Und du Tabletten nehmen musstest…
Und die Leute.
Sie tuschelten.
Was sie wohl hat?
Melancholie?
Sie hat’s doch eh so gut…

Die Kälte daheim.
Unerträglich.
Nur wenn deine Kinder da waren.
Auf Besuch.
Da konntest du lächeln…
Du bist ausgezogen.
Im Spätsommer.
Und er sagte noch immer nichts.
Dein Mann.
Er verstand dich nicht.
Aber wie mit einem Mann leben?
Der so kalt war?
Für den du zum Inventar gehört hast?
Wie der Wintergarten?
Du sperrst die Wohnung auf.
Vielleicht.
Redet er wieder.
Eines Tages.
Vielleicht .
Begreift er.
Dass man Wohlstand nicht essen kann.
Und dass er nicht wärmt und streichelt.
Du bist alleine.
Oft.
Öfter als früher.
Aber du fühlst dich wohl.
Wo du lebst.
Und wer dich mag.
Der hat dich nicht vergessen…
Du sammelst sie auf.
Die Scherben.
Nach und nach.
Und es sind noch viele…

Vivienne

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