Selbstkritik – Ansichtssache

Im vorigen Jahr hatte ich in meiner Kolumne unter dem Titel „Selbstvertrauen“ versucht, den Typ Mensch zu untersuchen, der durch ein übertriebenes Selbstvertrauen seine eigenen Defizite mit Leichtigkeit überspielt und damit auch erfolgreich ist. Es sollte ein kritischer Beitrag werden. Bestimmt nicht, dass starkes Selbstvertrauen etwas negatives wäre, aber es hatte mich gereizt, dem Thema Selbstvertrauen auf den Zahn zu fühlen.

Heute möchte ich mich in ausgleichender Gerechtigkeit einem anderen Persönlichkeitsbild widmen, dem Menschen, der zu übertriebener Selbstkritik neigt. Man könnte meinen, es handle sich dabei um das Gegenstück, doch ganz so einfach, denke ich, ist das nicht. In jeden gesunden Charakter sollte ein gesundes Maß an Selbstvertrauen und Selbstkritik vorhanden sein. Was nun als gesundes Maß anzusehen ist, lässt sich objektiv nicht definieren. Schwappt aber bei einem Menschen die Waage soweit, dass sich das Selbstvertrauen zugunsten der Selbstkritik stark reduziert handelt es sich um den Persönlichkeitstyp den ich heute analysieren möchte.

Der Selbstkritiker ist in der Regel kein unintelligenter Mensch, wenngleich sich dies natürlich auch nicht verallgemeinern lässt. Zumeist handelt es sich um einen grundsätzlich kritischen Menschen, der seine eigenen Entscheidungen und Wahrnehmungen unter besonders strenge Maßstäbe setzt. Wenn dies nun aber übertrieben wird, vermittelt dieser Mensch auf Dauer von sich selbst ein negatives Bild und gibt sich dadurch gegenüber seiner Umwelt unter seinem Wert geschlagen. Dadurch dass er sich selbst nicht viel zutraut wird ihm auch nicht viel zugetraut.

Es lässt sich nicht leugnen, dass der Leistungsdruck, der im Berufsleben vorherrscht, oftmals eine Ursache sein kann. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Leistungsdruck. Oft neigt der selbstkritisch veranlagte Mensch dazu, von sich getroffene Entscheidungen öffentlich zu kritisieren, was in der Wahrnehmung der anderen auch als Unsicherheit wahrgenommen werden kann.

Ein Lob aus dem Mund anderer wird dann durch überzogene Selbstkritik als Drohung empfunden. Die damit einhergehende Unruhe macht ihm zu einem Opfer seines unterentwickelten Selbstvertrauens. Dass er damit andere zu Nutzniessern seiner Selbstzweifel macht, ist ihm bewusst, bestärkt ihm aber umgekehrt in seinen negativen Denken über sich selbst.

Der beschriebene Charakter muss lernen, dass es nicht nur schönes und schlechtes Wetter gibt, sondern auch zufriedenstellendes. Auch ein falsches Auffassen der Sichtweisen anderer kann mitschuld an den beschriebenen Eigenschaften sein. Sich den Sichtweisen anderer zu unterwerfen kann der Anfang einer solchen Entwicklung sein.

Selbstkritik und mangelndes Selbstvertrauen sind nicht unbedingt dasselbe. Der Selbstkritiker kann durch sein Auftreten durchaus den Eindruck erwecken ein selbstbewusster Mensch zu sein. Doch durch die Strenge gegen sich selbst kann er oftmals nicht das erreichen was möglich wäre.

Pedro

Schreibe einen Kommentar