Als ich mich im August des Vorjahres erstmals dazu entschloss die Sommergespräche mit den Parteichefs zu kommentieren konnte ich nicht wirklich wissen, wie rasch die Aussagen der Politiker zur Geschichte werden würden. Riess-Passer gab sich damals noch vorsichtig optimistisch, dass die Regierung Schüssel I den Angriffen aus Kärnten standhalten könnte, verwies zugleich aber schon darauf, dass sie sich in ihrem Amt „nicht pragmatisiert sehe“. Auch Schüssel gab sich damals noch kämpferisch und sprach von einer „arbeitsfähigen Koalition“. Kurze Zeit später wurden nach dem Rücktritt von Riess-Passer, Westenthaler und (dem mittlerweile zurückgekehrten) Grasser Neuwahlen ausgerufen. Auch zu Zeiten der diesjährigen Sommergespräche gibt es paralellen zur damaligen Situation, wengleich ich das Stellen von (letztlich dann vielleicht doch nicht zutreffenden) Prognosen lieber anderen überlassen möchte.
Der Parteichef der Sozialdemokraten, Alfred Gusenbauer war nun also als zweiter Gast bei Chefredakteur Werner Mück in Salzburg zu Besuch. Der Kommentar zu dem Sommergespräch mit Alexander Van der Bellen muss leider entfallen, da ich die Sendung vorige Woche nicht gesehen habe.
Beginnen sollte das Gespräch mit einer Frage Mücks zu einer umstrittenen Ausgabe Gusenbauers, in der er sich kürzlich als Genussmensch, der gerne teure Zigarren raucht und Champagner trinkt outete. Es sei dem Parteichef durchaus vergönnt, dennoch wollte Mück („Wird die SPÖ von der Arbeiterpartei zur Geniesserpartei?“) die Botschaft dieser Aussage hinterfragen. Gusenbauer verwies auf die Änderungen in der Gesellschaft und auf die Selbstbestimmungsmöglichkeit der Menschen, dennoch denke ich, dass die ursprünglichen Aussagen in FORMAT nicht jeden in die richtige Kehle gekommen sein könnten.
Eine weitere kürzlich erhobene Forderung des SP-Chefs, die Zeit der Umverteilung sei vorbei, Transferleistungen sollten zugunsten von mehr Dienstleistungen reduziert werden, war das nächste Thema. Hier hackte Gusenbauer bei der von ihm (nicht zu unrecht) genannten „Pensionskürzungsreform“ ein und kritisierte die auf Quersubventionen aufgebauten Unterschiede in den verschiedenen Pensionssystemen, wo man von einer Harmonisierung noch weit entfernt sei. Weiters könne sich die SPÖ vorstellen weniger Wert auf die Auszahlung des Kindergeldes als auf die Errichtung von Kinderbetreuungseinrichtungen zu legen.
Zum Thema Pensionsreform forderte Gusenbauer, man möge nach seinem Modell bereits ab 1.1.2004 alle Pensionssysteme in Richtung ASVG harmonisieren und für die Betroffenen die bis dahin entstandenen etwaigen „besseren“ Ansprüche einfrieren. Dem Einwand, dass dies etwa bei Beamten einen Eingriff in bestehende Verträge bedeuten würde, konterte Gusenbauer, dass die Regierung dies bei der Unfallrentenbesteuerung auch getan hätte. Ich bin aber davon überzeugt, dass auch Gusenbauer weiß, das sich eine Umstellung in dieser kurzen Zeit nicht umsetzen ließe.
Die schon recht alte Forderung von SP-Pensionistenchef Blecha nach einer sogenannten Wertschöpfungsabgabe goutierte Gusenbauer und meinte, dies könne die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe stärken, wenn zugleich der Faktor Arbeit entlastet werde.
Zur Debatte um die Steuerreform machte sich der SP-Chef für eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen stark und kritisierte, dass die ÖVP den Spitzensteuersatz senken wolle. Mück konterte mit einer Gallup-Umfrage, dass die Österreicher 128 Milliarden Euro Spareinlagen besäßen und Steuersenkungen nur den Sparkonten zu gute kämen. Zurecht bezweifelte Gusenbauer aber, dass hier niedrige Einkommensbezieher einen allzu wesentlichen Anteil hätten und bekräftigte seine Sichtweise, dass eine Steuerreform in diesem Einkommensbereich durchaus zu einer Wirtschaftsbelebung führen könnte.
Selbstverständlich wurde auch das umstrittene Spargelessen des Oppositionsführers mit dem Kärntner Landeshauptmann angesprochen. Gusenbauer verwies darauf, dass er Sachkoalitionen suche, die FPÖ sich aber nicht wirklich als Koalitionspartner anbiete. Dies wurde auch durch Zuspielungen von Parteifreunden wie Cap, Einem oder Nürnberger unterstrichen. Jedenfalls vermied der SP-Chef aber, anders als seine Vorgänger, eine SPÖ-/FPÖ-Koalition auszuschliessen. Eine neuerliche Umfrage bescheinigte, dass dies unter der SPÖ-Wählerschaft nicht allzu goutiert werde, was aber auch mit dem allgemeinen Liebesentzug der Wählerschaft zur FPÖ zusammenhängen dürfte.
Es gäbe keine „homogene Arbeiterklasse“ wie vor 30 Jahren mehr, ließ uns Gusenbauer wissen und wollte den Spagat zwischen sozialer Sicherheit und der Forderung nach Eigenverantwortung geschickt verpacken. In der dritten zugespielten Umfrage wurde aber erwartungsgemäß gezeigt, dass die Bevölkerung die SPÖ sehr wohl mit sozialer Sicherheit, kaum aber mit Eigenverantwortung assoziere. Gusenbauer kritisierte, dass Bildungsministerin Gehrer mit ihrer Aussage rund um die jüngere Generation den Menschen Vorschriften machen wolle und er zur Eigenverantwortung aufrufe. Das Eigenverantwortung von Politikern aber auch oft als umstrittener Rückzug von staatlichen Leistungen und hin zu privater Gesundheits- und Pensionsvorsorge verstanden wird ist eine andere Sache.
Abschließend wollte Mück das Verhältnis von Gusenbauer zu ÖBB und ÖGB wissen. Dieser gab zu, dass die ÖBB reformiert werden müsse, gab die Schuld aber dem ÖBB-Management. Den ÖGB halte er für einen verhandlungsbereiten Partner, über den man aber nicht „drüberfahren“ dürfe.
Pedro