Das Interview mit Bundeskanzler ÖVP-Bundesparteiobmann Wolfgang Schüssel sollte den Abschluß der Sommergespräche 2003 darstellen.
Das politisch heiße Eisen VOEST Privatisierung war die Einstiegsfrage von Chefredakteur Mück, die vorallem auf die Absicht von VP-Landeshauptmann Pühringer abzielte, die VOEST in Landesbesitz zu übernehmen. Schüssel bekannte sich erwartungsgemäß zur Vollprivatisierung des Stahlriesen, kritisierte aber, dass eine „Verländerung“ der VOEST bisher nur von SP-Landesparteiobmann Haider gefordert worden wäre.
Die Frage, ob er Schüssel, selbst VOEST-Aktien zeichnen würde verneinte dieser. Den Vorwurf von Mück, dass Aktien nicht mit einer Briefmarkensammlung vergleichbar wären und sich die zukünftige Eigentümerstruktur durch den Börsengang schwer steuern lassen könnte war auch von Schüssel nicht zu entkräften.
Herbert Haupt hatte zuletzt das Koalitionsklima als „Genügend minus“ bezeichnet, was Werner Mück einige Fragen zum Koalitionsklima stellen ließ: „Haben Sie etwas falsch gemacht in ihrem Verhältnis zur FPÖ?“ Der Bundeskanzler meinte darauf lakonisch, dass er sich mit 58 Jahren nicht mehr mit Schulnoten auseinandersetzen wolle, bekräftigte aber, dass die wiederholte Bildung einer Koalition mit den Freiheitlichen richtig gewesen sei. In einer Koalition mit der SPÖ oder den Grünen wäre die Pensionsreform in dieser Form wohl nicht umzusetzen gewesen, meinte Schüssel. Da hat er möglicherweise sogar recht.
Eine Gallup-Umfrage die besagt, dass 54% der Wähler davon ausgehen, das die Koalitionsregierung nicht die volle Legislaturperiode überleben wird, wollte Schüssel so nicht gelten lassen. Die Regierung solle an den Ergebnissen gemessen werden, es habe in seiner 14jährigen Regierungstätigkeit schon schwerere Krisen zu meistern gegeben. Den Oppositionsparteien warf er vor, jede Linie verloren zu haben.
Auf die obligate Sonntagsfrage, die eine Rot-grüne Mehrheit zeigt, meinte Schüssel, dass man nicht vor Wahlen stehe. Eine weitere Umfrage sollte zeigen, für welche Werte die ÖVP in der Bevölkerung stehe. Angeführt war das Ranking hier mit den Themen Europa, Weltoffenheit und Sozialabbau, wesentlich geringer wurde die Volkspartei aber mit dem Begriff Familie assoziiert. Schüssel bestritt energisch, dass seine Partei für Sozialabbau stünde, es würde sich vielmehr um Sozialumbau handeln.
Die Familie stelle für die christlichsoziale Bewegung einen hohen Wert dar. Der Bundeskanzler gab zwar zu, dass 48.000 Kinderbetreuungsplätze fehlen würden, warf aber ein, dass die Einführung des Kindergelds der richtige Weg gewesen sei. Schüssel bekannte sich auch zu einer geregelten Zuwanderung „nach unseren Spielregeln“.
Bei der anstehenden Gesundheitsreform erwartet sich Schüssel Einsparungen im Organisationsbereich, sprach sich aber zugleich auch gegen ein zentralistisches Gesundheitssystem aus. Das Wort Krankenkassen gehöre gegen das Wort Gesundheitsversicherung ersetzt, Beitragserhöhungen wollte der Bundeskanzler nicht ausschließen.
Auf die für den Herbst versprochene Pensionsharmonisierung angesprochen, verwies Schüssel auf die Richtigkeit der ASVG-Pensionsreform und das einheitliche Pensionssystem für alle derzeit unter 35jährigen. Mück wollte wissen, ob nicht auch die schon älteren Anwärter von hohen Pensionen eine Solidarabgabe leisten sollten. Schüssel meinte dazu, dass die Betroffenen bereits durch geringere Pensionsanpassungen Solidarität bewiesen hätten und konnte auch der Idee eines Solidarbeitrages für Pensionisten mit Bezügen über der ASVG-Höchstpension nichts abgewinnen.
Pedro