Über die Scheinheiligkeit – am Beispiel Tiger Woods – Kritisch betrachtet

Um es vorweg zu nehmen: Golf interessiert mich persönlich nicht im Geringsten, der Sport mit dem kleinen, weißen Ball konnte mich noch nie in Begeisterung versetzen. Tiger Woods kenne ich vor allem aus der Gillette-Werbung. Trotzdem finde ich durchaus bemerkenswert, was seinetwegen seit der Aufdeckung seiner Seitensprünge vor wenigen Monaten quasi „inszeniert“ wird. Zur Erinnerung: Woods, dem erfolgreichsten Golfspieler seiner Generation, wurden Affären mit etwa 14 Frauen nachgewiesen. Obwohl er nach außen hin glücklich mit einem blonden Ex-Modell verheiratet schien und mit ihr zwei kleine Kinder hat. Woods hat sich wegen seiner „Sexsucht“ öffentlich bei Frau und Kindern, der Familie und den Fans entschuldigt. Außerdem hat er eine Therapie begonnen…

Eines ist für mich sonnenklar: Woods hat sich nicht vorrangig aus Liebe zu seiner Familie zu diesem schweren Schritt entschlossen. Aber eine Scheidung würde den „reichsten Sportler der Welt“ die Hälfte seines ansehnlichen Vermögens kosten. Und – darauf möchte ich ganz besonders hinaus – er will damit wohl auch alle abgesprungen Sponsoren zurückgewinnen. Denn die USA, liebe Leser, sind ein verlogenes, ein scheinheiliges Land, das mehr auf Schein als auf Sein Wert legt. Wenn Sie mich fragen ist die Ehe von Tiger Woods schon länger am Ende, sonst würde er nicht seinen Terminkalender mit mehr als einem Dutzend Frauen zu koordinieren versuchen. Der Golfprofi konnte halt auch wie viele Promis der Versuchung nicht widerstehen, sich zusätzliche sexuelle Bestätigung aus der Damenwelt zu holen. Und seien wir ehrlich, dazu muss man als Mann nicht der Welt der Reichen und Schönen angehören.

Ein früherer Bekannter von mir lebte und (verzeihen Sie) fickte sich so schon lange durch’s Leben. Was mit dem Chatten und Affären mit seinen Chatpartnerinnen den Anfang nahm, führte schließlich zum Ende seiner Ehe. Anbrennen ließ der Mann nie etwas, auch wenn er wieder mal in einer Beziehung lebte: zahllose Liebschaften zogen sich durch sein Leben und er verhehlte diese oft nicht einmal, er pochte auf seine „Freiräume“… Verzeihen Sie meinen Zynismus, liebe Leser, auf meine Freiräume poche ich durchaus auch, wenn man mir wieder mal das Eheleben schmackhaft machen möchte, aber deswegen definiere ich mich auch nicht über die Anzahl meiner Orgasmen… Aber zurück zu Woods. Nicht dass ich Mitleid mit dem Mann habe, ganz bestimmt nicht, die Suppe hat er sich ohne Zweifel selber eingebrockt und die muss er auch selber auslöffeln. In dem Zusammenhang erinnere ich mich gern an den früheren US-Präsidenten Bill Clinton. Ein fähiger, ein guter Präsident, ohne Zweifel, und dennoch handelte er sich wegen eines Blow-Jobs seiner Praktikantin ein Amtsenthebungsverfahren ein.

Man möge sich das – im wahrsten Sinne des Wortes – auf der Zunge zergehen lassen: Clinton mordete oder missbrauchte niemanden, er hat nicht für die Russen oder für den Taliban spioniert, er ließ sich – salopp formuliert – von einer erwachsenen, mündigen Frau einen blasen, und die tat das auch noch freiwillig, weil sie in ihn verliebt war. Liebe Leser, reduziert auf diese Fakten, führt sich damit allein das Ansinnen auf so eine Amtsenthebung schon ad absurdum. Clintons Ehe erlitt dadurch sicher einen schweren Schlag, aber der Punkt ist: im Grunde geht dieser Seitensprung niemand anderen etwas an als Bill und Hillary und allenfalls noch deren gemeinsame Tochter. Ihn zum weltpolitischen Drama hoch zu stilisieren ist vorrangig lächerlich – und mehr als seltsam…

J. F. Kennedy war da ein Vorreiter ganz anderen Kalibers – im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht nur weil er sich die bildschöne Marilyn Monroe gleich mit seinem ebenfalls politisch aktiven Bruder teilte. Kennedys attraktive und stilsichere Gattin Jackie, die natürlich davon wusste, muss darunter sehr gelitten haben. Es ist gerade auch für eine Frau nicht lustig, ständig betrogen zu werden und das mit den „schärfsten“ Frauen des Landes. Darüber wurde in den 1960er Jahren aber geflissentlich geschwiegen, Reporter und Journalisten waren angehalten, über das Liebesleben des mächtigsten Mannes der Welt zu schweigen. Erst Jahre nach Kennedys Tod wurde es legitim, im Liebesleben der US-Politiker zu stochern und der politische Gegner fand darin ein probates Mittel, unliebsame Kandidaten zu schädigen oder massiv anzugreifen.

Merke: viele Männer (wie der frühere Bekannte von mir) gehen fremd und sie sehen das im Grunde auch als ihr gutes Recht an. Aber wehe wenn die Frau ähnliche Ambitionen entwickelt…! Doch das steht auf einem anderen Papier… keine Frage. Tiger Woods hat sich  jedenfalls aus Geldgründen für den Canossagang entschieden. Für’s erste wird er damit sicher sein Ziel erreichen und seine Ehe zumindest nach außen hin aufrecht halten. Und was ich vermute: irgendwann wird man sich arrangieren oder die bezaubernde Gattin wird sich selber mit einem Lover trösten. Und wer weiß, vielleicht locht der noch besser ein als Tiger Woods! Sie verstehen sicher worauf ich hinaus möchte. Im Grunde ist es eine Farce, die da um Tiger Woods inszeniert wird. Er ist kein Kinderschänder, kein Drogensüchtiger und kein Rauschgiftdealer – aber wegen seiner Seitensprünge wird er fast noch ärger als ein Verbrecher öffentlich zerzaust. Ich will keinesfalls bagatellisieren, was Tiger Woods seiner Frau angetan hat und wohl wieder antun wird (so realistisch bin ich), aber die Sponsorenrückzüge sind ein willkürlicher Akt der Absurdität – nicht nachvollziehbar für jeden, der einigermaßen logisch denkt. Scheinheiligkeit wird halt nirgends so groß geschrieben wie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten…

Vivienne

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