Weitwanderwege – Ansichtssache

Im Sommer 2012 hatte ich mir im Kino den Film „Dein Weg“ angesehen, welcher als amerikanisch-spanisches Drama eine besondere Geschichte rund um den Jakobsweg erzählt. In den Hauptrollen zu sehen sind Martin Sheen und dessen Sohn Emilio Estevez, der auch für die Regie verantwortlich zeichnete.

Daniel kam, als er in den Pyrenäen auf dem Jakobsweg unterwegs war, während eines Sturms ums Leben. Dessen Vater, der erfolgreiche Augenarzt Tom Avery, reist daraufhin nach Frankreich und begibt sich aus Trauer und zu Ehren seines verstorbenen Sohnes auf den alten spirituellen Pfad Richtung Santiago de Compostella. Der Film erzählt sehr anspruchsvoll davon, wie Tom verschiedene Pilger trifft, die aus einer sehr persönlichen Motivation heraus auf der Suche nach mehr Sinn in ihrem Leben sind.

Jakobsweg

Dieser Film war bestimmt mitverantwortlich dafür, dass mein Interesse an den Weitwanderwegen geweckt wurde. Als Jakobsweg werden eine Vielzahl an Pilgerwegen durch ganz Europa bezeichnet, die alle das angebliche Grab des Apostels Jakobus in Galicien zum Ziel haben.

Der Jakobsweg hat besonders in den letzten Jahren immer mehr Menschen angezogen, so waren etwa 2015 bereits rund 260.000 Pilger unterwegs. Wenn man die Motivation der Menschen hinterfragen möchte wird man unter anderem auf spirituelle, sportliche und soziale Aspekte stoßen – die religiöse Bedeutung ist zweifellos vorhanden, doch können die Beweggründe auch ganz anders aussehen. Der Begriff des Pilgern leitet sich vom lateinischen Wort peregrinus ab („in der Fremde sein“) und wird oftmals mit dem persönlichen Verlangen nach einer inneren Einkehr verbunden.

Via Sacra

Selbst hatte ich zuletzt einige Tageswanderungen im Wiener Umland unternommen und auch über Mehrtagestouren nachgedacht. Ich möchte nicht bestreiten, dass mir der Jakobsweg einige Schuhnummern zu groß sein könnte. Ins Auge gefaßt hatte ich dann aber den 125 Kilometer langen „Via Sacra“ von Hinterbrühl nach Mariazell, der als ältester Pilgerweg Österreichs gilt. Über das Angebot eines Tourismusverbandes konnte ich Übernachtungen in Kaumberg, Lilienfeld und Annaberg buchen und beschloß spontan den „Heiligen Weg“ im Oktober vorigen Jahres zurückzulegen. Es ging mir wohl auch darum meine Vorsätze ein kleinwenig in die Tat umsetzen zu können.

In einer persönlichen Gedankennotiz findet sich der Hinweis, dass ich „natürlich davon ausging den Zielort zu erreichen“, zugleich aber auch dass die Motivation vorrangig darin bestünde „mich einer sozialen Herausforderung zu stellen“. Im Vorfeld habe ich noch manche Einkäufe bei Sporthändlern getätigt und versucht mich penibel auf den Weg vorzubereiten. Am 12. Oktober war ich in der Früh mit S-Bahn und Bus nach Hinterbrühl angereist. Der Rucksack war voll bepackt und auch mit Kartenmaterial und GPS Tracks am Smartphone war ich ausgerüstet. Am ersten Tag wären 42 Kilometer mit bestimmt nicht besonders anspruchsvollen Anstiegen zurückzulegen gewesen und die Übernachtung in Kaumberg war reserviert.

Was war nun aber geschehen, dass ich mich dann letztlich von meinem Vorsatz wieder verabschiedet habe …?

  • Aufgrund fehlender praktischer Erfahrung kam ich immer öfters vom Weg ab, besonders in Gaaden und Mayerling machte sich eine gewisse Orientierungslosigkeit in mir breit.
  • Die damit verbundenen Umwege kosteten zusätzliche Kilometer und Zeit, sodaß ich befürchtete erst in der Nacht in Kaumberg einzutreffen. Es war aber auch klar, dass der nächste Tag eine nicht mindere Herausforderung beinhalten würde.
  • Die Motivation schwand, aber ich wollte mich noch dagegen widersetzen die Tour abzubrechen. Hier war der Punkt gekommen, wo der sozial gehemmte Teil in mir zunehmend die Oberhand gewann. Auch wenn ich die Herausforderung als wichtig empfand würde ich mich doch nicht wirklich darauf freuen in den Quartieren auf fremde Menschen zu treffen. Als ich kurz nach 17 Uhr am Ortsende von Mayerling eine Rast einlegte kam zufällig ein Regionalbus in Richtung Mödling (S-Bahn) angefahren. Das war es dann …

Bis nach Kaumberg hätte ich noch die Orte Maria Raisenmarkt, Hafnerberg, Klein Mariazell, Untertriesting und Laabach passieren müssen. Ich finde es wichtig, dass ich mich der bestimmt kalkulierbaren Herausforderung stellen wollte, stehe aber auch dazu, dass ich die Tour letztlich abgebrochen habe. Ein neuerlicher Anlauf unter besseren Voraussetzungen scheint nicht ausgeschlossen …

Weitere Möglichkeiten

Abschließend möchte ich gerne einige Wanderrouten vorstellen, die ich zuletzt ebenso ins Auge gefaßt habe.

  • Der Alpenverein bietet unter anderem Wanderkurse und geführte Touren über die Rax, das Tote Gebirge, den Dachstein,  die Kalkalpen sowie “Sunshine Tours” über die Wiener Hausberge an. Da es mir beim Weitwandern noch an praktischer Erfahrung fehlt könnten Unternehmungen in Gruppen zielführend sein – allerdings müsste ich dafür erst eine soziale Scheu zu überwinden versuchen.
  • Der Johannesweg in Oberösterreich umfasst rund 84 Kilometer, die in drei Tagen zurückgelegt werden können.
  • Der Donausteig ist ein österreichisch-bayrischer Weitwanderweg und führt großteils an den beiden Doauufern von Passau über Linz bis nach St. Nikola kurz nach Grein.
  • Das grenzüberschreitende Wandersystem Alpannonia zwischen Fischbach, Semmering und Köszeg umfasst rund 120 Kilometer.
  • In den Büchern, die unter touren.labut.at kurz vorgestellt werden, würden sich noch zahlreiche weitere  Möglichkeiten finden lassen.

Pedro

 

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1 Gedanke zu „Weitwanderwege – Ansichtssache“

  1. Sehr schön verknüpfst du da deine persönlichen Wanderambitionen und Erfahrungen mit einem Hinweis auf Mehrtageswanderungen in Österreich.
    Ich wünsche dir, dass du bald die Via Sacra realisieren und an dieser Stelle davon berichten kannst.

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