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13.12.2005, © Vivienne
Das Lokal in der Seitenstraße
So ein Wirt hat es sicher nicht immer leicht. Das Geschäft rechnet sich kaum noch, der Konkurrenzkampf untereinander ist enorm groß und die unregelmäßige, nächtliche Arbeitszeit, oft auch noch am Wochenende, geht mit der Zeit an die Substanz. Von dem Mangel an wirklich gutem, vertrauenswürdigem Personal erst gar nicht zu reden. Trotzdem ist manch ein Restaurantbesitzer oder Wirt auch selber Schuld, wenn es bei ihm nicht läuft. Bisweilen wird der Kampf um Gäste nämlich unverfroren und fällt damit auf die Nase!
Anfang Dezember rief eines Abends Vicky unerwartet an. Wir möchten vor Weihnachten noch eine kleine Feier in einem Lokal bei uns machen. Weißt, Vivi, einfach so. Es ist so viel passiert in diesem Jahr und unser kleiner Georg ist auch geboren worden. Darum möchten wir uns mit unseren engsten Freunden zusammensetzen und ein kleines Fest mit persönlicher Note zelebrieren. Einfach danke sagen, für das was uns heuer gegeben worden ist und euch möchten wir auch dabei haben Nicht nur Albert seufzte, als ich ihm das erzählte, denn auch mein Mann war vor Weihnachten fest eingespannt in diverse Firmenfeiern und Treffen, denen man in der stillsten Jahreszeit einfach nicht entkommen konnte.
Auch ich selber hatte genug Stress, war unter anderem nach Salzburg eingeladen, und sollte doch auch gewissen familiären Verpflichtungen (es gab genügend Geburtstage in diesem Monat) nachkommen. Es stellte mir fast die Haare auf, wenn ich bedachte, wie ich diesen Termin noch unterbringen sollte aber dass Ali und ich dabei sein würden, daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Wann treffen wir uns? war meine nächste Frage. In zwei Wochen, Donnerstagabend! ließ mich Vicky wissen. Wir sagen euch noch Bescheid, wann genau Es war ja nicht so, dass Ali und ich ungern kamen, und im Grunde war es wirklich die letzte Möglichkeit, unsere Freunde vor dem Fest zu treffen, aber wieder ein Abend weniger, den wir mal gemeinsam durch die Innenstadt bummelnd hätten verbringen können. Irgendwie doch schade
Letzten Donnerstag rief mich Bert, Vickys Mann, am frühen Vormittag in der Arbeit an. Wir mussten umdisponieren! Ich war ganz Ohr, als mir Bert erklärte, dass die kleine Feier nun doch bei einem Italiener im Zentrum stattfinden würde. Ein Tisch sei dort bereits reserviert. Ich verbiss mir die Frage, warum, sondern schickte Ali gleich von der Arbeit aus eine Email in seine Firma. Mein Mann verlor kein weiteres Wort sondern holte mich später von der Arbeit ab, von wo aus wir mit der Straßenbahn mangels guter Parkgelegenheiten gleich ins Zentrum fuhren. Vicky und Bert begrüßten uns mit guter Laune, eine Reihe weiterer Freunde trudelte in den nächsten zwanzig Minuten ein. Es wurde eng am Tisch für vierzehn Leute, aber man ließ sich bei dem Italiener nicht lumpen, und rasch wurde ein kleiner Tisch angeschoben.
Die Stimmung war gut, wir aßen, tranken und lachten und ich musste schließlich doch zugeben, dass es gar keine schlechte Idee gewesen war, sich in der stressigen Zeit noch einmal in aller Ruhe zu treffen. Nur eines gab mir Rätsel auf: warum hatten Vicky und Bert quasi in letzter Minute das Lokal gewechselt? Meine Busenfreundin lachte, als ich sie darauf anredete. Das hatte schon so seinen Grund. Weißt du, Vivi, wir waren schon einige Male in jenem Restaurant, von dem ich euch erzählt habe, und es hat uns immer geschmeckt. Die Bedienung war auch umsichtig, aber als wir neulich reservieren wollten für zehn zwölf Personen, kehrte der Besitzer eine Seite hervor, die einem guten Wirt eigentlich nicht ansteht.
Ich begriff nicht ganz, was Vicky damit meinte, aber sie fuhr gleich fort. Der Mann meinte nämlich, wir müssten ihm erstens genau sagen, wie viele Leute kommen würden. Und als ich ihn darauf hinwies, dass ich das nicht könne, meinte er: Gut, er würde für zwölf Leute reservieren, aber für jeden, der nicht käme, müssten wir ihn zusätzlich acht Euro Verdienstentgang bezahlen. Anders sei das heutzutage für ihn nicht mehr machbar. Ich dachte, ich höre nicht richtig. So eine Forderung kann man doch nicht ernst meinen! warf ich ein. Aber Vickys Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht geflunkert hatte. Der Mann stieg von dieser Forderung nicht herunter, also hatten wir einigen Stress, ein Ausweichlokal zu finden. Aber hier sind wir dann doch noch aufgenommen worden
Gut für uns, denn beim Italiener wurde köstlich aufgetischt. Schlecht für den Restaurantbesitzer, der ursprünglich auserkoren gewesen war, denn der hätte nämlich gleich zwei Leute mehr als erwartet zu verköstigen gehabt. Was ihm mehr als die geforderten acht Euro Ausfall gebracht hätte. Hoch gepokert und verloren, aber mein Mitleid mit dem gebeutelten Lokalbesitzer hielt sich in Grenzen. Die Zeiten sind nicht nur für ihn schlecht und mit Gier allein lässt sich der Umsatz nicht steigern. Aber ob der Mann das in seiner Situation begreifen würde?
Nach einer wahren Begebenheit
Vivienne
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