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21.09.2005, © Vivienne

Die beiden Flaschen Wein 

Liebe ist das hehrste Gefühl, das es im Leben eines Menschen gibt. Und nichts ist vergleichbar mit der Liebe zwischen zwei Menschen, die sich gesucht und gefunden haben. Liebe macht aber auch angreifbar, verletzbar. Und mitunter zum Opfer von Täuschung. Etwa, wenn der oder die Liebste mit den Gefühlen spielt. Und diese gar noch ausnutzt. Oder sich einen Spaß daraus macht. Oder gar die Gefühle des verliebten Menschen zum Betrug nutzt. Es kommt dabei gar nicht so sehr auf einen etwaigen finanziellen Verlust an, vielmehr geht es um den schmählichen Verrat, der mit zum Abscheulichsten gehört, das man einem Menschen antun kann…

Elsa steht fest im Leben. Elsa lebt in der Nachbarschaft meiner Eltern in einer Mühlviertler Gemeinde. Sie lebt im Haus ihrer Eltern, eine starke, eine resolute Frau, die nicht auf den Mund gefallen ist. Bei einem unserer Besuche bei meinen Eltern konnte ich sie Ali einmal vorstellen. Etwa Mitte Vierzig, langes blondes Haar mit ein paar grauen Strähnen und ein sehr sinnlicher Mund. Sie war nicht unhübsch, alles andere als das, auch wenn sie molliger gebaut war als das gängige Schönheitsbild vorschrieb. Ali hatte ihr nachdenklich nachgesehen, nachdem wir uns kurz unterhalten hatten. „War sie nie verheiratet?“ Seine Frage klang interessiert und ich merkte, dass Elsa ihn beschäftigte.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. War sie nicht. Was ich wei߅“ Ich machte eine gedankenvolle Pause. „…hatte sie kein glückliches Händchen mit Männern. Und irgendwann war sie es Leid, ewig zu suchen und doch  nur Schrott zu bekommen.“ Ali hob entsetzt die Augenbrauen. „Schrott?“ Ich nickte amüsiert. „Sie selbst hat es so formuliert. Aber was ich weiß, ist sie von den Menschen allgemein sehr oft ausgenutzt worden. Oder fast nur. Viele suchten bei ihr nur den eigenen Vorteil, wenn sie Elsa Gefühle heuchelten. Ob es nun Freundschaft oder auch Liebe war.“ Ali wirkte betroffen. „Ich verstehe. Ein großes Herz, das so viel geben kann und dann nur Berechnung. So was tut sehr weh. Dabei wäre sie eine hübsche Frau, selbst jetzt noch. Ich verstehe gar nicht, dass sich da nur Männer fanden, die die Sinnlichkeit dieser Frau nicht wahrnahmen.“ Er lächelte mich an. „Ich habe diese Sinnlichkeit eben deutlich gespürt.“

Ich verstand, was mir Ali damit sagen wollte. Aber Elsa hatte einen fatalen Hang zu den falschen Männern gehabt. Kein Wunder, dass sie nichts mehr von Liebe wissen wollte. Von Liebe, die immer zum Schmerz geführt hatte. Pfeilgerade. „Weißt du…“ fuhr ich nach einer Weile fort. „weißt du, Ali, sie hat mir einmal eine Geschichte erzählt, die wohl symptomatisch für ihr ganzes Liebesleben war. Mittlereile muss es auch wieder zwanzig Jahre her sein, oder fast. Sie war verliebt in einen jungen Mann, ein paar Jahre jünger als sie, und irgendwie sind die beiden sehr verkrampft in ihre Beziehung gegangen. Elsa hat unumwunden zugegeben, dass sie Komplexe hatte, sich mit einem jüngeren Mann einzulassen. Und er selber hatte aufgrund seiner Jugend noch keine große Erfahrung in Sachen Sex.“ Ich seufzte.

„Irgendwie schlechte Voraussetzungen für diese Liebe. Und außerdem wurde ordentlich intrigiert. Es gab Leute, denen diese Bindung nicht in den Kram passte. Elsa hat keine Namen genannt, aber ich kann mir denken, wer das war…“ Unvermittelt musste ich an ein paar boshafte alte Weiber bei uns denken, die die Intrige zum Leitbild erhoben hatten. Es sollte mich doch schwer wundern, wenn die nicht damit zu gehabt hätten… Ich besann mich wieder auf Ali. „Es ging jedenfalls wieder auseinander. Unvermittelt. Und allem Anschein nach sah es so aus, als würden die beiden diesen Schnitt schon bereuen. Elsa hat ihn unter einem Vorwand eingeladen, er möge ihr Wein für ein Familienfest besorgen. Zwei Flaschen. Was er auch tat. Aber der Liebe nachträglich den Todesstoß versetzte.“

„Warum?“ Ali lauschte meiner Erzählung sehr intensiv. Ich verschränkte die Hände. „Der junge Mann hat ihr den Wein überhöht verkauft. Zum doppelten Preis. Elsa ist Wochen später in einem großen Linzer Geschäft dahinter gekommen, dass er sich offenbar einen Spaß gemacht hatte, ihre Unwissenheit auszunutzen. Natürlich hat sie ihn sich deshalb bei nächster Gelegenheit zur Brust genommen. Er verstand ihre Aufregung nicht und meinte, er hätte auch Unkosten gehabt. Sie müsse das verstehen. Daraufhin hat sie ihn an die Luft gesetzt. Er hat, so weit ich weiß, nie wieder einen Schritt in das Haus ihrer Eltern gesetzt.“

Albert nickte. „Ich habe nichts anders erwartet. Eine konsequente Frau, diese Elsa. Der Bursch war es sicher nicht wert, so ein Verhalten ist letztklassig. Ich verstehe sie schon. Aber ich denke auch, dieses Erlebnis hat sie mehr geprägt als sie zugibt. Und es hat ihr  den Weg zur Liebe immer mehr verbaut. Sie hat nur mehr Negatives erwartet und dann auch bekommen.“ Ich gestehe, ich war etwas überrascht über Alis Worte. Irgendwie hatte er einen Zugang zu Elsa, den ich nicht notwendigerweise vorausgesetzt hätte. Aber anderseits hatte er sicher Recht, in dieser schlechten Erfahrung fand sich mit Sicherheit das Dilemma von Elsas Leben…

Vivienne

 

 

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