bohnenzeitung.com

 Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne

17.04.2005, © Vivienne

Mr. Besserwisser

Wer ein Haus baut oder sonst eine größere Veränderung an den eigenen vier Wänden plant, holt sich oft und gern Tipps und Ratschläge von Freunden und Bekannten. Mit den Erfahrungen derer, die Derartiges schon einmal erfolgreich versucht haben, kann man bisweilen den einen oder anderen Fehler oder „Umweg“ vermeiden… Bisweilen kommt es aber vor, dass einem in der Situation immer wieder jede Menge großartiger Vorschläge unterbreitet werden, die man eigentlich gar nicht möchte, ja, die man sich streng genommen sogar am liebsten verbieten würde… Wenn es nicht ein Nachbar wäre. Und da möchte man oft nichts riskieren, weil sonst vielleicht noch ein dummer Streit die Folge ist…

Als ich wieder einmal mit Albert meine Eltern besuchte, konnte ich beim Spaziergang durch die ländlichen Dorfstraßen der Versuchung nicht widerstehen. Dort vorne lief nämlich ein älterer Herr mit dunkler Kappe, den ich sofort erkannte: Karl Freigner, der Mann der alles wusste und zwar am besten und der nie darauf verzichtete, seinen Rat weiter zu geben. Auch wenn diesen Rat im Grunde keiner wollte… Albert wirkte etwas zweifelnd auf mich, als er den kleinen, ein wenig dicklichen Mann, der mittlerweile auch in die Jahre gekommen war, näher ins Auge faste. „Der Mann hat immer den Durchblick?“ Alberts Gesicht drückte neben Zweifeln auch eine leise Ironie aus. „Wieso weiß der alles, bzw. glaubt er alles am besten zu wissen?“ Ich zuckte die Achseln. „Das war eigentlich immer schon so. Schon als ich ein Kind war…“ Ein verschwommenes Bild tauchte vor meinem geistigen Auge auf. „…na ja, als meine Eltern hier in der Ortschaft zu bauen begonnen haben, war er nicht nur einer der ersten, der selber eine Parzelle erwarb, etwas weiter unten im Dorf. Sondern er lief auch immer schon am liebsten zu den anderen Siedlern, um sie mit guten Ratschlägen zu  versorgen. Was immer sie auch gerade vorhatten.“

Ich grinste Albert an: „…natürlich auch zu uns. Was hast du gedacht?“ Albert zog die Augenbrauen hoch. Leise wandte er sich halb zu mir. „Und? Weiß er wirklich alles besser?“ Ich prustete los. Mit der Frage hatte ich jetzt nicht gerechnet. „Was glaubst denn du? Der Mann hat keine Ahnung! Oder zumindest nicht wirklich“, berichtigte ich mich. Albert nahm meine Hand. „Da musst du mir jetzt mehr erzählen. Scheint ja ein komischer Kauz zu sein…“ Wenige Minuten darauf saßen wir in einer Wirtstube im Dorf wohin Albert mich gelotst hatte und er bestellte uns beiden je einen Verlängerten. Seine Hand lag auf meinem Arm und er blickte mich erwartungsvoll an.

Ich sah mich in der Wirtsstube um. Gut, dass niemand um diese Zeit hier ist, der uns zuhören könnte! ging mir durch den Kopf. Dann erwiderte ich etwas amüsiert Alberts Blick. „Weißt du, der Herr Freigner war immer schon so, wie ich dir sagte. Während bei ihm daheim beim Bauen alles schief lief, oder zumindest auch so manches, konnte er es nicht lassen, in den wenigen freien Minuten, die er erübrigen konnte – schließlich arbeitete er selber noch in der Vöest – den Häuslbauern seine Tipps anzubieten. Und zwar in einer Art, die es schwer machte, sie einerseits zu ertragen beziehungsweise andererseits ihn einfach wegzuschicken. Wer immer das riskierte, dem war der Freigner über Wochen böse!“

Albert nahm einen Schluck vom Kaffee, den die Servierkraft eben gebracht hatte. „Bei ihm lief selber alles schief?“ Ich nickte. „Vielleicht nicht alles, aber so doch auch Einiges. Den Keller, den ihm seinerzeit noch der Schwiegervater gebaut hatte, musste er später um viel Geld ausbessern und teilweise die Wände sogar ganz neu errichten. Weil die Mauern so schief geworden waren…“ Ich klaubte weiter in meinen Erinnerungen. „…ja, und die Terrasse war ein einziges Fiasko. Herr Freigner hatte auf seiner Garage eine Art Terrasse angelegt, die ja auch wirklich toll aussah, aber das Regenwasser floss dort unablässig ab und schließlich war die Garage ganz feucht und der Verputz bröckelte langsam ab.“ Ich grinste Albert an. „…er hat schließlich die Garage abgerissen und neu aufgebaut, aber diesmal wenigstens mit Rohren versehen, damit sich das Malheur nicht wiederholen konnte…“

Albert schüttelte den Kopf und lachte fast lauthals los. „…aber dann verstehe ich nicht – warum musste er den anderen immer seine „guten“ Ratschläge aufzwingen?“ Ich dachte nach. „Schwer zu sagen. Vermutlich war ein gewisser Minderwertigkeitskomplex dafür ausschlaggebend, denn Herr Freigner stand und steht unter dem Pantoffel seiner Frau. Wenn man hier im Dorf am Haus der beiden vorbei kommt, hört man sie fast immer keppeln. Und er weiß sich fast nicht zu helfen…“ Albert hatte zu lachen aufgehört. „Armer Teufel! Jetzt verstehe ich. Er hat versucht, woanders die Geltung zu bekommen, die ihm seine Frau daheim verwehrte… Eigentlich ist das schlimm.“ Ich nickte. „Das ist schon richtig, Ali. Aber: wie man sich bettet so liegt man. Herr Freigner hätte sich wohl besser eine liebevollere Frau aussuchen sollen…“

Vivienne
 

 Redakteure stellen sich vor: Vivienne       
 Alle Beiträge von Vivienne

Schreibe einen Kommentar