Zum Beispiel Ireland, Europäische Union, kleiner keltischer Tiger

Irland, über Jahrhunderte ausgeblutete Insel, die beinahe daran zerbarst, dass immer die gerade leistungsfähigsten Eliten sich davon machten, um weit entfernt von der Irischen See, auf den verschiedenen Kontinenten ihr Glück zu suchen.

Immer wenn es mal nicht genug zu essen gab, musste der Bestand an vermeintlich unnützen Fressern reduziert werden.

In den Jahren, zwischen 1492 als Columbus Amerika erfand, oder besser, den von Amerigo Vespucci nur vermuteten Kontinent fälschlicherweise für Indien hielt, und der Jetztzeit, waren es mehr Hungersnöte als jeder mutige Ire im Leben so an IrishWhiskeyflaschen leert, die vor allem der Jugend Beine machte.

So war es beinahe verwunderlich, dass dieses Gebilde aus Britischer Großmannssucht und trotzigster Verbundenheit mit den führenden Gestalten im Vatikan, immer wieder auf die Füße zu fallen schien.

Kartoffelpest, überfallartige Besuche vom Nachbareiland und ein dort sitzender selbstverliebter König, der es immer sehr eilig hatte, sich von seiner jeweiligen Angetrauten zu trennen und einen Heiligen Zorn auf den Papst entwickelte, nur weil der seinem wüsten Treiben mit Einfalt, Einhalt gebot, konnten den Dampfer Ireland/Eire in der See nicht ganz zum Kentern bringen.

Und so begab es sich, dass im Jahre Null der Einheitswährung Euro, diesem nicht immer strichgebürsteten, eher schon renitenten Inselvolk eine gewisse Pfiffigkeit in Sachen Geldvermehrung nachgesagt und die beinahe schon rotznäsige Verschlagenheit in Fragen der Europäischen Verfassung, mehr locker denn verkrampft, zur Kenntnis genommen wurde.

Diese guggescheckigen Rotköpfe mit Hang zu ungezügelter Geselligkeit, galten neben Island zu den kleinen Tigern, mit riesigsten wirtschaftlichen Zuwächsen was das Inlandergebnis vor Steuern anging.

Die beiden trinkfreudigsten Insulaner der Union, schienen den vertrottelten Großmächten mit Frankreich, dem Vereinigten Kingdom und nicht zuletzt den biertrinkenden Teutonen in der EU, die Show stehlen zu wollen.

Und nun gilt der Witz, dass Olgen Smirnigöslund aus Reykjavik den Dubliner Ian O`Sheany fragt, wo denn wohl der Unterschied zwischen Irland und Island liegt, worauf der antwortet „ein Buchstabe und sechs Monate“.

Ian O`Sheany kann über sich selber und den Rest der Welt wenigstens noch lauthals lachen. Und dafür sollten wir Rest-Europäer ihn beneiden! Und möglicherweise mit einem Auge mitlachen.

Genau sechs Monate nachdem die sich meist an heißen Geisiren erwärmenden durchgefrorenen Isländer den Konkursrichter einbestellten, hadern die Iren nun mit sich selber und dem Schicksal an Wallstreet!

Der keltische Tiger Irland liegt mit einer Gesamtverschuldung von 41 Prozent vom Bruttoinlandssozialprodukt, gegenüber dem Durchschnitt der EU-Länder von 58 Prozent, noch scheinbar gut in der Spur.
Die Europäische Kommission sieht allerdings als Jahresendziel eine Neuverschuldung von ca 9,5 Prozent zum 31.12.2009!
Und damit überschreitet Irland die Grenze von höchstens erlaubten 3 Prozent deutlicher, als alle anderen EU-Staaten zusammengenommen.

So endet in der Sylvesternacht 2009, eine der wohl unglaublichsten Erfolggeschichten der Europäischen Union.

Der Erfolg begann nach dem Kollaps des Warschauer Paktes.
EU-Geld floss in die Irische Wirtschaft und mit 12,5 Prozent Unternehmenssteuern wirkte Irland wie ein Magnet auf ausländische Investoren.

Amerika, früher Ziel unendlicher Einwandererkolonnen von der Inselrepublik, investierte kräftig und somit wurde beinahe jeder zweite Computer, jedes dritte Bekleidungsstück und jede vierte Pille für die EU, in Limmerick, Cork oder Galway produziert.

Dublin wurde zum EU-Brückenkopf der US-Amerikaner. Und Berlin, London, Paris und Rom staunten nicht schlecht.
Und applaudierten!

Lange Jahre galt Irland als Sunnyboy unter den Mitgliedstaaten der EU- nun wird dieser Lebenskünstler zum Inbegriff einer wahrlich verfehlten Wirtschaftspolitik.
Am vergangenen Wochenende verstopften mehr als 120.000 Iren die Straßen Dublins.
„Die Wirtschaftselite muss zur Rechenschaft gezogen werden!“ skandierten unzählige gälische Kehlen und geißelten die Sparpolitik der Regierung und die in Sachen Kredite, plötzlich zugeknöpften Banker der Insel.

Die Banken- und Finanzkrise hat die Iren voll erwischt und der Staat der zerklüfteten Küsten und scheinbar ewiglich grüner Wiesen, dürfte damit wohl eine einsame Spitzenposition belegen. Nicht nur Europa- sondern wohl weltweit.

In Irland kommt zu aufgeblähten Immobilienkrediten wie in Spanien, eine enorme Abhängigkeit von ausländischen Direktinvestitionen wie in den europäischen Ostländern, eine völlig unverständlich laxe Aufsicht über einen aufgeblähten Bankenapparat, wie in Island oder Groß Britannien.
Ohne den Euro wäre das Land schon längst pleite!
Irland ist schon heute ganz nahe daran, seine Kreditwürdigkeit zu verlieren.

Die Summe der ausstehenden Kredite, Derivate und Hypothekendarlehen irischer Banken, übersteigt das Bruttoinlandsprodukt des Landes, schon jetzt um das Vierfache.

Die Arbeitlosenquote, vor Jahresfrist bei 4,7 Prozent hat sich bis heute glatt verdoppelt und dürfte am Jahresende 12 Prozent übersteigen. Auf den Staatshaushalt kommen noch ungeheure Kosten zu.

Irland hatte zum ersten Mal in seiner Geschichte tatsächlich Vollbeschäftigung!
Die 250 reichsten Iren hatten geschätzte 61 Milliarden Euro auf der hohen Kante!
Auf dem Höhepunkt der Konjunktur erwirtschaftete die Bauindustrie reine 15 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Deutschland hatte es höchstens mal kurz nach dem Krieg auf gute 4,7 Prozente gebracht. Die Immobilien preise, die nun versackt sind, waren durch die Decke geschnellt. Nun sitzen die 4,5 Millionen Iren auf einem unverkauften Neuwohnungsbestand von mehr als 300.000 Einheiten.
„Sind sie es leid zu mieten? Kaufen sie stattdessen für nur 720 Euro pro Monat!“ Und Irland kaufte, denn alle 5 Jahre verdoppelte sich der Wert der gekauften Immobilie! „Garantiert“, wie Anbieter mit gutem Gewissen versprechen konnten.

Bis Ende 2009 könnten diese Immobilien etwa 80 Prozent ihres Wertes eingebüßt haben! Spanien, bisher Vorreiter in der Wertvernichtung von Immobilien, wird hier wohl bei 50 Prozent landen.

Dell, der letzte der US-Hersteller von Computer- Hard- und Software, nach IBM, Microsoft und Apple, macht wohl auch am Jahresende das Licht in Limerick aus, um ins polnische Lodz weiter zu ziehen.
„Theo, wir fahr`n nach Lodz!“ trällerte Vicky Leandros vor Jahren. Doch Iren heißen selten Theo und Ian, Alan und Will wollen nun lieber nach Australien oder Neuseeland, denn „wir Iren sind gut im Auswandern“, sagt Ian und wundert sich, dass es Dell „überhaupt so lange hier ausgehalten hatte“.

„Die Fabriken kamen aus dem Ausland, der niedrigen Löhne wegen. Die Löhne stiegen und die Produktion wurde wieder ins billigere Ausland verlegt!“ So Alan und Will unisono.

Die Karawane zieht weiter! Die Iren hatten sich zu sehr und zu lange auf ihr Geschäftsmodell verlassen!

Bisher hat die Irische Regierung mehr als 11 Milliarden Euro in den maroden Irischen Bankensektor gepumpt, der mit über 70 Prozent der Kredite im noch maroderen Immobiliensektor des Staates involviert ist.

Die Anglo Irish Bank, Nummer Drei hinter der Bank of Ireland und Allied Irish Bank wurde im Januar verstaatlicht, nachdem ihr Börsenwert von zuvor 7 Milliarden auf zuletzt poplige 160 Millionen gesunken war.

Eine Politik des billigen Geldes, Gier nach schierer Größe, befriedigt durch wahnwitzige Hypothekendarlehn und eine unerklärlich laxe Bankenaufsicht, nicht zuletzt durch das Beispiel des großen Bruders im Osten, London, befördert, hatte Dublin nun an den Rand des selbstgebuddelten Abgrund gebracht und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, dass neuerliche Alarmnachrichten von der Wallstreet, den letzten Schritt zum Absturz beschleunigen.

Irland wird es nicht alleine schaffen können sich am Rand festzuklammern! Hier ist die ganze Solidarität der Europäer gefordert, die sich allerdings dann fragen lassen müssen, wie sie für die Zukunft solche Exesse, einer selbstverliebten Bankerbande verhindern wollen.

Der auch von unseren Bänkern, ach so geschätzte Bankenplatz Dublin jedoch, dürfte wohl für die nächste Zukunft keine allzu große Rolle mehr spielen und wir sollten uns schon heute fragen, ob wir ihm wirklich eine einzige Träne nachweinen sollten.

Antoine Susini, März 2009

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