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24.06.2005, © Vivienne

Ich warte auf dich

Willst du nicht mitkommen?
Machen wir uns doch einen schönen Abend?
Gib dir einfach einen Ruck!
Die Stimme des Freundes klingt nett.
Liebevoll.
Fast bittend.
Aber ich schüttle den Kopf.
Ich wende mich ab von ihm.
Ich weiche seinem Blick aus.
Und drehe ihm die kalte Schulter zu.
Wenn du es dir überlegst…
Seine Stimme hat einen fragenden Klang.
Jaja, ich hör dich.
Aber ich sage nichts.
Ich schweige nur die fast leere Wand an.
Ich kann nicht anders.
Ich muss meine Tränen verbergen…
Tränen.
Deinetwegen.
Du bist fort.
Und ich warte hier.
Warte hier auf dich, dass du kommst.
Dass du mich in den Arm nimmst…
Alles so wird wie früher…

Der Freund ist gegangen.
Es kümmert mich nicht.
Ich stehe noch immer vor der Wand.
Kalkweiß.
Ein paar Fotos darauf verstreut.
Und eine Pinwand.
Mit Telefonnummern.
Meine Gedanken sammeln sich…
Du und ich.
Ein Traumpaar.
Seit der Schulzeit beisammen.
Wir waren erst vierzehn.
Und wir waren die ersten füreinander.
Ich wollte keinen anderen.
Du wolltest keine andere.
Wir teilten alles.
Wollten keinen Moment mehr ohne einander sein.
Auch im Gymnasium.
Wo es plötzlich hieß:
Du bist begabt.
Ich war eine schlechte Schülerin.
Aber es war mir egal.
Wir gehörten doch zusammen…

Langsam löse ich meinen Blick von der Wand.
Ich kann zuerst gar nichts sehen.
Alles ist weiß.
Irgendwie leer.
Als läge ein leichter Nebel über dem Raum.
Du hast ein Stipendium bekommen.
Du musstest doch etwas aus dir machen!
Mit dieser Begabung.
Gingst nach Wien.
Studieren.
Ich fing zu arbeiten an.
Was blieb mir anders übrig?
Schließlich kamst du jedes Wochenende zu mir.
Kostbare Momente.
Du schriebst mir jeden Tag Emails.
Riefst an.
Ich lernte mit der Situation zu leben.
Obwohl ich mich nach deiner Nähe sehnte…
So sehr.
Bis diese Furcht in mir erwachte.
Du hattest so viel zu tun.
Keine Zeit mehr für mich.
Du hattest das Band durchtrennt.
Ich fühlte es schon lange.
Deine Email bestätigte es nur.
Es ist aus.
Fast beiläufig.
Wie ein lästige Pflicht…

Ich habe mir die Pulsadern aufgeschnitten.
Es war dir egal.
Du bist nicht einmal gekommen um mich zu besuchen.
Mich zu trösten.
Nur eine Grußkarte.
Kopf hoch!
Kopf hoch…
Du hattest leicht lachen…
Mit einer neuen Frau.
Und großem Erfolg beim Studium…
Ein bekannter Konzern umwirbt dich jetzt schon…
Ich habe es gehört.
Von deinen Eltern…
Ich sitze wieder auf dem Stuhl.
Rauche eine Zigarette.
Und starre auf den Boden.
Ich höre nicht die Musik um Radio.
Ich höre nicht das Läuten des Telefons.
Ich warte nur.
Warte, dass du wiederkommst.

Was kann ich denn sonst tun?

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