Das Frühstück

Bertram saß in der Küche am Tisch.
Neben ihm eine Tasse Kaffee.
Der Kaffee wurde kalt.
Vor ihm eine Scheibe Brot auf einem Teller.
Er hatte sie gerade selber geschmiert.
Und ein Stück Schinken darauf gelegt.
Einmal hatte er abgebissen.
Das Brot hatte ihm aber nicht geschmeckt.
Auch der Kaffee war nicht gut.
Kein Wunder.
Bertram seufzte.
Normalerweise hatte ihm immer Gisela den Kaffee gemacht.
Mit einem Schuss Milch.
Und einem Würfel Zucker.
So liebte er den Kaffee!
Aber wenn er den Kaffee selber machte.
Dann war er nicht zu genießen.
Nicht wirklich.
Auch sein Brot…
Offensichtlich, woran es lag.
Gisela wusste, wie ein gutes Frühstück schmeckt.
Und wie er es sich wünschte.
Aber sie hatte ihm heute kein Frühstück gemacht.
Kein Marmeladesemmerl hergerichtet.
Und kein Brötchen mit Leckerbissen.
Leckerbissen, wie sie ihm mundeten.
Bertram nahm einen Schluck vom Kaffee.
Und verzog den Mund.
Verdammt!
Kein Frühstück von Gisela.
Das erste Mal seit fast neunzehn Jahren…

Bertram hörte den Staubsauger.
Gisela saugte im Wohnzimmer.
Sie hatte nicht mit ihm gefrühstückt.
Bertram ertappte sich wie er den Kopf schüttelte.
Ratlos.
Er verstand seine Frau nicht.
Warum nahm sie ihm das so übel…?
Warum?
Bertram griff mechanisch nach der Kaffeetasse.
Dann starrte er kurz in die dunkle Flüssigkeit.
Und stellte sie wieder hin.
Sein Kaffee schmeckte schauderhaft…
Bertram stand auf.
Ging ins Wohnzimmer.
Gisela saugte in einer Ecke.
Bertram verharrte vor dem Couchtisch.
Der Strauß Rosen lag noch immer dort.
Seit gestern Abend.
Die Blüten waren welk.
Hingen nach unten.
Der Strauß war kaputt.
Kein Wasser der Welt würde ihn mehr retten…
Kurz traf ihn Giselas Blick.
Ohne jede Wärme.
Oder Zärtlichkeit.
Dann saugte seine Frau weiter.
Sie sah blass aus.
Sehr blass sogar…

Bertram ging zurück in die Küche.
Holte sich einen Fruchtsaft aus dem Kühlschrank.
Füllte sich ein Glas.
Trank das Glas aus.
Irgendwie schmeckte sogar Orangensaft besser.
Wenn ihm Gisela einschenkte.
Bertram setzte sich wieder.
Starrte aus dem gekippten Küchenfenster.
Solange war er schon mit Gisela beisammen!
Eine halbe Ewigkeit.
Eine gute Ehe.
Er hätte es jedem ins Gesicht gesagt.
Voller Überzeugung.
Jedem, der ihn gefragt hätte.
Noch vorgestern….
Natürlich war die Leidenschaft der ersten Jahre heraußen.
Natürlich hatte es Krisen gegeben.
Etwa, als Gisela wieder arbeiten gehen wollte.
Nach der Geburt der Zwillinge.
Meine Frau muss nicht arbeiten gehen!
Sie hatten endlos debattiert deswegen.
Und er hatte sich durchgesetzt.
Wäre ja noch schöner gewesen!
Und Gisela gab schließlich ihren Widerstand auf.
Schließlich war er sehr großzügig!
Gisela sollte alles haben, was sie wollte.
Sie nahm es ihm trotzdem krumm.
Krumm wie manches andere.
Wie seine… Affären.
Bertram kniff den Mund zusammen.
Nein, er hielt sich keine Geliebte.
Aber ein wenig Abwechslung musste sein.
Gisela war ja auch kein junges Mädchen mehr!
Sie war ihm wichtig!
Weiß Gott!
Und er liebte es mit ihr zu frühstücken!
Von ihr verwöhnt zu werden.
Bissen für Bissen…

Aber seine Seitensprünge wollte Gisela trotzdem nicht akzeptieren.
Nicht so ohne weiteres.
Es gab immer wieder Streit deswegen.
Vor allem, nachdem die Zwillinge ins Internat gekommen waren.
Gisela war nicht mehr ausgefüllt!
Gut, das sah er irgendwo ein.
Aber ihre Aufregung war künstlich.
Er hätte sich nie von Gisela getrennt!
Nie!
Seine Affären…
Da ging es nicht um Liebe.
Sondern um frischen Wind.
Um Bestätigung für ihn.
Als Mann.
Nicht mehr.
So wie neulich die junge Frau.
Birgit.
Er hatte sie in einem Lokal kennen gelernt.
Und sie hatte ihn gereizt.
So erzählte er Gisela gestern von einem Geschäftstermin auswärts.
Stattdessen vergnügte er sich mit der jungen Frau.
An dem Nachmittag.
In ihrer Wohnung.
Ein netter Seitensprung.
Mehr wollte auch sie nicht.
Aber seine Sekretärin hatte sich verplappert.
Gisela hatte im Büro angerufen.
Weil sie ihn am Handy nicht erreicht hatte.
Und seine Lüge war aufgeflogen…

Bertram schlug die Beine übereinander.
Am liebsten hätte er seine Sekretärin gekündigt.
Im ersten Moment.
Aber auch das hätte nichts ungeschehen gemacht.
Gar nichts.
Also hatte er einen Strauß roter Rosen gekauft.
Und im Reisebüro eine Traumreise gebucht.
Nur wir zwei!
Seine Stimme hatte gezittert.
Als er Gisela davon erzählte.
Gisela hatte kein Wort gesagt.
Ihre Augen waren gerötet gewesen.
Sie hatte geweint gehabt.
Viel geweint.
Dann hatte sie sich umgedreht.
Und war nach oben gegangen.
Die Rosen waren liegen geblieben.
Die ganze Nacht…
Gisela hatte im früheren Kinderzimmer geschlafen.
Aufgestanden war sie vor ihm.
Sie hatte ihm eine Kanne Kaffee hingestellt.
Butter, Käse, Schinken.
Gebäck.
Das Übliche.
Aber sie hatte ihn allein gelassen damit.
Kein trautes Frühstück mehr mit Gisela…

Vivienne

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