Marlies lief aus dem Bus.
Mit der linken Hand zerknüllte sie ein Taschentuch.
Ihre Wangen waren leicht gerötet.
Und sie presste die Lippen aufeinander.
Was für ein herrlicher Tag war das gewesen!
Ja.
Wundervoll!
Bis…
Marlies hielt inne.
Sie stand vor der Trafik.
Unschlüssig.
Eigentlich hatte sie ja zu rauchen aufgehört.
Aber Marlies ging hinein.
Kaufte ein Päckchen.
Sie steckte es ein.
Fast schuldbewusst.
Eigentlich hatte sie zu rauchen aufgehört.
Aber diesmal brauchte sie wieder ihre Glimmstängel.
Sie hatte auch ganz milde gekauft…
Eine halbe Stunde später saß sie am Balkon.
Und paffte eine Zigarette nach der anderen.
Ihre Hände zitterten leicht.
Was war das nicht für ein toller Tag gewesen!
Der Chef hatte zuerst ihren Bericht gelobt.
Und dann ihre Umsicht.
Allgemein.
Frau Kogler.
Sie sind ein Juwel…
Marlies hatte gelächelt.
Und war durch das Büro geschwebt.
Förmlich.
Sie war empfindsam.
Und eine Perfektionistin.
Sie brauchte Lob.
Zumindest sehr oft.
Wie einen Bissen Brot.
Wie die Streicheleinheiten.
Die ihr niemand gab.
Hier.
Daheim.
In ihrer einsamen Wohnung.
Da wartete niemand…
Marlies schluchzte.
Längst war die Firma ihre Familie geworden.
Und ihr Chef spielte dabei die Rolle des Vaters.
Gütig und weise.
Liebenswürdig und charmant…
Sie war gerne in der Firma.
Sehr gerne sogar.
Hier wurde sie gebraucht.
Daheim fiel ihr nur die Decke auf dem Kopf.
Entweder sah sie fern.
Stundenlang.
Oder sie ging abends in diverse Bars in der Gegend.
Hoffte darauf, dass sie jemand ansprach.
Manchmal passierte das auch.
Aber das waren nicht die Männer, die sie suchte.
Schließlich war sie nicht für jeden zu haben…
Auf keinen Fall…
Marlies zündete sich wieder eine Zigarette an.
Das Päckchen war schon wieder halb leer.
Fast.
Wieder kehrten ihre Gedanken ins Büro zurück.
Als sie ihren Kaffee trank.
Und schon wieder an das nächste dachte.
Das Protokoll musste noch getippt werden.
Und dann in die Filiale gefaxt werden.
Wie jeden Mittwoch…
Kurz darauf stand sie schon beim Fax.
Aber es tat sich nichts.
Gar nichts.
Marlies wählte die Nummer noch einmal.
Und seufzte.
Dieses Faxgerät mochte sie nicht.
Sie konnte es nicht anders erklären.
Das alte Gerät war so einfach zu handhaben gewesen.
Aber mit dem neuen da…
Nein, sie kam nicht zurecht damit.
Kollege Müller sah ihr schon die ganze Zeit zu.
Er wirkte gestresst.
Und auch er hatte ein Blatt Papier in der Hand.
Vermutlich zum Faxen…
Komm schon her…
Siehst du?
Die Papierrolle ist leer.
Da soll ein Fax reinkommen.
Kann aber nicht.
Wir wechseln das aus.
Marlies bekam große Augen.
Sie hielt die Rolle unsicher in der Hand.
Pass auf.
Müller nahm ihr die volle Papierrolle aus der Hand.
Ich mach das jetzt.
Du lernst das ja doch nie…
Marlies war zusammengezuckt.
Du lernst das ja doch nie…
Müller schaffte es immer, dass sie sich mies fühlte.
Und schuldig.
Immer wieder.
Sie mochte ihn nicht.
Nein.
Sie fühlte sich in seiner Gegenwart nie wohl.
Auch wenn er mal nichts sagte.
Nicht spottete.
Über sie oder andere.
Du lernst das ja doch nie…
Marlies langte nach dem Zigarettenpäckchen…
Minuten später flüchtete sie ins Wohnzimmer.
Es hatte zu regnen begonnen.
Müllers Worte brannten auf ihrer Seele.
Noch immer.
Sie hatte Müller nie leiden können.
Von Anfang an nicht.
Lange hatte sie nicht gewusst warum.
Bis es ihr mit einem Mal eingefallen war.
Etwas in seinem Blick…
Diese grünen Augen…
Leicht spöttisch…
Das erinnerte an ihre Lehrherrin.
Bei der sie Bürokauffrau gelernt hatte.
Dieser Frau hatte sie nichts recht machen können.
Oft hatte sie Marlies regelrecht vorgeführt.
Gepiesackt.
Und gedemütigt.
Ihre Lehrzeit war ein Albtraum gewesen.
Obwohl sie immer die besten Noten bekommen hatte.
In der Berufsschule.
Wie oft hatte die Chefin aber gesagt:
Dazu bist du so blöd!
Müller hatte das heute vermutlich nicht böse gemeint.
Er war halt so.
Und überhaupt.
Er konnte nichts für seine Augen.
Die wie die Augen ihrer Lehrherrin aussahen.
Nein.
Wahrscheinlich war er völlig harmlos.
Aber sie mochte ihn trotzdem nicht.
Und sie reagierte auf alles empfindsam.
Was er sagte und tat.
Als ob es von ihrer früheren Chefin kam…
Sie liebte ihre jetzige Firma.
Dort wusste man sie zu schätzen.
Endlich.
Aber Müller war und blieb das Haar in der Suppe…
Vivienne