Der 50 € Schein

Dieter rauchte eine Zigarette.
Hastig.
Seine Finger zitterten leicht.
Die Handlung der Serie im Fernsehen begriff er kaum.
Er dachte immer wieder an Margot.
Sie lag in ihrem Zimmer.
Seit gestern hatte sie kaum mehr als drei Sätze mit ihm gesprochen.
Drei Sätze!
Margot sprudelte normalerweise über.
Wusste immer etwas zu berichten.
Erzählte von ihrer neuen Liebe.
Oder was an der Uni passiert war.
Margot hatte immer Gesprächsstoff.
Mit ihr wurde es nie langweilig.
Mit ihr konnte man lachen.
Und sich blendend unterhalten.
Wenn man keinen Gesprächsstoff mit tieferem Inhalt suchte…

Dieter fixierte die Tür zu Margots Zimmer.
Vier Leute lebten in dieser WG.
Außer ihm.
Die große Wohnung war wie geschaffen dafür.
So geräumig!
Ein großes Wohnzimmer.
Dazu die Schlafräume für die Bewohner.
Groß genug, um mal jemanden mitzubringen…
Auch über Nacht!
Es machte Spaß hier zu wohnen.
Und durch fünf geteilt war die Miete nicht zu hoch.
Auf keinen Fall.
Obwohl.
Wenn er ehrlich war.
Er hatte schon öfter seine Probleme das Geld aufzubringen.
Seine Eltern waren zwar nicht knauserig.
Und der Nebenjob in dem Laden brachte auch was ein.
Aber er gab halt leicht mehr Geld aus als er einnahm.
Die Scheine saßen immer locker bei ihm.
Und das sorgte für Geldnot.
Immer wieder mal.
Meistens rief er dann seine Mutter an.
Bezirzte sie.
Und die half ihm gern aus.
Ohne dass sein Vater davon erfuhr.
Der hätte sich nur aufgeregt.
Schließlich war die monatliche Unterstützung an sich nicht übel…

Dieter dämpfte die Zigarette aus.
Automatisch griff er zum Zigarettenpäckchen.
Und zündete sich die nächste an…
Er war schließlich jung!
Und das Studium würde noch ein wenig dauern.
Er konnte nicht dauernd sparen…
Die Wohnungstür wurde aufgeschlossen.
Anni kam herein.
Ihr Gruß wirkte eher unpersönlich.
Sie hängte die Jacke an die Garderobe.
Dann verschwand sie in der Küche.
Begann mit dem Geschirr herumzuhantieren.
Minuten später erfüllte der Duft von Fleisch und Gemüse die Luft.
Anni setzte sich dann an den Tisch.
Begann zu essen.
Wortlos…
Sie sah ihn, Dieter, nicht einmal an.

Dieter seufzte.
Sie schnitten ihn jetzt wohl alle.
Dabei war es nicht sein Fehler gewesen.
Was hätte er denn glauben sollen?
Wer von seinen lieben Mitbewohnern?
Wer hätte denn nicht dasselbe geglaubt?
Glauben müssen?
Ja, er war letzten Monat etwas von der Miete schuldig geblieben.
Fünfzig Euro.
Seine Mutter hatte sie ihm diese Woche geschickt.
Mit der Post.
Weil das schneller ging als eine Überweisung.
Schließlich war es dringend!
Und er, Dieter, hatte den Schein auf die Kommode gelegt.
Hier im Wohnzimmer.
Beschwert von einem Wasserglas.
Gemeinsam mit dem Erlagschein.
Er wollte ihn später einzahlen…
Trotzdem war der Schein weg gewesen.
Als er am Nachmittag von der Uni gekommen war.
Und nur eine war in der Zeit daheim gewesen.
Margot…

Er hatte mit ihr zu streiten begonnen.
Lauthals.
Um ehrlich zu sein.
Er war in Panik geraten.
Wo noch einmal 50€ hernehmen?
Seine Mutter würde ihm nichts mehr schicken.
Sicher nicht.
Vermutlich hatte er den Kopf verloren.
Und er war unnötig grob geworden.
Grob gegenüber Margot.
Hatte sie des Diebstahls bezichtigt.
Und ihr mit der Polizei gedroht.
Schließlich war er sich sicher gewesen.
Wer sonst hätte den Schein nehmen können?
Dieter biss sich auf die Lippen.
Aber er hatte sich geirrt.
Ganz ein blöder Zufall.
Der Geldschein war zu Boden gefallen.
Trotz des Wasserglases.
Vermutlich Zugluft.
Oder ein Windstoß durch das geöffnete Fenster.
Und dann war der Schein unter die Kommode gerutscht.
Wo er nicht mehr zu sehen gewesen war.

Klemens hatte ihn gefunden.
Später.
Als die Streiterei schon eskaliert war.
Klemens hatte den Kopf geschüttelt.
Als er ihm, Dieter, den Schien gegeben hatte.
Du hast jetzt Schwierigkeiten am Hals.
Das sollte dir klar sein.
Dieter fühlte einen Kloß im Hals.
Er hatte schnell aufgegeben sich zu entschuldigen.
Margot war in ihr Zimmer gelaufen.
Mit verweintem Gesicht.
Und hatte seither kaum mehr gesprochen.
Und auch die anderen.
Sie verhielten sich anders.
Dieter ballte die Fäuste.
Dabei war doch nichts passiert.
Gut.
Er war nicht sehr freundlich gewesen.
Aber alles hatte sich aufgeklärt.
Und seine Schuld war es nicht.
Ein dummer Zufall.
Eine dumme Geschichte…
Wollte das keiner verstehen?

Vivienne

Schreibe einen Kommentar