Der Mann aus dem Café

Margot saß in ihrem Stammcafé im Gastgarten.
Über ein Buch gebeugt.
Was für ein herrlicher Sommertag!
Kurz warf sie einen Blick auf die Uhr.
Walter wollte erst in einer halben Stunde kommen.
Margot überlegte.
Noch eine Melange?
Oder doch nur ein Wasser?
Sie ließ ihren Blick im Lokal herumschweifen.
Der Gastgarten war fast voll besetzt.
Kein Wunder bei dem herrlichen Wetter.
Plötzlich hielt sie inne.
Diesen Mann kannte sie doch!
Noch einmal nahm sie ihn ins Visier.
Kein Zweifel.
Das war der Mann.
Waren  es vier oder fünf Jahre her?
Margit lächelte.
Welch ein Zufall.
Nach der langen Zeit.
Hier.
Im Zentrum von Linz.
Margots Augen wirkten leicht verträumt.
Der Mann war eben an ihrem Tisch vorbeigegangen.
Ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Egal.
Sie hatte ihn erkannt.
Und sie würde ihn nie vergessen…

Margot nippte an der Melange.
Die Servierkraft hatte sie eben gebracht.
Tatsächlich.
Nicht einen Moment hatte sie daran gedacht.
Dass sie diesen Mann wieder sehen würde.
Sie war damals solo gewesen.
Frisch getrennt von…
Wie hieß er noch?
Daniel.
Sie war damals im Bikini in dem kleinen Büffet gesessen.
Am Pichlinger See.
Hatte ein Eis gelutscht.
Und ein Buch gelesen.
Wie fast immer.
Plötzlich war er vor ihr gestanden.
Ein gut aussehender Mann mit grauen Schläfen.
Und einem faszinierenden Gesicht.
Er hatte sich zu ihr gesetzt.
Ohne groß zu fragen.
Zunächst war die Unterhaltung dahingeplätschert.
Belanglos.
Dann wechselte der Mann das Thema.
Sprach über sein Hobby.
Fotografieren.
Margot hatte ihm interessiert gelauscht.
Schließlich die Frage.
Wollen Sie mir Model sein?
Wollen Sie sich von mir fotografieren lassen?
Sie sind eine markante Schönheit.
Ich würde gerne ein paar Fotos machen.
Von Ihnen…

Margot hatte eine Gänsehaut bekommen.
Die sonore Stimme des Mannes.
Und dann dieses Angebot…
Sie hatte es sofort gewusst.
Das war kein normales Angebot.
Kein Angebot für normale Fotos.
Mit Sicherheit nicht.
Und sie sagte zu.
Trotz aller Bedenken.
Ein paar Sätze tobten in ihrem Hinterkopf.
Bist du verrückt?
Du kennst ihn nicht!
Der Mann könnte ein Perverser sein.
Ein Spanner!
Das Lächeln des Mannes fegte alle Ängste weg.
Nein.
Der Mann war nicht verrückt.
Er war nur interessiert.
Und warum auch nicht?
Sie war ja solo.
Und niemandem Rechenschaft schuldig.
Außerdem.
Solche Fotos waren nichts Unmoralisches.
Und schließlich war sie nicht verzopft…

Die Wohnung des Unbekannten war fantastisch eingerichtet.
Sparsam.
Aber äußerst geschmackvoll.
Als erstes kredenzte er ihr einen italienischen Rotwein.
Und schließlich zauberte er einen Joint aus der Hosentasche.
Margots Nervosität ließ nach.
Sie begann sich auszuziehen.
Zuerst knöpfte sie nur die Bluse auf.
Dann zeigte sie ihm ihre Brüste.
Warf sich in unterschiedliche Posen.
Der Mann dirigierte sie.
Sein Modell.
Und er nahm ihr alle Hemmungen.
Mit dem Rotwein.
Mit den Joints.
Seiner warmen Stimme.
Und mit seinem Lächeln…
Sie hatte sich leicht berauscht gefühlt.
Und das war sie wohl auch gewesen.
Der Mann steckte ihr das Haar hoch.
Fesselte sie mit Plüschhandschellen am Bettgestell.
Und schoss Fotos über Fotos…
Schließlich hatte sie das Gefühl.
Nie etwas anderes getan zu haben.
Als sich hier fotografieren zu lassen.
Nackt.
Kniend.
Hockend.
Mit geöffneten Beinen.
Liegend.
Von oben.
Und von unten.
Von hinten.
Und von vorne…
Sie hatte sich begehrt und attraktiv gefühlt.
Wie nie zuvor.
Das wusste sie noch ganz genau.
Seine Blicke waren wie Streicheleinheiten gewesen.
Peitschten die Leidenschaft hoch in ihr.
Es war verrückt.
Sie kannte den Mann nicht.
Aber sie hatte alle Hemmungen über Bord geworfen.

Schließlich hatte sie gedöst.
Er hatte eine Pause gemacht.
Dann hatte er sie gestreichelt.
Und ihre Handschellen wieder aufgesperrt.
Sie war müde gewesen.
Und dennoch fühlte sie sich wie aufgeputscht.
Nach einer halben Ewigkeit hatte sie seine Hand gespürt.
Die sie sanft an der Taille streichelte.
Sie ließ es geschehen.
Bis sie seine Zunge in ihrem Mund fühlte.
Weil er sie küsste.
Leidenschaftlich.
Und als er seinen Körper an sie drängte.
Fühlte sie, dass er nackt war.
Sie schloss die Augen wieder.
Legte die Arme um seinen Nacken.
Und erwiderte den Kuss.
Seine Hände tasteten ihren Körper ab.
Begannen ihren Schoß zu erforschen.
Ihre Hände umklammerten seinen Rücken.
Als wollte sie sich festkrallen.
Sie begann zu wimmern.
Und öffnete ihre Beine.
Reckte ihm ihre Brüste entgegen.
Und begann sich an ihm zu reiben.

Ihre Körper waren schweißnass gewesen.
Das wusste sie noch.
Dann war er eingedrungen in sie.
Und hatte sie zum Schreien gebracht.
Immer lauter.
Wenn sie sich nachher erinnerte.
Nie zuvor hatte sie den Akt so empfunden.
So Leidenschaftlich.
Kraftvoll.
Erregend.
Als hätte er sie in diesen Augenblicken.
Ins süßeste Paradies gehoben.
Dieser Mann.
Den sie nicht kannte.
Und der trotzdem ahnte.
Traumwandlerisch sicher.
Wo sich ihre erogensten Zonen befanden.
Vielleicht…
So hatte sie später überlegt.
Hatte die Anonymität ihre Leidenschaft so geschürt.
Nie vorher gesehen.
Nie nachher gesehen.
Aber dieses eine Mal.
Brachte er sie zum Schreien.
Und zum Weinen.
Und stillte ihre geheimen Lüste.
Zeigte ihr.
Was in ihr steckte.
Als Frau…

Margot trank die Melange aus.
Die Erinnerung verblasste.
Am Abend war sie heimgefahren.
Er hatte ihr ein Taxi bezahlt.
Und hatte ihr nach gewunken.
In ihrem Körper hatte noch der Vulkan gebrodelt.
Und später war sie eine andere gewesen.
Eine ganz andere.
Fast wach geküsst…
Und mehr als das.
Margot lächelte versonnen.
Er hatte alle verborgenen Feuer in ihr angezündet…
Verstohlen suchte sie die Silhouette des Mannes.
Noch einmal.
Sie hatte ihn nie vergessen können.
Aber er sie offenbar schon…
Schade.
Aber nicht zu ändern…
Margot begann sich wieder in ihr Buch zu vertiefen…

Vivienne

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