„Prost!“ Ich stieß mit Alberts Freund Karl an. „Alles Gute zum Geburtstag!“ Karl grinste und nickte mir zu. „Danke. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Dabei wollte ich doch nur meine gebrannten DVD’s abholen… Das ließe ich mir gern gefallen, wenn ihr mich jedesmal mit Sekt empfängt, dann komme ich noch öfter!“ Er lachte laut. „Nun, das wird es nicht spielen…“ meinte Ali, mein Mann, mit gespieltem Bedauern. „Außer du nimmst den Sekt selber mit!“ Natürlich war die Geburtstagsfeier nicht geplant. Ali und ich feierten eigentlich unseren Hochzeitstag, zu zweit, und nur mit ein wenig Sekt. Aber als sich Karl ankündigte, der nächste Woche noch dazu einen Runden hatte, seinen 40er, bezogen wir ihn spontan in unsere traute Feierlichkeit ein. Wir setzen uns, bedienten uns am Knabbergebäck und ich bot Karl noch ein Glas Sekt an. Der lehnte entschieden ab. „Danke, aber ich fahre mit dem Auto noch ein gutes Stück. Ich bin nicht scharf auf eine Verkehrskontrolle. Als Berufsfahrer bin ich auf den Führerschein angewiesen.“
Karl steckte die gebrannten DVD’s mit aus dem Web heruntergeladenen Spielfilmen in eine Plastiktüte. Albert klopfte ihm auf die Schulter. „Deinen Geburtstag feiern wir ohnehin noch nach. Aber sag… Wie war das denn mit eurem Bürgermeister, der sich durch ein Versteck dem Alkotest entzog? So was könnte mancher von uns bisweilen einmal brauchen…“ Karl lachte. „Richtig, Bürgermeister Schmiedleitner. Mittlerweile ist er lange in Pension… das war noch ein alter Bürgermeister von der Sorte, die am Wirtshaustisch die meisten Probleme und Projekte besprochen hat. Und so kam mancher Rausch zusammen…“ Er packte das Sackerl mit den DVD’s und machte Anstalten uns wieder zu verlassen. „Gut, dann lass ich euch weiter feiern. Bis bald!“ Ali protestierte. „Du willst doch nicht schon wieder gehen? Möchtest du nicht Vivi die Geschichte von Bürgermeister Schmiedleitner erzählen?“ Karl grinste und setzte sich wieder. „Aber lange habe ich nicht Zeit… Meine Frau wartet, und morgen muss ich wieder früh raus!“
Die Geschichte von Bürgermeister Schmiedleitner klang durchaus vertraut in meinen Ohren. Der Alt-Bürgermeister meiner alten Heimatgemeinde war ein ähnlicher Typ gewesen: trinkfest und gewissermaßen schlitzohrig. Aber während der längst verstorbene Bürgermeister meines Geburtsortes des Öfteren seinen Führerschein verloren hatte und manchmal nur durch seine Beziehungen wieder an das rosa Papier gekommen war, agierte Schmiedleitner etwas schlauer. Und vor allem wandte er einmal einen Trick an, um den Gendarmen der Gemeinde zu entfliehen… Karl spannte uns nicht lange auf die Folter. „Also alles unter Vorbehalt. Mir ist das so erzählt worden… Ergeben hatte sich das Ganze wohl nur zufällig. Schmiedleitner war ein Kleinuntenehmer bei uns uns. Einmal mitten in der Nacht, bei der Heimkehr von einer Zechtour, hatte er bemerkt, dass ihm und seinem dunklen BMW ein Wagen folgte – eindeutig die Herrschaften von der Gendarmerie. Schmiedleitner bekam einen Schweißausbrauch, kurz vor der Wahl wäre eine Führerscheinabnahme schlimm gewesen. Getrunken hatte er sicher wieder mehr als genug. Er muss fieberhaft überlegt haben…“
Ali blickte mich an und schmunzelte breit. Er kannte die Geschichte natürlich schon während ich noch rätselte, wie der Bürgermeister der Kontrolle entkommen war. Karl fuhr fort. „Nun, Schmiedleitner kannte aber auch die Gegebenheiten besser als die meisten. Als er um eine enge Kurve flüchtete, fiel ihm ein riesiger Holzstoß ein, der am Beginn eines Weges stand. Dort stellte er sich hin und ließ dann den Wagen sanft in ein Maisfeld gleiten, das gleich dahinter anfing aber durch den Holzstoß nur teilweise einzusehen war. Die Gendarmen fuhren weiter und Schmiedleitner musste nur kurz abwarten. Viel Zeit hatte er zwar nicht, da die Freunde und Helfer schnell merken würden, dass sein Wagen nicht mehr zu sehen war. Also lenkte er einfach den Weg hinauf und verschwand hinter der Kuppe, bevor die Gendarmen wieder zum Holzstoß zurückkehrten.“ Karl räusperte sich. „Nun, ganz zufällig sollte die Polizeikontrolle an dem Abend übrigens nicht erfolgen, da spielte schon der Wahlkampf hinein. Aber wie auch immer, Schmiedleitner war ihnen durch die Lappen gegangen. Er lag wohl längst im Bett als die Gendarmen noch immer rätselten, wo er geblieben war.“
Ich staunte. „Der ist wirklich damit durchgekommen? Kaum vorstellbar…“ Ali lachte. „Tolle Geschichte. Und was passierte dann?“ Karl reagierte wie auf Kommando auf das Stichwort. „Nun, Schmiedleitner konnte sich ausrechnen, dass die Kontrolle ihren Grund hatte. Also unterließ eres in Folge während des Wahlkampfes betrunken zu fahren. Ihm war klar, dass ihn die Gendarmen auf der Schaufel hatten, auch wenn sie ihm nichts beweisen konnten. Nachdem bei der Wahl aber ein voller Erfolg eingefahren wurde, der ihn und seine Partei im Amt bestätigte, wurde er wieder unvorsichtig. Vor allem weil er sich sicher war, dass er nichts mehr zu befürchten hatte… An einem Samstagmorgen im Herbst, gegen vier Uhr früh, befand er sich wieder stark betrunken auf der Heimfahrt von einer Veranstaltung, als er wieder einen Wagen der Verkehrskontrolle hinter sich bemerkte. Und er war überzeugt, er würde den Gendarmen erneut entkommen. Als er sich aber wieder hinter den Holzstoß flüchtete, musste er feststellen, dass das Maisfeld ein paar Tage zuvor abgeerntet worden war. Er konnte sich nicht mehr verstecken und als er versuchte gleich über den Weg zu fliehen, waren die Gendarmen schon hinter ihm.“
„So ein Pech!“ entschlüpfte mir leicht sarkastisch. Karl nickte. „Ja, so ein Pech. Schmiedleitner konnte sich dem Alko-Test nicht mehr entziehen, verlor den Führerschein und ließ sich in Folge einige Zeit von seiner Frau kutschieren… Es muss ihm zugesetzt haben, sie ans Steuer seines BMW’s zu lassen, aber noch mehr Schwierigkeiten durch Fahren ohne Fahrerlaubnis wollte er dann nicht riskieren… Er war schließlich der Bürgermeister. Ja, und der bewusste Holzstoß, der ist anscheinend auf Betreiben der Gendarmerie abgetragen worden…“ Er lachte laut. „Aber jetzt muss ich wirklich fahren. Danke für die Einladung und den Sekt. Und viel Spaß noch ihr zwei!“ Er zwinkerte uns zu und schlüpfte in seine Schuhe. „Macht’s gut!“
Nach einer wahren Begebenheit
Vivienne