Die Arbeitsbedingungen der Handelsangestellten – Ansichtssache

Ein entlassener Manager des Rewe Austria-Konzern hatte vorige Woche die Bombe platzen lassen. Der größte Handelskonzern Österreichs würde durch fragwürdige Bezahlungsmethoden Steuern und Sozialabgaben hinterziehen, indem Mitarbeiter teils geringfügig angemeldet seien, dann aber die Wochenstunden einer Ganztagskraft ableisten würden. Dieses Mehrarbeit werde gar nicht oder eben durch die Auszahlung von Aushilfslöhnen oder Gutscheinen abgegolten.

Der Rewe-Vorstand dementierte umgehend die Existenz von „schwarzen Kassen“, der rachsüchtige Ex-Manager legte nach: Von schwarzen Kassen hätte auch niemand gesprochen, vielmehr würde aus den „weißen“ Filialkassen Geld entnommen werden um die Bezahlung von Mehrarbeit an der Buchhaltung vorbei als Aushilfslohn auszuzahlen.

Ein Aufschrei von Arbeiterkammer, Gewerkschaft der Privatangestellten und letztlich sogar dem Konzernbetriebsrat war die Folge. Medien, die nicht in direkter Abhängigkeit zur Billa-Werbeabteilung stehen, berichteten fleißig vom dem vermeintlich aufgedeckten Skandal.

Ich kann dem Aufschrei nicht ganz folgen, denn dass die Arbeitsbedingungen im Handel, speziell in Großketten oftmals äußerst unschön sein können, ist eigentlich nicht wirklich neu. Dass die bezahlte Arbeitszeit einer Kassierin etwa um 19.00 Uhr endet, Kassaschluss und ähnliches aber in der Freizeit zu erfolgen hat ist ganz selbstverständlich und word. wie ich denke, auch vielen bekannt sein. Wem die Arbeitsbedingungen nicht passen, der kann ja gehen …

Der Arbeiterkammer und Gewerkschaft kann man vorwerfen, auf jenem Auge äußerst sehschwach zu sein, welches über die große Schar der Handelsangestellten wachen sollte. Tatsächlich hat die Gewerkschaft im Bereich Handel noch selten ernsthafte Verbesserungen erreichen bzw. Verschlechterungen abwenden können. Gegen Gewerkschaften wie Metall/Bergbau/Energie oder die allmächtige Beamtengewerkschaft scheint die Gewerkschaft der Handelsangestellten wohl ein echtes Leichtgewicht zu sein.

Ich orte hier aber auch ein wenig ein „Henne-Ei-Problem“: Viele Handelsangestellten treten der Gewerkschaft nicht bei, da sie sich davon ohnehin nichts versprechen. Die Gewerkschaft widerum spricht von einem niedrigen Organisationsgrad und kümmert sich zu wenig um diese Klientel. Warum die Arbeiterkammer nicht einschreitet, an die auch die Handelsangestellten 0,5% ihres Einkommens abliefern, ist mir wenig verständlich. Einfach schlecht, wenn man keine Lobby hat!  Aber auch von anderer Seite vermisse ich ein Einschreiten, denn auch wenn es dem Staat egal ist, wenn Arbeitsgesetze mit den Füssen getreten werden, sollte er dennoch hellhörig werden, wenn er möglicherweise durch Steuer- und Abgabenhinterziehung selbst geschädigt wird.

Vereinzelt konnte ich in den letzten Tagen die Meinung wahrnehmen, dass die Handelsangestellten sogar froh wären, ihre Mehrarbeit „brutto für netto“ abgegolten zu bekommen. Es sollte schon klar sein, dass Rewe hier in erster Linie seine eigenen Kostenstruktur schonen möchte, weiters ist der Umstand zu berücksichtigen, dass die Angestellten sowohl im Falle von Arbeitslosigkeit wie auch bei einem späteren Pensionsantritt (Stichwort: lebenslange Durchrechnung) das Nachsehen haben werden. Abgesehen davon vertrete ich die Meinung, dass auch Großkonzerne sich an Gesetze zu halten haben …

Pedro

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