Die Geschichte von Sir Parsival und seinen Feunden

von Toni A. Rieger

Der Sir dämpfte seine Stimme, sodass Ruhe einkehrte. Voller Stolz über seine Führerschaft tänzelte er vor den Nasen seiner Mitbewohner. „Herhören! Wir stehen vor einer Umwälzung. Wie ich die Sache sehe, dürfte der Tanz bald beginnen.“
Es war an Lady Smoth, mittels eines betörenden Augenaufschlags nicht zu antworten. Die Lady hatte ihre Rolle voll drauf, erst dann was zur Sachlage zu sagen, wenn sie sicher sein konnte, in der Wohngemeinschaft eine gute Figur abzugeben.
George, der dem Sir ständig auf den Zeiger ging, würde gleich seinen Senf absondern. Es überraschte nicht, als aus der Ecke, die der füllige Raufbold schon von Anfang an für sich beanspruchte, ein ärgerliches Zischen kam. „Sir, du darfst fast alles, auch mich beim Pennen stören! Wenn ich was nicht leide kann, dann dass mir jemand sagt, ich solle dieses oder was ganz anderes machen.“
George, heimlich George der Teufel, genannt, hatte seine Augen wieder geschlossen. Er redete nicht gern und wenn, dann so, dass er Aufmerksamkeit verlangte.
Noch einmal, es ist wichtig, dass wir unsere Bildung und unser Wissen um die Dinge nicht verraten. Wir tun das, was schon unsere Eltern, Ureltern und alle vor uns Gekommenen taten. Wir füllen Rollen aus, wie es erwartet wird.“
Anastasia und Cloe hingen an des Sirs Lippen. Den beschlich das Gefühl, dass die zweie nicht wenig Angst vor der Zukunft hatten. Schließlich waren beide ja Grünschnäbel, Anfänger.
Benjamin hatte gar nichts mitgekriegt. Sein unbedarftes Indierundeschauen verriet begrenzten Horizont.
Obwohl sich der Sir nicht verantwortlich fühlte, bereitete ihm der Gedanke an Benjamin schon ein wenig Sorge.
Der Auftrag war klar umrissen. In jeder Gemeinschaft gab es die unterschiedlichsten Charaktere – und wenn es losging, war jeder auf sich alleine gestellt.

Die Wände ihrer Behausung hatten sich gut angefühlt und es war keinerlei Grund für Besorgnis. Wo alle den Ausgang vermuteten, hatte sich am Morgen so etwas wie ein Licht gezeigt.
Benjamin war von den anderen rechtzeitig zurückgehalten worden, nachdem er beinahe losgestiefelt wäre. Benjamin, bestimmt ein Fall, der besondere Aufmerksamkeit forderte. Das war Sir Parsival nicht erst seit heute klar. Trotzdem liebte er den kleinen Kerl ganz besonders. Und er hoffte, dass genau in dessen scheinbarer Einfalt Benjamins größte Chance bestand.
Ich hoffe, euch nicht allzu sehr in eurer Selbstbetrachtung zu stören. Unsere Hauptaufgabe ist es, Frieden zu fördern. Indem wir uns knuddeln und streicheln lassen, tragen wir zu einer besseren Welt bei. Einige werden den Himmel auf Erden haben und andere werden auf der Straße landen und nur hoffen können, dass ihnen ein besonders einfühlsames Wesen über den Weg läuft, sie in sein Herz schließt. Ich habe das Verhalten der Menschen studiert, dass ich behaupte, diese nackten Affen genau zu kennen.“
Schwätzer, wie lange, verdammt, willst du noch deine Räuberpistolen erzählen. Ich werde dir sagen, Sir Parsival, was ich mache. Ich werde es mir gut gehen lassen. Wenn mir einer blöd kommt, gibts Hiebe, und wenn mir die Mädels nicht ganz freiwillig ihre Muschis hinhalten, werde ich auch nicht verzweifeln. Ich weiß, was ich mir wert bin. Und die Welt wird es bald erfahren. Und nun lass mich endlich in Ruhe.“ George, der Teufel, hatte seinen Beinamen bestimmt zu Recht.
Der Sir machte ein betretenes Gesicht. Trotzdem George, der Teufel, gefürchtet war, erwarb er mit seinem Selbstbewusstsein die Bewunderung aller, auch die des Sirs.
Es geht hier um alle, George. Niemand will dir was vorschreiben. Tu, was du willst. Jeder von uns ist ab der Stunde Null ein Einzelkämpfer, dem Überleben verpflichtet. Zieh streunend durch die Gärten, schmuse mit ’ner alten Jungfrau. Alles ist erlaubt. Nur hüte dich vor falschen Freunden. Die bringen es fertig, dich in einem vermoderten Sack in einen scheißkalten Fluss zu werfen. Weil sie der Meinung sind, dass es von uns sowieso schon zu viele gäbe. Genauso solltet ihr euch friedensbewegten Emanzen nicht nähern, die greifen allzu oft zum Seitenschneider.“
Durch die Versammelten ging ein Gemurmel und der Sir bemerkte, dass er ein Thema angesprochen hatte, das alle, sogar George diesen Scheißkerl, ansprach.
Also nix für ungut, Sir, verzeih, dass ich manchmal grob zu dir war. Aber das mit dem Seitenschneider ist doch wohl nicht dein Ernst. Du glaubst wirklich, dass mir jemand ans Diamantencollier will? Absolut unangebrachte Betrachtung. Wenn ich mir was vorgenommen habe, dann ordentlich an Nachwuchs zu schaffen. Einer wie ich passt in die Welt und an meine Klöten geht mir keiner! Ende der Durchsage.“
Sir Parsival konnte sich des Schmunzelns nicht erwehren. George hatte nun mal so was wie Emotionen gezeigt. Er war doch nicht ganz so cool wie zu vermuten, wohl auch von ihm gewünscht.
Nun war es Cloe, sein kleiner Darling, die Einzige, die in etwa seine Zeichnung auf dem Fell zeigte. Die ebenso wie der Sir einen schwarzen Flecken um das rechte Auge hatte, während das weiße Bauchfell von einem schwarzen Rücken dominiert wurde.
Sir Parsival, du machst mir Angst. Glaubst du wirklich an all diese bösen Sachen, die du uns nicht müde wirst, zu erzählen? Wir wollen doch nur geliebt werden. Schau dir nur Anastasia und Benjamin an, die zittern doch schon wieder. Wenn es deine Absicht war, uns Angst zu machen, hast du ganze Arbeit geleistet.“
Der Sir schaute in die ängstlich aufgerissenen Augen der Genannten und ganz plötzlich brach, wie es ihm und den anderen vorkommen musste, die Hölle los.
Waren bisher die Wände handwarm, wie er sich jeden Morgen überzeugte, schien nun ein heißes Gefühl durch ihre Behausung zu ziehen und für sie schien damit eine Aufforderung verbunden zu sein.
Benjamin machte den Anfang. Wo vorher eine helle Stelle war, schien sich ein Scheunentor geöffnet zu haben. George, sonst nicht der Bewegligste, war sofort dem Kleinsten hinterhergehetzt, als wolle er dem Bruder nicht den Vortritt lassen. Er brauchte nur einige kurze Sätze und Benjamin, gefolgt von Lady Smoth, hatte das Nachsehen und musste ihn passieren lassen.
Denkt daran, haltet die Augen zu. Und was ihr wissen müsst, ist, dass die Nippel unser erstes Ziel darstellen. Nippel sind genügend da. Es kann nicht schaden, wenn wir so tun, als wäre das Auffinden der Nahrungsquellen so etwas wie ein ernst zu nehmender Wettkampf. Unsere neuen Freunde lieben so etwas!“ Der Sir, bemüht, seine Wohlerzogenheit zu demonstrieren, hatte seinen Geschwistern den Vortritt gelassen und sich zurückgehalten.
Nun konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles schnell zu gehen hatte. Ihre Behausung, in der jeder sein Eckchen gefunden hatte, war ihrer überdrüssig und wollte nur noch von ihrer Gegenwart befreit sein.
Der Fall war nicht hoch, der Schock umso kräftiger! Instinktiv die Augen zugepresst, konnte der Sir hell und dunkel unterscheiden. Hier war alles dunkel. Ein kurzer Blick gab ihm die Gewissheit, dass Sorge um Benjamin unberechtigt war.
George, Lady Smoth, die ängstliche Anastasia und Cloe waren nirgendwo zu sehen.
Die Stimme eines der Wesen aus der Fremdwelt war es, die für Erhellung sorgte: „Drei Weiber, drei Jungens, Leute. Zwei müssen weg. Dieser fette, gestreifte Teufel macht Ärger, glaubt mir. Mit Katzen habe ich verdammte Erfahrungen. Dann schon lieber Katerchen.“ Sir Parsival wusste, dass er wieder Glück gehabt hatte, wie immer in seinen bisherigen vier Leben. Neben sich hörte er Anastasia schnurren. Es war dann eine raue Zunge, die anfing, ihn abzulecken und ihm fiel eines seiner Lieblingszitate ein: „Bleibt ruhig, Leute, alles wird gut.“

Und der Sir wusste auch, dass es ein Fehler war, zu viel zu verraten. Und schön die Augen geschlossen halten. Alles so wie immer. Und alles würde gut.
Sehr gut diesmal vermutlich.

Zuerst erschienen in
„Maunz & Minka Mausestarke Mietgeschichten“ – Band 4
im Papierfresserchen Verlag

Schreibe einen Kommentar