Meine Cousine Gabi und ihr Mann Hans haben sich erst relativ spät entschlossen sich ein Eigenheim zu schaffen. Der einzige Sohn war mit achtzehn von daheim ausgezogen um zu studieren – und Gaby und Hans entschieden, sich ihren Lebenstraum zu erfüllen. Nach allerlei Schwierigkeiten durch einen ihrer neuen Nachbarn, Kurt Hennerbichler, der ihnen Steine in den Weg warf, wo nur irgend möglich, hatte sich im vorigen Sommer das Rad plötzlich gedreht. Und letztes Wochenende hatten Albert und ich die beiden in ihren eigenen vier Wänden besucht und Bauklötze gestaunt, wie schön so ein Eigenheim sein kann…
Ali hatte Wein mitgebracht, einen hervorragenden Rotwein aus Italien, und den tranken wir, während uns Gaby und Hans im Haus herumführten. Ich muss ehrlich zugeben, dass mir dieses Heim Lust machte, selber noch ein Haus zu bauen und Alis Blicke vermittelten mir ein ähnliches Bild. Nichts desto Trotz kannte ich aber uns beide und wusste, dass es zumindest absehbare Zeit bei unserer vergleichsweise bescheidenen Wohnung bleiben würde. Das Wetter wurde immer schöner, umso länger der Tag dauerte, und schließlich folgte ich Gaby in den Garten, wo sie letztes Jahr im Spätherbst noch ein paar Blumenzwiebel und winterharte Sträucher angepflanzt hatte. Auch ein Rosenstrauch stand auf einem Beet und als ich Gaby fragte, wie er blühen würde, lächelte Gaby versonnen. „Das weiß ich noch nicht ganz genau, weißt du, Vivi, sie ist nämlich ein Geschenk von Kurt Hennerbichler, unserem Nachbarn….“
Fragend und leicht irritiert wagte ich einen leisen Widerspruch. „Doch nicht der Kurt Hennerbichler, der euch die ganzen Probleme gemacht hat…“ Gaby nickte. „Doch genau der. Am besten, ich erzähle dir einmal die Geschichte ohne dass Hans dabei ist. Komm, dort vorne steht der Goldregen, und dort können wir in aller Ruhe ein wenig plaudern…“ Ich muss ehrlich zugeben, dass mir schleierhaft war, warum Hennerbichler auf der einen Seite Gaby und ihrem Mann ständig Prügel zwischen die Beine geworfen hatte und auf der anderen Seite stand dieser schöne, kräftige Rosenstrauch, der diese Zwistigkeiten nicht unbedingt vermuten hätte lassen… Gaby blieb stehen, deutete auf den Goldregen vor uns und begann zu erzählen…
„…du hast schon Recht, Hennerbichler hat sich lange nicht wie ein Gentleman verhalten. Zuerst hat er versucht, dieses Grundstück hier vor uns zu kaufen, obwohl er schon lange geschieden ist und keine Kinder hat. Dann hat er uns ständig angezeigt, weil wir so einen Lärm machen würden oder besser gesagt, die Bauarbeiter und ihre Maschinen. Vor Gericht hat er sogar einen Antrag gestellt, uns das Weiterbauen zu untersagen, aus diffusen Gründen. Stell, dir das vor, Vivi!“ Ich schüttelte den Kopf. Was für ein merkwürdiger Zeitgenosse! Wem wollte der Mann eigentlich das Leben schwer machen, meiner Cousine und ihrem Mann oder sich selbst? „Was habt ihr dagegen getan?“ warf ich in einer Redepause ein. „Dem Hennerbichler hätte ich ordentlich die Meinung gesagt an eurer Stelle!“
Gaby lachte. „Genau das habe ich getan. An einem Abend, als ich von der Arbeit heimkam, lief er mir zufällig über den Weg und ich hielt ihm eine Predigt, von wegen guter Nachbarschaft und Menschlichkeit. Hennerbichler hat mir mit einem spöttischen Grinsen und verschränkten Armen zugehört, dann wandte er sich ab, achselzuckend, und ohne ein Wort dazu zu verlieren. Ich war sprachlos angesichts von solcher Kälte und Verachtung, die er mir da gezeigt hatte. Ich begann fast zu weinen deswegen und rief ihm noch nach. „Sie werden auch noch Ihren Meister finden mit Ihrer Sturheit. Aber glauben Sie nicht, dass Sie uns damit loswerden. Sicher nicht, wir sind stärker als Sie!“ Im Grunde war es völliger Hombug, den ich da formulierte, aber plötzlich drehte sich Hennerbichler um und kam zurück zu mir.“
Gespannt sah ich Gaby an und wartet, dass sie fort fuhr. „Hennerbichler blieb vor mir stehen und irgendetwas an ihm wirkte anders als zuvor, ich hätte nicht sagen können, was. Und schließlich sagte er. „Das glaube ich Ihnen sogar, Ihr Mann kann froh sein, dass er Sie hat. Mit ihm allein hätte ich kurzen Prozess gemacht.“ Ich begriff noch immer nicht, worauf er hinauswollte, Vivi, ich klaubte nach Worten, als er plötzlich nach meiner Hand griff und mich mit einem fast zärtlichen Blick zu mustern begann. Glaub mir, ich war mit einem Mal ziemlich verwirrt, als er meine Hand sanft drückte und resignierend meinte. „Schon gut, ich lasse Sie in Frieden, aber wenn ich jünger wäre, würde ich Sie mir holen!“ Dann ließ er meine Hand wieder los und begab sich schnellen Schrittes in sein Haus.“
Ich brauchte ein paar Minuten um das zu verarbeiten. Unglaublich, Kurt Hennerbichler war verliebt gewesen in Gaby, und sein Kleinkrieg kam also nicht von ungefähr. Wer hätte das gedacht, bei all der Kälte die er meiner Cousine so lange nach außen hin gezeigt hatte! Manche Leute machten tatsächlich aus Ihrem Herzen eine Mördergrube. Aber nun verstand ich auch die Rose, sie war ein zarter, romantischer Liebesbeweis dieses hartes Mannes, der mit Worten seine Gefühle nicht so recht zeigen hatte können. „Die Rose soll übrigens ganz was Tolles sein. Eine englische Sorte, anscheinend in dunkelrot!“ erläuterte mir Gaby während meine Gedanken noch um Kurt Hennerbichler kreisten….
© Vivienne