Du bist weg

Meine Hände zittern.
Ich schenke das Bier in meinem Glas nach.
Ein paar Tropfen fließen daneben.
Ich starre das Glas an.
Die ganze Zeit.
Und plötzlich frage ich mich.
Was du wohl gerade machst?
Ob du bei ihm bist?
Oder bist du einfach unterwegs?
Heute ist Samstag.
Da hast du dich oft mit Freundinnen getroffen.
Früher.
Ihr seid bummeln gegangen.
Jetzt ist Ausverkauf.
Da wärst du mit Feuereifer dabei.
Würdest kramen und suchen.
Nach Schnäppchen.
Nach tollen Sachen.
Die nichts kosten.
Oder fast nichts.
Die einem nachgeworfen werden.
Im Doppelpack…?
Ich umklammere das Glas.
Ob du glücklich bist…?

Die Frage schneidet sich in mein Denken.
Wie er wohl aussieht?
Ich kenne ihn nicht.
Aber du hast mich verlassen.
Seinetwegen.
Und es hat mich getroffen.
Mehr als ich ahnte.
Zuerst dachte ich mir nur.
Soll sie doch gehen!
Blöde Kuh!
Ich tat beleidigt.
Aber die Wunde war tief.
Sehr tief.
Mir fiel es nicht gleich auf.
Aber plötzlich trank ich mehr.
Nach und nach.
Mehr als mir gut tat.
Manchmal war ich das ganz Wochenende betrunken.
Ein Rausch folgte dem anderen.
Ich begriff erst langsam.
Ich konnte es nicht verwinden.
Dass sie jemand anderen hatte.
Dass sie jemanden mir vorzog!
Mir!

Ich leere das Glas in einem Schluck.
Sah ich nicht gut aus?
War ich nicht ein toller Kerl?
Dem die Mädels nachblickten?
Habe ich dir nicht immer das Gefühl gegeben:
Ich brauche dich!
Du bist meine Frau.
Ich tue alles für dich!
Gut.
Ich gebe zu.
Eitel war ich immer.
Vielleicht auch ein wenig selbstverliebt.
Aber dein Vorwurf.
Ich wäre egoistisch.
Das ist doch weit hergeholt.
Du warst mir doch am wichtigsten.
Immer.
Aber das hast du nicht bemerkt.
Du kannst nicht lieben!
Du liebst nur dich selbst!
Diese Worte tun mir heute noch weh.
Ich hole eine neue Flasche aus der Kiste.
Und schenke mir wieder ein.
Schaum fließt am Glas herunter.

Ich bin nicht dein Eigentum!
Deine Stimme war von Wut gefärbt.
Das kannte ich nicht an dir.
Du…
.. So emotional!
Ich blickte in dein Gesicht.
Erstaunt.
Fassungslos.
War das Hass in deinen Augen?
Du kennst mich nicht.
Überhaupt nicht.
Du weißt nichts.
Nichts, was ich fühle oder denke.
Ich bin dein Herzeigepüppchen.
Ich muss mich anziehen, wie du möchtest.
Dein Aufputz.
Und soll den Mund nicht aufmachen.
Oder nicht viel.
Ich bin dein Eigentum.
Nicht deine Freundin.
Was ging bloß in dir vor?
Ich weiß es bis heute nicht.
Ich habe dich angebetet.
Du warst mein Ein und alles.
Und das bist du heute noch.
Ich wische mir den Schaum vom Mund.
Wir hatten es doch so gut…
Weißt du nicht mehr?

Ich sitze noch immer am Tisch.
Neben mir die Bierkiste.
Und viele leere Flaschen…
Ich denke über ihn nach.
Welcher Typ er wohl ist?
Ob er gut aussieht?
Ob er dich verwöhnen kann?
Ich habe dir doch alles gegeben!
Irgendwann stelle ich mir dann immer vor.
Wie er mit dir schläft.
Wie er ihr zwei im Bett liegt.
Nackt.
Und schweißgebadet.
Ihr stöhnt.
Immer lauter.
Drängender.
Und dann…
Ich stoße das Glas vom Tisch.
Das Bier ergießt sich über den Boden.
Dazwischen weißer Schaum.
Die Scherben liegen in der hellen Flüssigkeit.
Ich weine.
Tränen in meinem Gesicht.
Das darf er nicht!
Das darf er nicht!
Du gehörst doch mir!
Verstehst du?
Mir!

Vivienne

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