Ein ungetreuer Ehemann…

Erwin Krieglacher kannte ich seit ich ein kleines Kind gewesen war. Er und seine etwas unscheinbare Frau Franzi hatten in derselben Straße gebaut wie meine Eltern. Drei Kinder hatten die beiden und das Gerücht ging, Franzi Krieglacher hätte sich ihren Mann quasi mit ihrer Mitgift gekauft. Erwin Krieglacher hatte zwar in meiner Erinnerung nie besonders aufregend ausgesehen, musste aber vor bald vierzig Jahren durchaus in der Lage gewesen sein, Frauenherzen zu betören und Franzi hatte ihn sich jedenfalls in den Kopf gesetzt. Gegen ihr unscheinbares Äußeres wusste sie als einziges Kind ihrer wohlhabenden Eltern mit deren Geld zu punkten und Erwin griff zu…

Das schmucke Haus stand bald, Erwin war auch einer der ersten in der noch jungen Siedlung, die den Führerschein machten und sich ein Auto kauften: gelb war es, das weiß ich noch, und es konnte schon durch diese eigenwillige Farbe kaum mit einem Flitzer von heute mithalten. Erwin war bei der Bahn in der Verwaltung beschäftigt und nutzte von Anfang an seine Unabhängigkeit mit dem Auto zu jeder Menge Seitensprünge. Seine Frau, die ihre üppige Mitgift dem Hausbau opfern hatte müssen, hielt er kurz, so kurz, dass sie sogar putzen gehen musste, um der Familie ein warmes Mittagessen auf den Tisch stellen zu können oder sich selber ab und an etwas Neues kaufen zu können. Erwin vernachlässigte seine Frau nach der Geburt des ersehnten Buben, dem dritten Kind, auch sexuell, hielt sich aber bei seinen Kolleginnen und bei diversen weiblichen Bekanntschaften schadlos.

Wie ich hörte, kam es durchaus auch vor, dass er in teuren Lokalen Runden ausgab, um bei jungen Damen mitunter auch fragwürdigen Gewerbes Eindruck zu machen. Während Franzi, seine Frau, bemüht war, mit ihrem Nebenverdienst die Kinder zu versorgen, hatte ihr Mann jede Menge Geld übrig – für andere Frauen und zu seinem Vergnügen. Franzi wirkte mit den Ehejahren noch verhärmter und unscheinbarer, aber sie beklagte sich nicht obwohl ich mir sicher bin, dass sie sich das eine oder andere mal schon gefragt hat, ob es wirklich ausgerechnet ihr Erwin sein hatte müssen, mit dem sie sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollte. Diese Überlegung lag förmlich in der Luft und die Leute im Ort bedauerten sie oder sie gossen auch Spott und Häme über ihr Haupt – je nachdem, wie sie zu ihr standen.

Auffällig war jedenfalls, dass die Kinder der beiden unglaublich mager waren, weil der Nebenjob von Mama Franzi bisweilen kaum zum Nötigsten reichte. Was meine Schwester Bea, die mit einer der beiden Töchter in die Schule gegangen war, in Erfahrung brachte, gab es für die drei Krieglacher-Kinder oft nur Packerl-Suppen während Papa Erwin mit seinem Gehalt die Puppen tanzen ließ und sich durchaus auch die momentane Gunst schöner Frauen kaufte. Anscheinend hatte er bisweilen auch mehr als eine Freundin und da er seine Frau außer bei besonderen Gelegenheiten wie Muttertag oder Weihnachten sexuell nicht mehr befriedigen wollte, war schon klar, dass er woanders Dampf ablassen musste – im übertragenen Sinn.

Keine Ahnung ob Franzi Krieglacher an Scheidung dachte, und so manche Frau hätte die Trennung angesichts der offensichtlichen Beweislage beinhart durchgezogen – aber Franzi schwieg, kniff die Lippen zusammen und ihr Blick war nur mehr auf die Straße gerichtet. Ehrlich gesagt bin ich davon überzeugt, dass sie das Haus nicht verlieren wollte und das wäre wohl verkauft worden, wenn sie auf einer Trennung bestanden hätte. Außerdem hätte sie die Häme als geschiedene Frau kaum ertragen – damals war das noch ein Makel, fast wie ein Kainsmal. Sie ging weiter putzen und schließlich kamen Franzi und Erwin in die Jahre. Die Kinder wurden flügge, heirateten, bekamen ihrerseits Kinder und begannen selber mit dem Hausbau…

Erwin Krieglacher ging als ÖBBler relativ früh in Pension. Er kaufte sich mit der Abfindung noch einmal ein neues Auto und er kam tatsächlich zur Ruhe. Seine zahllosen Liebschaften hörten sich nach und nach auf, weil er auch nicht jünger wurde und in der Pension musste auch er kleinere Brötchen backen. Das Haus war längst abbezahlt, und schließlich wurden beide Mitglied im Pensionstenverband der Gemeinde. Was es in den jungen Jahren der beiden kaum gegeben hatte, wurde nun zu einem ganz normalen Anblick – Erwin und Franzi Krieglacher gemeinsam unterwegs: wie sie miteinander zu einer Veranstaltung des Penionistenverbandes gingen, wie sie miteinander an die Donau spazieren gingen, wie sie miteinander bei der Feier zum 1. Mai an einer Veranstaltung der Gemeinde teilnahmen…

Fast scheint es mir, als hätte Franzi doch noch gewonnen. Nämlich ihren Mann zurück. Zugegeben, die Zeit bis zur Pension war sicher nicht leicht für sie gewesen, aber es hatte sich für sie ausgezahlt, auszuhalten. Man mag jetzt darüber streiten, ob ein paar beschauliche Jahre im Alter das jahrelange Unrecht abgelten können, Unrecht durch einen Mann, der so lange fremd gegangen war und für sie kein Geld übrig gehabt hatte… Franzi Krieglacher scheint es jedenfalls zu genügen, so verhärmt wie früher schaut sie wirklich nicht mehr aus und wenn es für sie passt, soll sie so glücklich werden!

© Vivienne

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