Hier bin ich…

Ich starre auf die Uhr in der Küche.
Ungläubig.
Du schläfst noch immer.
Dabei ist es fast elf Uhr vormittags.
Ich sitze bei einem Kaffee.
Rauche eine Zigarette.
Und blättere die Zeitung durch.
Ich blättere.
Aber ich lese nicht.
Ich kann mich auf nichts konzentrieren.
Auf keinen Text.
Ich verstehe nur Bahnhof.
In Gedanken kratze ich mich an der Wange.
Spüre die Stoppeln.
Ich sollte mich rasieren.
Ja, das sollte ich wohl…
Und wieder muss ich an dich denken.
Du bist wieder da.
Seit heute Nacht.
Irgendwann nach Mitternacht hast du geläutet…

Ich inhaliere den Rauch meiner Zigarette tief.
Du bist einfach vor der Tür gestanden.
In deinen Jeans und einer dünnen Jacke.
Und einem Rucksack.
Prall gefüllt mit deinen Sachen.
Hi.
Mehr hast du nicht gesagt.
Du bist reinspaziert.
An mir vorbei.
Hast deine Schuhe ausgezogen.
Und bist im Bad verschwunden.
Ich weiß noch.
Ich habe dir nachgesehen wie einem Geist.
Ich war völlig überrumpelt.
Wie lange warst du weg?
Ein paar Monate sicher.
Ich versuche mich zu erinnern.
War es nicht letzten Sommer?
Und nun tauchst du wieder auf.
Duscht dich und machst es dir auf der Couch bequem.
Neben mir.
Sagst kein Wort.
Lehnst dich nur an mich.
Und schläfst ein…

Ich dämpfe die Zigarette aus.
Viel habe ich diese Nacht nicht geschlafen.
Ich musste an dich denken.
Die ganze Zeit.
Und was dich wohl zu mir getrieben hat.
Ohne Vorwarnung.
Wir hatten einen furchtbaren Streit.
Damals, als du gingst.
Ich weiß gar nicht mehr worüber mir uns so aufregten.
Aber schließlich hast du deine Sachen gepackt.
Und hast mich stehen lassen.
Es war vorbei mit uns.
Auf einen Schlag.
Das wurde mir aber erst nach ein paar Wochen bewusst.
Ich war mir sicher.
Du würdest wieder kommen.
Ganz sicher sogar.
Du hattest nämlich ein paar Sachen bei mir vergessen.
Eine Uhr.
Schminksachen.
Und noch ein paar andere Dinge.
Aber die Wochen vergingen.
Und du hast dich nicht wieder blicken lassen.

Einmal rief ich dich sogar an.
Schließlich hatte ich einen Vorwand.
Aber deine Nummer existierte plötzlich nicht mehr.
Und da begriff ich erst.
Dir war es ernst gewesen.
Du hast mich wirklich verlassen…
Und ich habe dich vermisst.
Den blumigen Duft deines Parfüms.
Den intensiven Geruch deiner Zigarillos.
Du hast sie abends bisweilen geraucht.
Und wenn wir mit Freunden aus waren…
Was wohl passiert ist in all diesen Monaten?
Du bist freiwillig zu mir zurückgekommen.
Womit ich nicht gerechnet habe.
Nicht mehr.
Ich blinzle vorsichtig zur Couch.
Du hast dich gerade umgedreht.
Fast völlig versteckt unter der Decke.
Du hast wohl lange nicht geschlafen.
Nicht mehr so richtig.
Dein Leben war sicher abwechslungsreich.
Vielleicht auch anstrengend.
Vielleicht war ich die einzige Alternative…

Ich muss lachen über meine Gedanken.
Ich bin schon ein verrückter Kerl.
Und ein Träumer.
Vielleicht hast du nur eine Bleibe gesucht.
Für eine Nacht.
Oder zwei.
Eine Übergangslösung.
Auf dem Weg zum nächsten Mann.
Was weiß ich schon!
Zumindest sollte ich mir nichts erwarten.
Nicht von dir.
Wer so ist wie du…
Ich meine.
Du kannst deine Zelte schnell wieder abbrechen.
Das weiß ich jetzt.
Blitzartig.
Langsam steh ich auf.
Ich werde mich jetzt einfach rasieren.
Und dann noch eine Kanne Kaffee aufsetzen.
Für uns.
Irgendwann wirst du wohl wach werden.
Vielleicht …
… weißt du ja noch nicht, was du tun willst.
Demnächst.
Und überhaupt.
Schadet sicher nicht.
Wenn ich mich von meiner besten Seite zeige.
Oder zumindest einmal rasiert…

Vivienne

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