Ich darf dich nicht lieben!

Kati Haslinger kehrte zusammen.
Die Uhr zeigte fast sechs Uhr morgens.
Der Musikerball war vorbei.
Endlich.
Die letzten Betrunkenen auf dem Heimweg.
Und sie war fast fertig mit der Arbeit.
Endlich…
Müde setzte sich Katie auf einen Stuhl.
Am liebsten wäre sie auf der Stelle eingeschlafen.
Wie ein Murmeltier.
Im Sitzen.
Und mit aufgestützter Hand.
Ein Stoßseufzer…
Die Tür ging auf.
Fabian Duschanek blickte herein.
Duschanek war Lehrer an der Musikschule.
Unterrichtete Gitarre und Klavier.
Na, Katie?
Wie geht’s dir?
Katie seufzte wieder.
Versuchte ein Lächeln zu verbergen.
Ein verschmitztes Lächeln…
Ich werde dann heimfahren, Fabian.
Aber die Tombola war ein voller Erfolg.
Der Musikverein wird sich freuen.
Vielleicht geht sich eine Anzahlung für neue Instrumente aus!

Fabian lächelte.
Er sah Katie eine Weile an.
Seine Augen strahlten.
Er hatte auch schon einiges getrunken.
Aber er stand noch ganz gerade…
Du hast Recht.
Das wird unser Budget ein wenig entlasten…
Er ging langsam in den Raum.
Setzte sich zwanglos zu Katie.
Goss ihr ein Glas Sekt ein.
Aus einer halb vollen Flasche.
Prostete ihr zu.
Auf dich!
Du hast uns so viel Arbeit abgenommen…
Katie seufzte wieder.
Mag sein.
Aber das hab ich gerne getan.
Ich mag das nicht, wenn die Leute nur jammern.
Und nichts selber tun.
Du kennst mich ja.
Auf dich!
Du hast auch viel Vorarbeit geleistet…

Die Gläser klirrten.
Katie starrte vor sich hin.
Sie vertrug nichts.
Sekt machte sie immer halb benommen.
Aber diesmal lag das nicht nur am Sekt.
Es lag an Fabian.
Der dicht neben ihr saß.
Der sie wieder anlächelte.
Und ihr die Hand auf die Schulter legte.
Was ist los mit dir, Katie?
So schweigsam?
Er streichelte sanft ihre Wange.
Katie spürte den Sekt intensiv.
Sie stand auf.
Abrupt.
Ich sollte heimfahren.
Es wird nicht früher.
Fabian sah sie betroffen an.
Das Lächeln gefror in seinem Gesicht.
Aber Katie…
Wartet denn jemand daheim auf dich?
Bleib noch ein wenig sitzen…
Bei mir…
Katie schwitzte.
Sie kramte in der Jackentasche nach dem Autoschlüssel.
Gute Nacht wünsch ich dir.
Oder besser:
Guten Morgen!
Bis dann!

Katie kratzte Eis von der Windschutzscheibe.
Es war sehr kalt an diesem Sonntagmorgen.
Sie hörte wie Fabian aus dem Vereinshaus kam.
Und ihr folgte.
Sie drehte sich nicht um.
Sie dachte an Fabians Frau.
Hemma.
Und an die drei Kinder.
Und daran, dass Fabian seine Frau betrog.
Seit vielen Jahren.
Bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit.
Sie sah Hemma vor sich.
Mit ihren Kummerfalten.
Und den traurigen Augen.
Sie hatte Hemma schon lange nicht mehr lachen sehen.
Welche Frau wäre nicht unglücklich?
Mit einem gut aussehenden Mann?
Der sie mit fast allen Kolleginnen schon betrogen hatte?
Und mit so manch anderer Frau aus der Gemeinde?
Katie öffnete die Autotür.
Wollte einsteigen.
Fabian hielt sie fest.
Er stand plötzlich neben ihr.
Katie.
Seine Stimme klang zärtlich.
Aber auch drängend.
Wem willst du denn etwas vormachen?
Dir?
Oder mir?
Ich will dich.
Und du willst mich auch.
Komm doch…

Einen Moment schloss Katie die Augen.
Natürlich war sie verliebt in Fabian.
Schon die ganze Zeit.
Welche Frau nicht?
Aber er würde ihrer schnell überdrüssig werden.
Wie immer.
Attraktive Frauen gab es genug hier.
Und Fabian liebte die Abwechslung.
Und er liebte es zu erobern…
Einige Zeit hatte sie davon geträumt.
Mit ihm zu schlafen.
Die Leidenschaft kennen zu lernen.
Die ihr ihr Ex-Mann nie geben hatte können.
Aber damals war Fabian noch beschäftigt gewesen.
Mit einer anderen Kollegin.
Jünger und hübscher als sie.
Katie presste die Lippen aufeinander.
Vielleicht war sie verrückt.
Aber sie brauchte kein zweites Desaster.
Nach ihrer Scheidung.
Das hatte sie nicht Not…
Kein Seitensprung mit einem Provinz-Casanova!

Katie lag im Bett.
Sie war übernächtig.
Konnte aber nicht wirklich einschlafen.
Fabians Gesicht tauchte vor ihr auf.
Sie hatte sich weggerissen von ihm.
Und war wortlos in ihr Auto eingestiegen.
Erstaunen spiegelte sich in Fabians Zügen.
Und eine leise Ahnung von Wut…
Katie wusste es selber genau.
Etwas an ihm sprach sie an.
Mit einer Vehemenz.
Die ihr vorher fremd gewesen war.
Und die sie verwirrte.
Aber eine Affäre mit ihm hatte keinen Sinn.
Sie wäre nur eine von vielen gewesen.
Das stand fest.
Heute war er vielleicht sauer.
Aber Fabian würde sich mit Sicherheit schnell trösten.
Sehr schnell sogar.
Daran gab es keinen Zweifel.
Katie wischte sich ein paar Tränen weg.
Sie durfte sich das nicht erlauben.
Keine Affäre mit diesem Mann.
Der ihre Gefühle nie erwidern würde.
Sie durfte ihn nicht lieben…

Vivienne

Schreibe einen Kommentar