Ich höre auf zu hoffen

Ich höre auf zu hoffen.
Zu hoffen, dass du dich änderst.
Dass du der Mensch wirst.
Der du sein könntest.
Wenn du wolltest.
Dass ich noch einmal glauben könnte.
Was du sagst.
Was du versprichst.
Dass wir noch einmal von vorne anfangen.
Die letzten zehn Jahre streichen.
Alles vergessen, was war.
Dass du endlich aufhörst…
…mich zu schlagen…

Ich habe an dich geglaubt.
Du warst so stark.
Du hast Farbe in mein Leben gebracht.
Ein Leben, das grau war.
Ich fühlte mich bedeutungslos.
Und vor allem ungeliebt.
War es vermessen, mich in dich zu verlieben?
War es unbescheiden, an dich zu glauben?
Nein.
Ich denke nicht.
Und doch war das Glück mit dir trügerisch.
Nicht von Anfang an.
Aber unsere Beziehung bekam Risse.
Nach und nach.
Risse, die ich mühsam zu kitten begann.
Zuerst nur eine Ohrfeige.
Dann und wann.
Wenn du getrunken hattest.
Oder wütend warst.
Dass kein Geld da war.
Dass du deinen Job verloren hattest.
Oder du einfach frustriert warst.
Es gab viele Gründe…

Ich wollte da sein für dich.
Dich trösten.
Dir Mut schenken.
Je sanfter ich war, desto wütender wurdest du.
Ich wurde dein Blitzableiter.
Immer öfter.
Aus Ohrfeigen wurden Schläge.
Später hast du mich geprügelt.
Und erst von mir abgelassen, wenn ich blutete.
Oder ich mich nicht mehr rührte.
Ich war dumm.
Die ganze Zeit.
Ich behauptete immer, ich wäre gestürzt.
Unglücklich gefallen.
Ich erfand viele Ausreden.
Für blaue Flecken.
Für Prellungen.
Und für Wunden, die genäht werden mussten.
Mein Arzt schwieg lange Zeit dazu.
Sehr lange.
Bis er uns eines Tages die Polizei schickte.
Man befragte mich lange.
Ich starb fast vor Angst.
Du darfst nichts sagen.
Deine Stimme war gegenwärtig.
Die ganze halbe Stunde, die das alles dauerte.

Immer wieder hakte man nach.
Aber ich gab es nicht zu.
Ich log.
Ich blieb bei meinen Ausreden.
Bei den fadenscheinigen Erklärungen.
Du hast gelacht, als sie gingen.
Deine Augen leuchteten.
Du bist die Beste.
Ich wusste es.
Auf dich ist Verlass.
Ich schwöre dir: es war das letzte Mal.
Alles wird gut.
Alles wird besser.
Ich liebe dich!
Ich erinnere mich genau.
Wir haben gefeiert.
Und du warst so zärtlich zu mir.
So kannte ich dich gar nicht mehr.
Ich glaubte dir.
Diese eine Nacht.
Es schien wirklich, als würdest du dich ändern.
Für mich.
Für uns.
Fünf Tage dauerte der Traum.
Dann hast du mich die Treppe hinuntergeprügelt.
Du hattest eine Anzeige wegen Versicherungsbetrugs bekommen.
Die Nachbarn liefen zusammen.
Sie riefen die Polizei.
Und den Arzt…

Ich wurde im Spital wieder wach.
Du bist an meinem Bett gesessen.
Ich las Angst in deinem Gesicht.
Große Angst.
Angst um dich…
Es tut mir so leid.
Deine Stimme war ganz leise.
Sie zitterte.
Du musst die Anzeige zurückziehen.
Ich flehe dich an.
Bitte.
Für unsere Liebe.
Ich sagte kein Wort.
Ich konnte nicht sprechen.
Meine Unterlippe war geplatzt.
Die Ärzte im Krankenhaus hatten sie genäht.
Der Kopf tat mir weh.
Ich sah dich nur an.
Ich weiß nicht, wieso ich zu weinen begann.
Dann drehte ich mich weg.
Eine Schwester kam ins Zimmer.
Sie forderte dich auf das Zimmer zu verlassen.
Du hast zu schreien begonnen.
Ganz laut.
Du hättest ein Recht bei deiner Frau zu sein!
Irgendwann war das Schreien nicht mehr zu hören.
Jetzt liege ich schon drei Tage hier.
Drei Tage.
Ich kann kaum essen und trinken.
Drei Rippen sind gebrochen.
Ein jeder Atemzug tut weh.
Und du bist nicht mehr gekommen.
Ich weiß nicht, ob ich froh sein darf darüber.
Aber es wäre schön, wenn du nicht mehr kommst.
Überhaupt nicht mehr…

Dieser Geschichte liegen keine persönlichen Erfahrungen der Autorin zugrunde.

Vivienne

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