Kontrollen überall…

Das staatliches Obrigkeitsdenken nichts Neues ist, lehrt uns die Geschichte. Daß solch unangenehme Konstellationen immer wieder mal in Erscheinung treten, kann ebenfalls den Geschichtsbüchern entnommen werden. Da verwundert es nicht, daß das beginnende 21.Jahrhundert vielleicht davon geprägt werden könnte. Denn das Volk schreit unbändig nach Sicherheit, und die Politiker in unserem Land und in weiten Teilen Europas, geben dem ängstlichen-neurotischem Bürger, das was er anscheinend am meisten braucht, nämlich genau dieses nutzlose Sicherheitsdenken, das die ganze Republik blockiert. Die Medien obendrein spielen hier munter mit. Es häufen sich die Berichte über Sexualdelikte, insbesondere über Kindestötungen, über kriminelle Delikte überhaupt, über Zugunglücke, über den Irak, über Päderasten, über die Mafia, ja über alles Unglück in der Welt, der diabolischen Welt, die vom Teufel besessen ist, die einem die Kehle zuschnürt bis in die Eingeweide hinein und der Schmerz von alledem brennt einem spürbar auf den spröden Lippen. Ja, da wird Lebensfreude zum Lebensgift und wandelt in dunklen Tunneln, in dunklen Trieben, in der Masse der Menschen, spiegelt sich in den Objektiven der Kameras, spricht aus den Lautsprechern von Fernsehapparaten und zum Schluß klettert es aus jedem Rinnstein, aus jeder schmierigen Ecke, aus der Gosse, aus den Mülleimern, bis hin zum Bundeskanzleramt. Aber nicht nur dort. Nein, jetzt kommen die Brunnenvergifter mit ihren stillen Kontroll-Augen vermehrt auch in die Straßenbahnen. Jetzt bekommt auch der Kleinkriminelle, der Dieb im Kleinen, der pedantisch betrügt und belügt, sein Fett weg und nun erscheinen die Fahrscheinkontrolleure mit gleichem pedantischem Gewissen und stringents. Wir loben den Herrn und preisen die Gerechtigkeit. Die SPD wusch sich ja schon immer in Gerechtigkeit, auch das ist nichts Neues, nur diesmal scheinen sich die Gleise der Gerechtigkeit geradewegs im rechten Winkel zu verbiegen. Der Schaffner müßte jetzt auf die Bremse treten, der Polizist mit der Kelle wedeln, doch es bleibt nur die Kontrolle, um dann weiter zu kontrollieren. Manchmal frage ich mich, wo führt das alles nur hin.

Auch der Sport bleibt nicht verschont. Die Doping-Bekämpfer sind schon da, mit ihren sauberen Händen. Doping, Doping, Doping und was kann uns da helfen? Kontrollen, Kontrollen natürlich. Schmutzig springen wir in die Doping-Welt. Der Kontrolleur geht wie selbstverständlich mit aus Klo, wenn der Leibessaft fließt, zapft ihm dann das Blut aus den Adern, ist immer da und nicht sehr weit. Und wenn alles nicht hilft, dann könnten Razzien helfen. Dann kommen die Filzläuse mit gieriger Lust und flammend großen Augen, mit Handschuhen aus Plastik, steril und nüchtern und stecken dir den Finger in den After, und fühlen nach den verbotenen Substanzen, ketten die Sportler an Heizungskörper, geben ihnen nichts zu essen, verfrachten sie kurzfristig ins Krankenhaus, auf die Intensivstation, um dann die Symptome zu kurieren, um davon zu lernen. Was ist das für eine Welt? Es ist die Welt der totalen Überwachung: für jeden Kriminellen eine Kamera, für jeden Kinderschänder einen Moderator, für jeden Athleten den entsprechenden Kontrolleur und sein Krankenhaus. Oh, wie schön ist die Welt. Oh, wie anmutig war der Mensch. Morgen schon der nächste Bericht. Und morgen schon, könnte alles anders sein.

(C) Wilhelm Westerkamp

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