Teil 4 – Das Gewitter

Wochen waren seit Philips Bad vergangen. Der kleine Kater war schon sehr gewachsen. Die Hühner fürchteten ihn, da Philip sie gerne erschreckte. Dann stoben sie in alle Richtungen auseinander.

Philip hielt sich auch oft am Teich auf. Immer suchte er in der Nähe des Teiches nach den stacheligen Tieren – den Igeln, wie seine Mutter sie genannt hatte. So sehr er aber auch in allen Schlupfwinkeln suchte, er war nicht mehr auf sie getroffen.

In einer schwülen Nacht im Mai ging das erste Gewitter des Jahres nieder. Obwohl seine Mutter beruhigend auf ihn einredete, hatte der kleine Kater furchtbare Angst. Er kauerte in seinem Bett, dem alten Korb. Verschreckt hielt er sich die Pfoten an die Ohren und zitterte bei jedem Blitz.

Am nächsten Morgen war Philip aber wieder putzmunter. Er spielte mit Rolf, der ihn ein paar Mal auf den Baum im Hof jagte.

Bald trieb es ihn aber wieder zum Teich, der sehr verändert aussah. Blätter, ja ganze Äste schwammen im Teich. Die Oberfläche glänzte nicht mehr silbern sondern war schmutzig trüb. Eine tote Kröte lag am Ufer. Philip beschnupperte das schleimige Tierchen und lief weiter.

Auf der anderen Seite des Teiches hatte der Regen viel Erde von der Böschung ange­schwemmt. Philip roch an dem Erdwall. Er kratzte ein wenig von der Erde weg. Viele Gerüche, die Philip noch nicht kannte, drangen an seine Nase.

Plötzlich stach ein eigenartiger Geruch in seine Nase.

Philip grub eifrig weiter. Bis er etwas Bräunliches erkennen konnte. Der kleine Kater erschrak. Das waren … das mussten … es waren die Igel. Ein großes Tier und zwei kleine. Die Igelfamilie war vom Regen überrascht worden. Der Erdschwall hatte sie dann verschüttet. Philip war sehr traurig. So sehr hatte er gehofft, die Bekanntschaft dieser seltsamen Tiere zu machen.

Irma, die Gans, die wie meistens mit ihren Jungen am Teich war, kam näher. Wie die alle Tiere kannte sie Philips Neugierde für diese Igel. Oft hatte sie beobachtet, wie er auf der Suche nach ihnen herumstrich. Sie hatte dann oft heimlich gelächelt. Doch jetzt verstand sie den Schmerz des Katers gut.

„Lass den Kopf nicht hängen“, meinte sie tröstend. „Weißt du, die wilden Tiere, wie die Frösche oder auch die Igel, sind großen Gefahren ausgesetzt. Wir leben sicher bei den Menschen, bekommen unser Futter. Dafür sind wir aber nicht frei. Der Bauer nimmt sich Eier und Milch; und manchmal wandert ein Huhn in den Topf oder ein Schwein wird geschlachtet. Das ist unser Preis für die Sicherheit.“

Philip lief gedankenverloren zurück in die Scheune. Er beachtete die Mäuse, die ihm seine Mutter gefangen hatte, nicht. Melissa fiel auf, wie still ihr kleiner Sohn war.

Rolf riet ihr, Philip auf andere Gedanken zu bringen. „Du wirst sehen, wenn er seine erste Maus fängt, denkt er nicht mehr daran.“ Aber Rolf täuschte sich. Philip fing keine einzige Maus, weil er viel zu traurig war.

„Das macht keinen Spaß!“ tadelte ihn Melissa. Es ist ein Kunststück, so faule Mäuse nicht zu erwischen. Du machst mir heute keine Ehre.“ „Ich weiß auch nicht!“ klagte Philip. Er lief wieder hinaus auf den Hof.

Der Hahn August scharrte auf dem Misthaufen. Er war sehr guter Laune. Ein paar Hühner und die beiden Enten lauschten seiner abenteuerlichen Geschichte. Er erzählte gerade, wie er den gefürchteten Fuchs Ingolf in die verjagt hatte.

„… ich sitze auf dem Rücken von Ingolf“, schilderte der Hahn seine Geschichte. „und ich kratze ihn mit meinem Schnabel auf dem Kopf, bis er Agnes, die weiße Henne, wieder loslässt. Schließlich flüchtet der Fuchs wieder aus dem Hühnerstall. Sein Wehgeschrei ist weit zu hören.“ „Was für ein mutiger Hahn!“ meinten die Enten verzückt und voll Bewunderung. August stolzierte auf dem Misthaufen hin und her. Er wippte mit den Flügeln auf und ab. „Ja!“ lachte der Hahn, „wäre ich nur da gewesen, als Ingolf letzten Herbst hier war!“ Philip lauschte der Geschichte eher gelangweilt.

Aber da … was war das?

Rolf schlich sich von der Rückseite der Scheune an den Misthaufen heran. Gerade als der Hahn weitererzählen wollte, ertönte hinter ihm Rolf‘s lautes „Wuff wuff!“ August zuckte zusammen. Zitternd stolperte er vom Misthaufen. Schließlich landete er kopfüber vor den Hühnern. Die gackerten belustigt.

Rolf setzte seine Runde durch den Hof fort.

Als Philip den erschrockenen Hahn sah, lachte er vor Vergnügen. Rolf blinzelte ihm zu. Eine Weile noch saß der rote Kater vor der Scheune. Er sah dem erschreckten Hahn zu, wie er sich seine Federn richtete.

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