Warum lässt Gott das zu?

Diese Frage habe ich mir von © Sarkastika hier bei der Bohne einfach ausgeliehen. © Sarkastika gibt uns auch die Antwort auf die von ihr selbst gestellte Frage.

Gott ist da, freut sich, wenn wir ihn bitten. Wenn wir zu ihm beten. Wenn wir unseren Egoismus ihm zur Ehre einfach mal zur Seite stellen. Uns ihm, den Herrn nur gesenkten Hauptes nähern.
Doch ist diese Frage damit schon beantwortet?
Ich habe da so meine Zweifel.

Eine der schlimmsten Krankheiten der Menschheit rafft schon seit den Zeiten der ganz alten Pharaonen, also seit mindestens 6 Tausend Jahren, eine unverhältnismäßig große Anzahl von Menschen von dannen.
Uralte Greise und Greisinnen, aber auch blutjunge Kindlein gehören zu ihren Opfern.
Ohne Ansehen der Person, Religion, Herkunft, Rasse oder Hautfarbe und noch nicht einmal der möglicherweise tiefsten Gläubigkeit, schlägt das Schicksal zu.
Der Krebs ist überall und zu jeder Zeit unser nächster Verwandter, sozusagen immer auf dem Sprung uns zu übermannen.
Unser eigener Körper überschwemmt uns mit mutierten körpereigenen Zellen, die sich unendlich immer wieder teilen und damit unseren eigentlichen Zellen das Leben abschnüren.

Und trotzdem erkranken noch verhältnismäßig wenige Menschen an dieser Volksseuche.
Die große Zahl der Mehrheit bleibt davon verschont. Sei es, dass Menschen schon vor Ausbruch dieser Krankheit an anderen Gebrechen leiden, welche sie nicht alt genug werden lassen an Cancer zu erkranken, sei es, dass sie sehr gut auf die verschiedenen Therapien reagieren.
Sei es, dass sie einfach nicht zum Kreis derer gehören, die dieser Krankheit eine Angriffsfläche bieten.
Die sozusagen dagegen immun sind, was immer das bedeuten mag.
Mit Religion, tiefster Gläubigkeit oder bigottester Frömmigkeit hat das alles nichts zu tun.

Nun könnte man, bleiben wir einfach mal dabei, den Krebs als großes Regularium der Natur sehen, um die Anzahl der Menschen auf ein für die Erde erträgliches Maß zu begrenzen. Weiterhin könnte man glauben, dass es Sinn macht, dass der Mensch sich eben nicht über Gottes Schöpfung zu erheben vermag, weil der ihn durch die gottgewollten Erkrankungen, immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück holt.

Und hier schon spaltet sich die Menschheit in mindestens zwei Lager! Eines davon glaubt, will glauben, dass alles einem großen Plan zuliebe geschieht, welcher sozusagen in der Natur gesetzmäßig verankert sei.
Das zweite Lager denkt ähnlich, nur dass die Natur hier als Gott daher kommt.
Die Gedankenbilder ähneln sich beinahe aufs Haar.

Nur, was eint, was trennt diese Lager?

Den Kranken könnten solche Vorstellungen egal sein. Sie selber müssen sich immer als Opfer sehen. Sie werden, egal wer von beiden Lagern nun am Ende Recht haben sollte, auf dem Altar der Beliebigkeiten geopfert. Sie dienen lediglich als Anschauungsmaterial für Wunschprojektionen, die als Beweis für die eigenen Überzeugungen dienen sollen.

Nur, was erzähle ich einer Neunjährigen, die von ihrem zweiten Lebensjahr an, die meiste Zeit ihrer Leukämie wegen, in Krankenhäusern zubrachte?
„Gott liebt dich! Du musst nur ganz feste an ihn glauben! Du wirst sehen, alles wird gut! Bete und du wirst errettet werden!“

Ich muss gestehen, mich überkommt ein Schauer! Und nicht etwa, weil ich selber nicht daran glaube.
Auch nicht, weil ich weiß, dass ich ein verdammter Lügner bin und nur weil ich in diesem unschuldigen Wesen, so etwas wie Hoffnung pflanzen will. So etwas wie das Gefühl von Normalität geben möchte.

Ich will nicht mehr tun, als diesem Wesen so etwas wie Mut zu machen. Mut, weiterzumachen.
Mut zu haben, die soundsovielte Chemo über sich ergehen zu lassen.
Möglichst klaglos über sich ergehen zu lassen.
Die morgendlichen und abendlichen Brechattacken über sich ergehen zu lassen.
Die Zeiten apathischsten Dahindämmerns mit Gleichgültigkeit hinter sich zu bringen.

Ich werde zum verdammten Lügner, nur weil ich lieb sein will. Nur weil ich einem der Geschöpfe Gottes so etwas wie Normalität vorspielen will.
Einem Menschen Trost spenden. Ihn ein wenig von seinem Schicksal ablenken.
Ihm den Tod versüßen?

Eines der wohl best gehüteten Mysterien der Kirchen scheint mir die Gotteszuversicht zu sein.
Da stellt sich ein Priester hin, um am offenen Sarg den angetretenen Angehörigen dieses soeben verstorbenen Kind zu sagen, dass sich gerade hier in diesem Augenblick, Gottes unergründlicher Plan, am Beispiel dieses Kindes zeige.
Gott wird schon wissen, warum er sich dieses unschuldige Kind ausgesucht habe um die Endlichkeit des Lebens in die Köpfe zurück zu bringen.

Nein ich will nicht mehr! Ich will nicht mehr, einem „Höherem Ziel“ geschuldet, Lügen verbreiten. Lügen, die bei hartem Neon-Licht betrachtet, weit entfernt rußiger Kerzen in Trauerhallen, lediglich als Ausgeburt eines ausgeprägten Tunnelblickes zu erkennen sind
Eines Tunnelblickes, der sich wohl unabänderlich immer dann einstellt, wenn der Mensch nur gläubig genug zu sein scheint.

Hierauf auch und nicht zuletzt, baut sich die ganze Ungerechtigkeit der Welt auf. Wie sagte schon Papst Benedikt XVI so treffend? „Der Mensch in seiner Gläubigkeit wird vom Vater geliebt!“
Was im Umkehrschluss wohl heißen muss, dass der Erkrankte an seiner Krankheit nicht nur leiden muss, sondern auch selber schuld sein dürfte.
Nur, wie ist die Krankheit der kleinen Emely in diesem Zusammenhang zu sehen, die zwischen 2tem und 9tem Geburtstag, ihrem letzten im Leben, gar keine Zeit und Gelegenheit hatte, so etwas wie Gläubigkeit zu erlernen?

Ach ja, ich vergas, ich hätte sie ja noch öfter in der Klinik besuchen sollen. Ihr aus der Bibel vorlesen können und sie so hin zum rechten Glauben bringen können.

Nur, welches ist er denn, der rechte Glaube?
Das Judentum, das Christentum, der Islam, der Buddhismus, der Hindusmus, die Naturreligionen?

Gar nicht so leicht zu beantworten, für einen mit anerzogenem Tunnelblick!

A. S. chefschlumpf 10.10.09

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