Hinter dem Anschein

Man ist sich oft so sicher.
Diese oder jene Hintergründe treffen zu.
Deshalb ist der Herr X so.
Und nicht anders.
Deshalb ist er wortkarg.
Grüßt nicht.
Und überhaupt:
Ein echter Ungustl ist er auch!
Meist ist es ein Zufall, der erkennen lässt:
So ist das gar nicht.
Sondern ganz anders.
Und eigentlich ist der Herr X gar kein Ungustl.
Sondern nur vom Leben gezeichnet…
Und wie würden wir wohl wir handeln.
Und uns verhalten.
Wenn wir all das schon durchgemacht hätten.

So was kommt oft vor.
Meistens erkennen wir die Hintergründe sogar nie.
Sondern suhlen uns in unserer Selbstgerechtigkeit.
Wir wissen ja alles besser.
Wir haben die Weisheit gegessen.
Mit dem Schöpflöffel sogar.
Und unser Weitblick.
Und unser Scharfsinn.
Unvergleichbar.
Wir wissen alles gut.
Um nicht zu sagen am besten…
Ja.
Der Mensch kann sehr selbstgerecht sein.
Voller penetranter Selbstherrlichkeit.
Und was noch am schlimmsten ist:
Er ändert sich kaum.
Auch wenn ein Fehler passiert ist.
Ein folgenschwerer…
Man konstruiert sich bisweilen sogar Ausreden.
Dass trotzdem der andere Schuld ist.
Dass man sich selber unverzeihlich verhielt.
Indiskutabel…

Mir ist selber auch schon ein Trugschluss passiert.
Kürzlich erst.
Ein paar Kolleginnen lesen meine Sachen sehr gern.
Vor allem die erotischen.
Und als ich für ein paar Leute etwas ausdruckte.
Hatte ich plötzlich ein paar Seiten zuviel.
Ich reichte sie einer jungen Kollegin.
Zur Unterhaltung.
Wie ich dachte.
Irrtum.
Sie reagierte etwas sauer.
Meine Sachen waren ihr fast zu direkt gewesen.
Und sie hatte auch geglaubt:
Das wären Anregungen für ihr Liebesleben gewesen.
Ich verdattert, als sie mir das erzählte.
Das hatte ich nie gewollt!
Absolut nicht.
Ich hatte einfach geglaubt, sie könnte die Geschichten amüsant finden.
Oder einfach prickelnd.
Stattdessen hatte ich sie verärgert.
Ohne es zu wollen.
Und hätte ich nicht selber die Dinge angesprochen.
Eher zufällig.
Ich hätte über ihren Unmut nie etwas erfahren…

Eines habe ich wieder einmal gelernt dabei.
Man darf nie von sich auf andere schließen.
Und nicht von ein paar Fans auf andere Leute…
Peinlich war mir das.
Aber nicht zu ändern.
Ich werde halt in Zukunft nachfragen.
Wenn ich wieder wem erotische Geschichten von mir stecke.
Nicht jeder ist davon gleich begeistert.
Oder gleich erregt…
Zugegeben.
Gerade dieses Sujet ist schwierig.
Ich hätte die Kollegin klarer informieren müssen.
Ein Fehler, den ich in Zukunft vermeiden werde.
Was für mich okay ist, muss es nicht für andere sein.
Noch lange nicht.
Dem Anschein darf man nicht trauen.
Dahinter verbirgt sich oft ganz etwas anderes…

© Vivienne

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