Textauszüge: Harry Popow – „In die Stille gerettet“. Persönliche Lebensbilder. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3
Alter Mann und rote Rose (Seite 289)
Wieder bei Arne, dem „Baron“. Diesmal privat. Das schwedische Ehepaar Herta und Sony sowie Cleo und ich sind eingeladen. Wir sitzen im Eßzimmer mit den schweren Eichenmöbeln. So ist Arne: Vornehme Bewegungen, selbst beim Auftragen der selbst gekochten Speisen. Dieser Mann beherrscht es, allein ein auserlesenes Menü zuzubereiten. Bäckt selbst Kuchen und Torten, hält die große Villa in Schuß, überall viele Blumen und Pflanzen, teure Behaglichkeit. Wir sind jedesmal von Neuem beeindruckt. Wertvoll die Gespräche mit ihm, er ist weise, dabei zurückhaltend, auflachend, wenn ein Spaß in der Luft liegt. Nach dem Essen bittet er zur Kaffeerunde an eine antike Sitzgruppe. Über uns an der Wand ein riesiges altes Gemälde im breiten Goldrahmen. Cleo schaut es sich besonders aufmerksam an. Woher, wer gemalt? „Baron“ erzählt, ein Vorfahre habe mit fünf Jahren mit seiner Tante Gemüse verkauft. Von ihm verdientes Geld steckte der Fünfjährige in eine abgeschlossene Kassette. Als er 18 war, fand er darinnen 60.000 Kronen. Da erfüllte er sich einen lang ersehnten Wunsch – er kaufte sich dieses Gemälde für 40. 000 Kronen. Und nun sei es im Familienbesitz und sollte an und für sich alle zwei Jahre innerhalb der Familie (unser Gastgeber hat fünf Kinder) in den Wohnzimmern die Runde machen. Da die anderen Wohnungen aber nicht so große Wände haben, könne er sich nun ganz alleine vierzehn Jahre lang an diesem Ölgemälde erfreuen. Doch die eigentliche Bewunderung über die Werte in „Barons“ Haus gehen mit einem Mal in eine andere Richtung, als Sony auf eine einsame rote Rose an einem Fenster zeigt, neben der ein Foto hinter Glas steht, das eine Frau abbildet. Cleo geht hin, betrachtet Blume und Foto interessiert. Cleo hinterfragt und wir erfahren: Diese Schöne war seine Frau. Jeden Donnerstag kaufe er im Blumengeschäft in der 17 Kilometer entfernten Kreisstadt eine rote Rose für die vor 15 Jahren Verstorbene. Zu jeder Jahreszeit. Wir sind baff. Welch eine Geste. Er muß mit ihr sehr glücklich gewesen sein. Klar, es geht nicht um die Ausgaben jahrelang – es geht um die Haltung, die innere. Später kann ich nicht so schnell einschlafen. Da geht mir so manches durch den Kopf. Auch wir sind in der gleichen Lage. Alt und liebevoll zueinander. Ein Leben lang. Das wünschte man jedem. Bevor ich einschlafe, fällt mir ein Titel ein: „Der Alte Mann und die rote Rose.“