Neue Bohnen Zeitung


BEMERKENSWERTE FILME
von Vivienne  –  November 2003



U-Turn – Kein Weg zurück

Das Abschlittern in die Kriminalität kann etliche Ursachen haben. Bei vielen ist es reine Geldgier, anderen wird ein Laster zum Verhängnis und bei gar nicht so wenigen ist es „nur“ eine Kette widriger Umstände, durch die ein Mensch sozusagen auf die „schiefe Bahn“ gerät. Und manchmal ist es nicht nur das allein, die falsche wie leidenschaftliche Beziehung zu einem Menschen – eine „amour fou“, kann der Auslöser dafür sein, dass das Leben aus den Fugen gerät. Regisseur-Legende Oliver Stone schuf mit „U-Turn“ ein brennendes Beispiel dafür…

Dabei beginnt der Thriller aus dem Jahr 1997 mit einer schwungvollen Melodie aus dem Autoradio von Bobby Cooper, der mit seinem Wagen auf dem Weg nach Las Vegas ist. Allerdings sucht er dort nicht das Vergnügen oder das Spiel – er muss dringend Spielschulden begleichen und die Typen verstehen keinen Spaß: sie haben ihm schon zwei Finger gebrochen. Bobby hat es also eilig, aber hier auf dem Highway beginnt seine Pechsträhne: sein Auto geht ein, und der Besitzer der Werkstatt macht ihm klar, dass er das Ersatzteil bestellen muss – was dauert.

Zeitlich momentan an die Kleinstadt gebunden, läuft Bobby der verführerischen, lasziven Grace über den Weg. In ihrer Wohnung wartet aber vorerst kein erotisches Abenteuer mit der Frau, denn Grace’ Mann taucht unvermittelt auf und verprügelt ihn – was Bobby nicht das einzige Mal passieren wird. Kurz darauf trifft er wieder auf den alten Ehemann von Grace, der jedoch viel freundlicher ist und ihm eine Menge Geld bietet, wenn er ihn von dieser Frau, die ihn den Verstand kostet, befreit. Bobby beteuert, das nicht zu können, aber als er im Supermarkt, der – blöder Zufall – gerade überfallen wird, all das Geld verliert, das er den Kredithaien schuldig ist, überlegt er es sich anders. Man droht ihm nämlich, weitere Finger zu brechen, wenn er das Geld nicht bald bringt.

Doch obwohl Bobby einen Deal mit Grace’s Mann aushandelt, schafft er es nicht, die betörende Frau zu ermorden. Grace drückt zudem mit ihrem grausigen Schicksal auf die Tränendrüse: ihr Mann war früher mit ihrer Mutter verheiratet und trieb diese in den Tod, weil er über Jahre Grace vergewaltigte und schließlich auch nötigte, ihn zu heiraten. Trotzdem und trotz des Geldes, das sie ihm bietet, zögert Bobby, den alten, geilen Mann zu ermorden. Eigentlich ist er ja kein Mörder, obwohl er Grace längst verfallen ist. Er versucht sich ein Busticket zu besorgen, das ihm die Dame am Schalter schließlich sogar überlässt, obwohl er zu wenig Geld hat.

Während er auf den Bus wartet, muss Bobby aber erneut Prügel einstecken: der Verehrer eines jungen Mädchens, das ihm immer wieder nachläuft, schlägt ihn windelweich und nimmt ihm das Ticket wieder ab. Da aber Bobby auch kein Geld hat, den Mann von der Werkstatt zu bezahlen, kehrt er doch wieder zu Grace zurück. Er braucht das Geld und mit Grace’s Hilfe ermordet er ihren Mann im gemeinsamen Bett. Schließlich finden die beiden auch das Geld des Alten, worauf die furchtbare Tat in einem grausigen Spektakel mit tiefer Symbolwirkung ihren Höhepunkt findet: Bobby und Grace schlafen neben deren toten Mann miteinander, der blutverschmierte Leichnam scheint die zwei dabei zu beobachten.

Endlich kann Bobby den Mann von der Werkstatt bezahlen, die Leiche wird im Auto versteckt und er macht sich mit seiner Geliebten auf den Weg. Sein Leben soll nun ganz anders werden, aber der  Sheriff ist den beiden schnell  auf den Fersen.  Als er das Paar stellt, muss Bobby erfahren, mit welchen Lügen Grace erreicht hat, dass er ihren Mann getötet hat: Nicht nur, dass Grace’s Mann in Wirklichkeit ihr leiblicher Vater war, hat sie es auch immer gern mit ihm getrieben. Diese Offenbarungen überlebt der  Gesetzesmann, der im Grunde auch nur hinter dem Geld her ist, jedoch nicht: das Pärchen lässt auch die zweite Leiche im Auto verschwinden. Die Fahrt geht weiter, auch wenn die Eintracht des Mörderpaares gestört ist.

In einer Schlucht lassen die beiden schließlich die Toten verschwinden, und Grace stürzt dann auch Bobby in die Tiefe, der schwer angeschlagen überlebt. Er fleht um ihre Hilfe, aber Grace täuscht nur vor, ihn zu retten: sie will die Autoschlüssel und dann verschwinden. Doch Bobby hat das Luder endlich durchschaut, während sie ihm noch ins Bein schießt, erwürgt er Grace und kämpft sich wieder hoch. Im Auto dreht er den Zündschlüssel, aber wieder – welch ein Pech – kommt Bobby nicht weiter. Der Mann von der Werkstatt hat ihn angeschmiert und das defekte Teil nur notdürftig geflickt. Weit und breit kein Mensch hier ihm zu helfen – auch Bobby wird hier sterben, die Geier warten schon…

Oliver Stone konnte mit „U-Turn“ durch die Mithilfe exzellenter Schauspieler einen Film realisieren, der ein bemerkenswerter Thriller ist und noch weit mehr. Ein zutiefst zynischer Streifen, mit Witz, aber auch viel Blut – nichts für schwache Nerven sondern eher für Liebhaber makabren Humors! Sean Penns Bobby ist der geborene Looser, tragikkomisch schlittert er von einem Unglück ins andere, meistens gerade dann, wenn er glaubte es geschafft zu haben. Seine Triebfeder ist nicht nur Grace, sondern auch das Geld, das für ihn für Freiheit, für Glück und für die Beseitigung aller Hindernisse steht. Sean Penn verleiht seinem tragischen Anti-Helden fast auch liebenswert Züge – nicht erst seit „Dead Man Walking“ gehört er für mich in die erste Garde Amerikas Schauspieler.

Nick Nolte spielt den alten, halb verrückten Mann mit viel Routine und man versteht, warum er sich von seiner atemberaubenden jungen Frau gleichermaßen angezogen wie abgestoßen fühlt. Jennifer Lopez, die Frau um die sich alles dreht in diesem Film, ist die Fleisch gewordene Begierde, sie muss im Grunde nicht mehr als sie selbst sein um zu überzeugen: eine berückende Frau, eine „femme fatale“, die ihren Körper gezielt einsetzt, um in den Männern glaubhaft alle bösen Emotionen und Triebe wach zu rufen, die sie, ein berechnendes Luder, an ihr Ziel bringen.

Ein beeindruckender Film, ein „bitterböser“ Film, der viel zum Nachdenken anregt und bei aller „Blutigkeit“ exzellent gemacht und gespielt worden ist.

Vivienne

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