DIE BUNTE WELT VON VIVIENNE
von Vivienne – Februar 2003
Man fährt wieder Bahn… (?)
Freitagnachmittag. Nach der Arbeit habe ich noch ein paar Einkäufe erledigt wir haben ja Winterschlussverkauf – und mache mich eher gemächlich auf den Weg zum Bahnhof. Der neue Fahrplan ist erst vor kurzer Zeit in Kraft getreten und ich habe die Fahrzeiten der Züge noch nicht im Kopf. Ich betrete die wegen des Umbaus improvisierte Halle am Linzer Bahnhof und suche auf der Anzeigetafel die Abfahrzeit des nächsten Zuges. Zu meiner Überraschung blinken bei einem Zug, der schon vor einigen Minuten hätte abfahren sollen, noch wie verrückt die Lichter. Steht der Zug etwa noch am Bahnhof? Ich überlege kurz: Wäre es nicht besser, doch zum Busbahnhof zu gehen, wo schon bald ein Bus in meine Richtung abfährt? Diese Anzeige ist sicher nur ein Irrtum. Aber da ich noch Zeit bis zur Abfahrt des Busses habe, marschiere ich doch auf den Bahnsteig 21.
Der Zug steht tatsächlich noch da. Und in diesem Moment höre ich eine Ansage aus dem Lautsprecher: Meine Damen und Herren! Der Regionalzug nach Pregarten hat wegen technischer Probleme etwa eine Viertelstunde Verspätung. Nebenbei werde ich informiert, dass der andere Regionalzug, der von Summerau kommt, ebenfalls wegen technischer Probleme, erst mit gewaltiger Verspätung nach Linz kommen wird. Was ist da los? denke ich mir. Da sehe ich eine Bekannte am Bahnsteig stehen. Sie nutzt die technischen Probleme für eine Rauchpause. Weißt du Bescheid? Betty weiß nicht Bescheid. Sie freut sich nur wie ich, dass sie diesen Zug noch erwischt hat und sie sogar noch Zeit für ein Zigaretterl hat.
Ich steige in den Zug. Er ist, wegen der Verspätung, ungewöhnlich voll, aber in einem Abteil finde ich noch Platz. Mein Sitznachbar ist aus Pregarten, wie sich im Gespräch herausstellt. Als ich ihn wegen der Gründe für die Verspätung frage, stellt sich heraus, das auch er kein Ahnung hat, welcher Natur die Probleme sind, die heute anscheinend den Zugverkehr auf der Summerauer Strecke ziemlich behindern. Mir fällt dazu ein, dass bei längeren Zugverspätungen selten ein Schaffner oder sonst ein Ansprechpartner von den ÖBB zur Verfügung stehen um solche Fragen zu beantworten. Der Pregartner gibt mir Recht, da fährt am Nebengleis endlich der verspätete Zug aus Summerau ein. Tatsächlich, nur wenige Minuten darauf verlässt unser Zug den Bahnsteig. Ich bin rundum zufrieden. Normalerweise hätte ich den Zug nie erreicht, also warum ärgern über eine gute Viertelstunde Verspätung? Man soll ja nicht undankbar sein… Mein Sitznachbar blickt nicht ganz so gelassen drein, er sieht oft auf die Uhr.
Nächste Haltestelle Franckstraße. Ein Gegenzug fährt am Nebengleis durch. Aber unser Zug wartet noch immer. Nach etwa fünf endlosen Minuten reißt ein junger blonder Schaffner die Tür zum Waggon auf. Machts eine Rauchpause, Leute! informiert er die Fahrgäste ohne Umschweife. Wir stehen noch mindestens eine Viertelstunde. Wir wissen nicht warum, aber ich habe am Bahnhof Steyregg angerufen, es kommen noch ein paar Gegenzüge aus der Richtung nach. Mein Sitznachbar und etliche andere Leute verlassen fluchtartig den Waggon. Auch ich bin mittlerweile nicht mehr so ruhig. Hätte ich nicht doch mit dem Bus fahren sollen? beginne ich mich zu fragen. Ich fasse das Handy heraus und rufe daheim an: meine Schwester und ihr Freund sind zu Besuch, und ich kann mir denken, dass die mit dem Kaffee auf mich warten. Macht nichts, kommentiert meine Schwester die Situation. Ruf uns an, wenn du am St. Georgener Bahnhof angekommen bist, wir holen dich ab.
Nach einer kleinen Ewigkeit verlässt der Zug die Haltestelle. Während der Wartezeit haben zwei weitere Züge das Nebengleis passiert. Ich bin mit einem anderen Leidensgenossen aus dem Zug ins Gespräch gekommen, der die endlose Verspätung, die mittlerweile auf mehr als 35 Minuten angewachsen ist, auch kaum fassen kann. Schließlich sind wir uns einig, dass sich die Bahn nicht wundern braucht, wenn ihr immer mehr Fahrgäste davon laufen und aufs Auto umsteigen. Die typischen Gespräche von Pendlern halt… Aber während wir uns unterhalten, noch knapp vor dem Bahnhof Steyregg, bleibt unser Zug schon wieder mit einem Ruck stehen. Ein Handy läutet. Der junge Bursch, dem das Handy gehört, erzählt seinem Gesprächspartner, laut und im ganzen Waggon vernehmlich, von den Problemen mit der Bahn… …wo wir sind? Wir stehen kurz vor dem Bahnhof Steyregg, in luftiger Höhe, ca. 20 m oberhalb der B3, keine Ahnung, wann wir wieder fahren…
Es dauert wieder über 5 Minuten bis unser Zug endlich in den Bahnhof einfährt. Wieder fährt ein Zug am Nebengleis Richtung Linz weiter. Aber auch diesmal vergehen die Minuten ohne dass wir Richtung Pulgarn weiterfahren. Der blonde Schaffner macht wieder seine Runde. Sicher wieder eine Viertelstunde Wartezeit, gehts rauchen, Leute. Es ist genug Zeit. Leider, leider, wir wissen nicht woran es liegt… Das Handy meines Pregartner Sitznachbarn läutet, offenbar ruft seine Frau an. … ich kann nichts machen, sagt er beschwichtigend. Die wissen nicht, was los ist… ja, ich hab auf meinen Dienstplan geschaut und mir gedacht es geht sich sicher leicht aus… aber das kann ich ja nicht wissen… Die Gattin dürfte offenbar eher ungehalten sein über die Verspätung, für die der Mann nichts kann. Ich bin gespannt, wann wir in Pregarten sein werden, wenn er jetzt schon so viel Verspätung hat! meint er kurz darauf in meine Richtung, sein Blick ist etwas verbissen geworden. Ich glaube, ich wäre zu Fuß schon schneller, gebe ich ihm Recht.
Mein Handy läutet. Was, du bist noch immer in Steyregg? Meine Schwester kann es nicht fassen. Da bietet sich mein Schwager an, mich vom Steyregger Bahnhof abzuholen. Wer weiß, wie lange das noch dauert! Natürlich habe ich nichts dagegen. Ich ziehe meine Jacke an und verlasse den Zug. Mein Sitznachbar sieht mir resignierend nach. Beim Ausgang ist der junge Schaffner ins Gespräch mit einem Fahrgast vertieft. Ich fange beim Aussteigen Gesprächsfetzen über die Schwierigkeiten bei den Einsparungsamßnahmen bei den ÖBB auf, aber das interessiert mich nicht. Mir fällt auf, dass mich einige Leute aus dem Zugfenster beobachten, als ich auf einer Bank vor dem Bahnhof Platz nehme. Ihre Blicke wirken fast neidisch auf mich. Ich sehe auf die Uhr. In etwa zehn Minuten müsste mein Schwager da sein, schätze ich seine Fahrzeit ein. Es ist kalt, und der Zeiger der Bahnhofsuhr kriecht förmlich dahin.
Kurz nachdem ein weiterer Zug Richtung Linz das Nebengleis passiert hat, setzt sich unser Zug wieder in Bewegung. Ich sehe ihm nachdenklich nach. Wie lange wirst du beim nächsten Halt stehen? frage ich mich. Aber keine zwei Minuten später parkt schon mein Schwager das Auto ein paar Schritte von mir entfernt. Ist das eine Freude, mir war schon saukalt geworden. Mein Schwager und ich schließen eine Wette ab, ob wir den Zug in Pulgarn, der nächsten Station, einholen werden. Aber, oh Wunder, die Haltestelle ist leer, als wir vorbeikommen. Die Fahrt im Auto geht zügig dahin, und kurz vor meinem Elternhaus haben wir vom Auto aus einen guten Blick auf den Bahnhof St. Georgen an der Gusen. Dort grüßen uns die Rücklichter des Zuges, der gerade den Bahnhof verlässt. Einmal mehr werfe ich einen Blick auf die Uhr. Der Zug hat es genau auf eine Stunde Verspätung gebracht. Das war wieder eine maßgeschneiderte Werbung für die Bahn! Respekt!
Vivienne
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