Wie geht man mit der Vergangenheit um?
Abschließen.
Das wird fast jeder sagen.
Einen Schlussstrich ziehen.
Verarbeiten.
Aber was, wenn das nicht geht?
Wenn einem jeder sagt:
Vergiss es endlich!
Das ist doch kindisch?
Einfach gesprochen.
Jemandem zusätzlich Schuldgefühle aufladen.
Der offenbar mit einem schweren Unrecht zu kämpfen hat.
Einem Mann, vielleicht, der ein Doppelleben führte.
Einer Frau, die ein Kuckucksei legte.
Schlimme Dinge.
So etwas verarbeitet man nicht per Fingerschnippen:
Heute hör ich auch darüber zu grübeln!
Der Schmerz bleibt.
Manche Narbe tut vielleicht ein Leben lang weh.
Vergiss es!
So einfach gesagt.
Vor allem wenn der Mensch kein Einsehen zeigt.
Der einem das Unrecht zufügte.
Sich feige versteckt.
Oder nicht an Entschuldigung denkt.
Natürlich relativieren sich die Dinge.
Aber das Unrecht bleibt.
Und ich versteh gut, dass so mancher nicht darüber hinwegsehen kann.
Und will.
Das wäre zu einfach.
Da benimmt sich jemand schlicht charakterlos.
Vielleicht sogar infam.
Und muss sich nicht entschuldigen.
Muss nicht dazulernen.
Die Gesellschaft ächtet die Nachtragenden.
Und nicht die eigentlichen Übeltäter.
Traurig, aber ein Faktum.
Ganz klar.
Ein Leben lang am Unrecht kauen.
Darüber verzweifeln.
Damit macht man sich nur fertig.
Aber nach einer gewissen Zeit Ressentiments ablegen.
„Weil ich muss“?
Das kann es auch nicht sein.
Ich spreche nicht von Blutrache.
Aber Ausgrenzung ist eine vernünftige Konsequenz.
Vor allem wenn der, dem man so gram ist, sich nicht ändert.
Sich entschuldigt.
Oder allgemein den Eindruck macht:
Der wird nicht dazulernen.
Der linkt mich wieder.
Bei der nächsten Gelegenheit.
Manche Gegebenheiten verletzen auch eine Schmerzgrenze nachhaltig.
Das war zu viel!
Aus, vorbei.
Ein glatter Schnitt ist dann einzig sinnvoll.
Natürlich ist auch das nicht einfach.
Und mit Schmerzen verbunden.
Aber trotzdem eine Alternative.
Zur oktruierten Friedenpfeife.
Die oft wirklich keine akzeptable Möglichkeit darstellt.
Und zum ewigem Hineinfressen von Kummer und Leid.
Wegen einer zugegeben schlimmen Sache.
Was auch die Gesellschaft sagt.
Das Recht auf Ausgrenzung sollte jeder haben.
Und sich mit gutem Gewissen nehmen.
Es gibt in unserer Gesellschaft so viele fragwürdige Moralvorschriften.
Und merkwürdige Gesetze.
Die man mit Recht in Frage stellen darf.
Wie lange galt es als verpönt sexuellen Missbrauch anzuprangern?
Weil man nicht darüber redet!
Sie verstehen?
Sagen wir uns los von einer fragwürdigen Moral, die nicht die unsere ist.
Uns muss es gut gehen mit einer Entscheidung.
Nicht den anderen.
Und sie müssen auch nicht verstehen.
Wenn ich ehrlich bin:
So ein Vorgehen ist eine dezente Form der Rache.
Verzeihen, ich weiß…
Es wird so oft gepredigt.
Aber das ist nun mal nicht immer möglich.
Aus Fehlern lernen, heißt auch:
Ich lasse manche Menschen nicht mehr an mich heran!
Und das ist oft sehr hilfreich, eine Sache zu verarbeiten.
Zu einem positiven Ende für sich selber zu kommen.
Gut.
Ich konnte ihm nicht ankommen.
Oder ihr.
Aber der oder die hat keinen Platz mehr in meinem Leben.
Die Sache ist erledigt.
Aber die Konsequenzen bleiben bestehen.
Wenn der Sturm mein Haus zerstört.
Baue ich es beim nächsten Mal massiver.
Da kommt niemand mehr rein, der nicht soll…
Gewidmet drei Menschen 2001/2002
© Vivienne