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10.07.2005, © Vivienne
Quasi ein Freibrief
Dieser Tage ging der Prozess gegen einen jungen Studenten in die Schlussphase, der im letzten Jahr einige üble Computerviren entwickelt hatte, darunter auch den gefürchteten Sasser-Virus. Sie erinnern sich sicher noch und waren wie viele andere wahrscheinlich auch selber betroffen. Der fraglos begabte Bursche, Sven mit Namen, fasste letztlich am Schlusstag der Verhandlung ein sehr mildes Urteil aus. Eine bedingte Jugendstrafe wurde lediglich gegen ihn ausgesprochen. Gerade zu lachhaft, wenn man bedenkt, welchen Schaden in Milliardenhöhe Sven weltweit angerichtet hat. Ich kann über eine derartige Bestrafung nur den Kopf schütteln und so manchem Betroffenen werden vielleicht sogar vor Zorn die Adern schwellen, wenn sie an all die Ungelegenheiten denken, die sie wegen des jungen Mannes durchzustehen hatten.
An anderer Stelle habe ich mich schon einmal näher und detaillierter mit der Motivation solcher Täter auseinandergesetzt. Nicht wenige behaupten ja unverfroren, damit nur das Monopol von Bill Gates brechen zu wollen, der mit seiner mangelhaften Software man denke speziell an Windows 2000 derartigen Zugriffen selber Tür und Tor öffnen würde. Eine Argumentation zum Haare raufen. Die Schreiber von Virenprogrammen sind für mich nichts anders als Terroristen des World Wide Web und genau unter dieser Betrachtungsweise gehören sie auch bestraft. Ja, wo sind wir denn eigentlich? Ein paar vielleicht fraglos hochbegabte wie verrückte Programmierer überschwemmen unter dem Denkmantel des Kampfes gegen Bill Gates und sein Windows das Web mit hochgefährlichen Viren und heischen dann noch händeringend und Schulter klopfend um Verständnis bzw. sprechen de facto von einer fast guten Tat, es geht ihnen ja nicht um sich sondern nur eh schon wissen.
Ich habe noch nie mit meiner Meinung zu einer solchen Geisteshaltung hinter den Berg gehalten. Virenprogrammierer sind nichts anderes als gestört oder bösartig, meistens sogar beides. So wie oft genug Terroristen in aller Welt unter dem Deckmantel der edlen Motive in hinterhältigen Anschlägen unschuldige Menschen töten oder schwer verletzen, täuschen auch Virenprogrammierer vermehrt eine im Grunde noble und ehrbare Motivation vor. Dabei geht es ihnen doch offensichtlich in kranker Freude vorrangig darum zu zerstören und möglichst viel Schaden anzurichten. Ein Urteil wie das heutige gegen diesen Sasser-Sven verkommt deshalb zu einer Farce. Statt ihn mit einer lachhaft niedrigen Bewährungsstrafe davonkommen zu lassen, müsste man ihn normalerweise für Jahre hinter Gittern bringen und unbedingt von Computern fernhalten. Außerdem sollte man in einem eigenen Zivilverfahren den kecken Burschen für seinen Vernichtungsfeldzug finanziell ordentlich bluten lassen, zumindest teilweise.
Ich weiß, dass es unsere Gesetze, bzw. mit jenen in Deutschland sieht es im Grunde nicht viel anders aus, solchen Leuten sehr leicht machen. Vor allen Dingen muss erst einmal der Zerstörungswille nachgewiesen werden. Wobei das beim Schaffen eines Computervirus im Grunde logischerweise gar nicht mehr nötig sein dürfte. Ganz im Gegenteil: einen Computervirus oder einen Trojaner zu programmieren heißt doch heutzutage gar nichts anderes mehr als möglichst vielen Menschen Schaden zufügen zu wollen. Aber viele Richter sind blauäugig oder agieren auch nur deshalb zahnlos, weil ihnen der passende rechtliche Rahmen fehlt. Was dieser Tage in Deutschland durch dieses Gerichtsurteil angerichtet worden ist, lässt sich fast nicht mehr gut machen.
Das lachhafte Urteil gegen Sasser-Sven ist nichts anders als ein Freibrief für alle mehr oder weniger kranken Charaktere, die sich mit einem bösartigen Computervirus ein Denkmal oder in Szene setzen wollen. Bisweilen auch durchaus für eine aussagekräftige Visitenkarte für eine Bewerbung bei einem EDV-Konzern. Verkehrte Welt! bleibt als einziges Fazit. Ein kranker oder mieser Charakter wird auch noch belohnt für eine abnorme Tat. Vielleicht aber in gewisser Weise auch ein Synonym für eine Gesellschaft, in der man nur mehr auf solche Art und Weise die nötige Aufmerksamkeit erwerben kann, gerade in der EDV-Branche. Dass die Mediengesetzgebung allerorts derart ergänzt und erweitert wird, dass man dem kranken Tun jener selbst ernannten Computergenies mit harten Bandagen bis hin zur finanziellen Haftung für den angerichteten Schaden entgegentritt, ist wohl in absehbarer Zeit noch nicht zu erwarten. Und bis dahin heißt es weiter Freie Fahrt für die Zerstörungswut
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