Das kapitalistische System – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Vor wenigen Tagen bekam ich im „Cafe Steiner“ die Gelegenheit eine kontroverse Diskussion unter den anwesenden Gästen mitzuverfolgen. Eine Berichterstattung in der Zeitung zu den Finanzgeschäften um den ehemaligen Finanzminister Karl Heinz Grasser sollte dabei letztlich den Anstoß geben, dass Jürgen anfing über seine Sich der Dinge zu Wertpapierveranlagung und Spekulationsgeschäfte izu sinnieren. „In Wahrheit hätte man diese ganzen Börsengeschäfte schon längst verbieten sollen.“, holte Jürgen offenbar bewusst weit aus.

Aber er wollte es auch nicht verabsäumen seine Sichtweise zu untermauern. Sein Vater, der nun kurz vor dem wohlverdienten Ruhestand steht, hätte die letzten 20 Jahre in eine private Pensionsvorsorge eingezahlt um sich damit eine kleine Zusatzpension zu ermöglichen. Die österreichische Versicherungsgesellschaft, bei der er Anfang der 90er Jahre den Vertrag abgeschlossen hatte versprach eine überdurchschnittliche Rendite, die durch ein teilweises Investment in Aktienfonds ermöglicht werden sollte. Die Wirtschaftskrise hat diese Pläne ordentlich konterkariert was letztlich dazu führt dass die Zusatzpension von Jürgens Vater deutlich geringer als erwartet ausfallen wird.

„Das tut mir für deinen Vater zwar leid, aber dieses Risiko muss ihm beim Abschluss dieser Versicherung doch bewußt gewesen sein“, warf Kellner Martin ein. „Nein, das war ihm eben nicht bewusst, da der Versicherungsvertreter nie viele Worte über das Risiko verloren hat. Es ist doch in Wahrheit ein Skandal wenn Gesellschaften ihnen anvertrautes Geld verzocken dürfen.“, erwiderte Jürgen. Natürlich trägt der Versicherungsnehmer das volle Risiko bei Veranlagungen in Aktien, sofern ihm die Veranlagungsgesellschaft keine Kapitalgarantie gewährt. Vor der Talfahrt der Börsen wurde zweifellos oft und teilweise auch fahrlässig die Aussicht nach dem schnellen Geld vermarktet.

Die Aussagen von Jürgen stießen auf mein Verständnis, obwohl ich fallweise selbst in der Vergangenheit schon Geld in Aktien investiert hatte. Ob ich mir des Risikos während des Höhenfluges der Aktienmärkte rund um das Jahr 2005 immer bewusst war ist schwer zu sagen, doch war ich mir meiner Selbstverantwortung wohl doch bewusst. Mit Kapitalanlagegesellschaften die das „Blaue vom Himmel“ versprachen hatte ich nicht unmittelbar zutun. Ein Detail das von Jürgen bereits angesprochen wurde erscheint mir aber wesentlich – nämlich das Spekulieren mit fremden Geld. In diesem Zusammenhang sei etwa erwähnt dass erst später bekannt wurde das auch Entscheidungsträger bei den ÖBB oder bei Gemeinden Geld in Aktien investiert und so letztlich Steuergeld verzockt hatten. Zu solchen Geschehnissen ist die Bezeichnung Skandal wohl bestimmt nicht übertrieben.

Die Diskussion im „Steiner“ hatte eine interessante Dynamik erreicht, in der Jürgen allmählich von der eingangs erwähnten Kritik an Versicherungsunternehmen dazu überging das derzeitige kapitalistische System in Frage zu stellen. „Das kannst du aber nicht ernst meinen, Jürgen“, warf Martin ein. „Das Kapital wird letztlich von der Wirtschaft gebraucht, davon leben wir doch alle. Veranlagtes Geld arbeitet schließlich und schafft Arbeitsplätze.“ Davon wollte sich Jürgen aber nicht überzeugen lassen und konterte mit der etwas pointierten Aussage, dass letztlich nur Menschen, aber nie Geld arbeiten würde. So spannend das Gespräch auch verlaufen sein mag so sehr hatte es sich nun von der sachlichen auf die emotionale Ebene verlagert, wo die Standpunkte schon sehr festgefahren waren.

Ich möchte abschließend erwähnen, dass ich mit meiner Geschichte keine wertende Haltung zur Geldanlage in Wertpapieren abgeben wollte. Eine Veranlagung in Aktien ist mit einem entsprechenden Risiko verbunden und das sollte den Betroffenen mehr als bewusst sein. Abzulehnen ist zweifellos wenn man Menschen zu einer solchen Veranlagung verleitet ohne ihnen dies in vollen Umfang bewusst zu machen.

Pedro

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