Der Duft des Sommers – Gastbeitrag

Ich bin ein Sonnenkind …
Ich liebe es, wenn die Sonnenstrahlen meine Haut berühren und mich wärmen.
Es ist ein wunderbares Gefühl, im Morgengrauen mit bloßen Füßen über eine Wiese zu laufen und die Kühle der Grashalme zu spüren. Oder einfach nur den Wolken nachzuschauen …
Ich genieße diese Tage stets sehr intensiv, denn der Sommer erweist sich oft als sehr launisch, und viel zu schnell kündigt sich der Herbst an und die Sonne verliert ihre Kraft.

„Früher waren die Sommermonate wärmer“, sagte meine Mutter oft und erzählte von heißen Sommertagen, von schwülen Nächten und von heftigen Gewittern, die schließlich Abkühlung brachten.
„Das Wetter war nicht so unbeständig und wechselhaft wie heute“, erinnerte sie sich dann.

Wenn ich an den Sommer meiner Kindheit denke, denke ich an unbeschwerte Ferientage, Schwimmen im Kanal und draußen spielen bis zum Dunkelwerden. Immer, wenn der Eisverkäufer mit seinem klapprigen Karren in unsere kleine Straße kam und sich mit seiner Schelle bemerkbar machte, wussten wir – jetzt war er da der Sommer. Mutter erlaubte uns die Kniestrümpfe auszuziehen und barfuß durch die Pfützen zu laufen.
Die Bauern fuhren mit ihren Pferdegespannen auf die nahe gelegenen Felder, und die Jungen aus unserer Nachbarschaft liefen ihnen nach. Und Derjenige, der es schaffte als erster auf den fahrenden Wagen aufzuspringen, war der Held des Tages. Unserer Freiheit waren keine Grenzen gesetzt.
Die Gärten, Wiesen und Wälder rings um unsere kleine Siedlung herum waren für uns Kinder ein einziger großer Spielplatz. Wir wussten genau in welchem Garten es die saftigsten Kirschen und die süßesten Birnen gab. Für uns war kein Baum zu hoch und kein Graben zu tief.
Wenn ich meine Augen schließe, höre ich noch heute die Frösche quaken, die im Morast am Kanalufer heimisch waren. Ich spüre das Kribbeln auf der Haut, wenn sich die Blutegel an meinen Beinen festsaugten, wenn ich barfuß durch den Bach am Rande der Hauptstraße lief.
Ich erinnere mich an den Gesang der Vögel, wenn ich ganz still unter dem alten knorrigen Apfelbaum saß und lauschte. Ich sammelte Marienkäfer in meiner Hand und weinte wenn ich dabei wieder einmal in einen Brennnesselbusch fiel.
Erinnerungen lassen uns in die Vergangenheit reisen und entführen uns in längst vergessene Träume.

Wer kennt sie nicht – die Gerüche unserer Kindheit? Wer weiß noch wie ein Lutscher mit Kirschgeschmack riecht? Oder die kleinen runden Mottenkugeln, die immer bei meiner Oma im Kleiderschrank zwischen der Leibwäsche lagen? Wann haben wir das letzte Mal an einem Stück Kernseife geschnuppert?
Es kommt mir vor, als sei es gestern gewesen, als ich, umhüllt von betörendem Fichtennadelduft in einer riesigen Zinkwanne in der Waschküche von meiner Mutter gebadet wurde. Zur Belohnung gab es dann, weil ich so brav war, gezuckerten Holundersaft.

Den Rosengarten meiner Mutter im Sommer, das frische Heu auf der Wiese, die feuchte Erde nach einem Sommerregen, all das ruft Erinnerungen in mir wach, die ich längst vergessen glaubte. Ich will den Duft des Sommers noch einmal riechen.
Ich vermisse sie unendlich – die Gerüche meiner Kindheit …

Helga Licher, Ulmenhof 2, 49176 Hilter h.licher@gmx.de

Schreibe einen Kommentar