Die Wahrheit – Aus dem Hinterhof der Seele

Sie hatte es dir versichert.
Immer wieder.
Überzeugend.
Vertrauenswürdig…
Die Kleine da.
Sie sauft.
Wie ein Loch.
Kam oft besoffen in die Arbeit.
Ein Trauerspiel.
Das Schlimmste aber.
Die Drogen.
Sie ist überschuldet.
Deswegen.
Und völlig von der Rolle.
Meistens.

Dann dieses Lächeln.
Aber sie kann sich gut verstellen.
Wirklich.
Sie wirkt so harmlos.
So bieder.
Aber sie hat es faustdick.
Hinter den Ohren.
Sie hat mich bestohlen.
Mehrfach!

Du hast ihr geglaubt.
Eine angesehene Frau.
Sie hat eine Firma.
Ihr Mann ist Banker.
Warum?
Hätte sie lügen sollen?
Warum?
Du beißt dir auf die Lippen.
Natürlich.
Gab es Gründe.
Die Kleine.
Sie hatte ihr gedroht.
Der reichen Chefin.
Wegen offener Zahlungen.
Nachdem sie gekündigt hatte.
Und auf dem Arbeitsamt.
Da hatte sie erzählt.
Was in der Firma da gelaufen war.
Und das war übel genug…
Du hast es nachher erfahren.
Als alles vorbei war.
Alles war so logisch.
Eine boshafte Intrige.
Einer Frau.
In angesehener Position.
Mit der man sich nicht anlegte.
Auf keinen Fall!

Du trinkst noch ein Glas Wein.
Die Kleine.
Die du retten wolltest.
Sie trank nie etwas.
Oder kaum.
Und sie nahm auch keine Drogen.
Du erinnerst dich.
Das Attest.
Dass dir die Kleine schickte.
Nach dem sie alles durchschaut hatte.
Ein Blutbild.
Ganz normal.
Kein Hinweis auf Drogen.
Oder Alkohol.
Nicht im Geringsten.
Wenn du dich erinnerst.
Du hast dich verlaufen.
In den bösen Lügen.
Einer rachsüchtigen Frau.
Und du.
Hast alle Grenzen überschritten.
Voller Überzeugung.
Und hast nicht begriffen.
Warum dir die Kleine durch die Lappen ging.
Immer wieder…
Du hättest fast Schwierigkeiten bekommen.
Im Nachhinein.
Die Kleine .
Sie forderte Gerechtigkeit.
Als sie die Wahrheit begriff…

Du weinst.
Selbstmitleid.
Du wolltest ihr helfen.
Sie glücklich machen.
Ihrem Leben einen Sinn geben.
Deine Tochter.
Sie braucht dich schon lange nicht mehr.
Und die Kleine…
Sie schien so schutzbedürftig.
Du wolltest etwas Gutes tun.
Etwas Sinnvolles.
Und nun?
Sie hasst dich.
Die Kleine.
Sie schrieb dir.
Anonyme Briefe.
Du hast jeden aufgehoben.
Beleidigungen.
Verunglimpfungen.
Selbstherrlich und anmaßend.
So nannte sie dich.
Sie wollte dich nicht verstehen.
Die Kleine.
Nicht ein bisschen.
Du schluchzt…

Noch ein Glas Wein.
Du fixierst die Flüssigkeit.
Das dunkle Rot.
Wie Blut.
Leben…
Ein paar Mal noch.
Hast du versucht.
An sie heranzukommen.
An die Kleine.
Über Freunde von ihr.
Es hat nicht funktioniert.
Es war.
Als würde sie riechen.
Dass du dahintersteckst.
Jedes Mal.
Dabei…
Du wolltest nur helfen.
Ein besserer Job.
Eine neue Wohnung.
Eine Liebe…
Du nimmst einen Schluck.
Vom Wein.
Prüfst ihn mit der Zunge.
Es ist.
Als ob dich Gott strafen wollte.
Mit dieser Kleinen.
Und ihrer Geschichte.
Selbstherrlich und anmaßend.
So hat sie dich genannt.
Und du.
Hast deine Karriere riskiert.
Weil du die Lügen geglaubt hast.
Von dieser reichen Frau..
Für sie.
Keine Konsequenzen.
Für dich.
Keine Konsequenzen.
Und die Kleine.
Die verleumdet wurde.
Zu Unrecht…
Sie ist verbittert.
Narben auf der Seele.
Narben, die bleiben.
Aber was hättest du tun sollen?
Den Kopf hinhalten?
Die Wahrheit sagen?
Gott, nein!
Du bist doch nicht verrückt!

Dein Glas ist leer.
Wieder.
Du sitzt da.
Bewegungslos.
Die Sache.
Sie lässt dich nicht los.
Auch nicht nach so vielen Jahren…
Die Wahrheit.
Sie interessiert dich nicht.
Im Grunde.
Möchtest du bewundert werden.
Man soll dir danken.
Man soll aufblicken zu dir.
Man soll dich lieben.
Auch die Kleine.
Sie sollte dich verstehen.
Endlich…
Kann man denn ewig hassen?
Deine Tochter.
Sie meldet sich nie.
Alle paar Monate.
Ein kurzer Anruf.
Besucht.
Hat sie dich lange nicht.
Du weinst wieder.
Hast du nicht ein großes Herz?
Willst du nicht helfen?
Immer wieder?
Gott weiß.
Wie viel du getan hast.
Für Bedürftige.
Aber die Wahrheit ist doch.
Du meinst nur dich selbst.
Dich alleine…

Vivienne

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