Eigendynamik – oder was in meinen Beiträgen oft überlesen wird

Kürzlich erschien in der Bohne mein Beitrag „Die Grenzen eines Menschen“, in dem ich eigene Erfahrungen über so genannte Grenzverletzungen durch andere verarbeitete. Grenzverletzungen jener, die einem viel zu nahe treten, die die Würde und die Eigenständigkeit einer Person permanent angreifen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Überlegungen lagen mir sehr am Herzen, und ich begann diesen „Artikel“, quasi zum Einsteigen, mit einem Erlebnis in der Straßenbahn: ein selbstherrlicher Senior entblödete sich nicht, mir während eines Telefonates auf den Arm zu greifen, weil er mich auf das neue Handyverbot in der Straßenbahn aufmerksam machen wollte… Handyverbot hin und her: mir ging es rein darum darauf hinzuweisen, dass man eine wildfremde Person nicht einfach anfassen darf, schon gar nicht wegen einer derartigen Banalität. Angekommen, so scheint es mir, ist dieses Faktum bei den Lesern nicht. Im Gegenteil, es entstand vielmehr eine nette kleine Diskussion wegen des Handyverbotes in öffentlichen Verkehrsmitteln…

Recht befriedigend war diese Erkenntnis nicht für mich, aber eine anschauliche Erfahrung, welche Eigendynamik ein harmloses Beispiel aus einem Beitrag von mir entwickeln kann. Webmaster Peter, mit dem ich diese kuriose Entwicklung besprach, versuchte mich zu trösten. „Ich glaube auch nicht, dass alle Leser den Sinn deines Beitrages missverstanden haben – es ist eher der Schluss zulässig, dass Kommentare zu „einfacheren“ Teil-Themen abgegeben werden, weil dies für den Leser schlicht einfacher ist, als etwas komplexere Zusammenhänge zu kommentieren.“ – so seine Gedanken dazu. Peter mag durchaus Recht haben, doch wurde mir eines richtig bewusst: worüber ich auch schreiben werde, es kann sich jeder unbeeinflusst seine Überlegungen dazu machen, die vielleicht sogar das Gegenteil belegen oder zu belegen scheinen. Wie beredt und überlegt ich auch immer meine Worte gewählt habe. Kontrollieren kann ich nicht, wie man meine Gedichte, meine Prosa und meine Kommentare interpretiert oder was man zwischen den Zeilen herauslesen möchte…

Manch einer mag daher in mir eine Männerhasserin sehen, der andere wieder eine militante Lesbe und der dritte eine psychisch schwer angeschlagene Frau. Wahr, das kann ich Ihnen versichern, ist keine der drei Optionen. Der überwiegende Teil der Leser mag ohnedies erkannt haben, dass ich einfach eine ungewöhnliche Frau mit großem Einfühlungsvermögen bin, die über die Bandbreite ihrer Gedanken und Träume wirkt: manchen durchaus fasziniert, verwirrt oder auch abstößt, je nach Charakter. Dass ich in allen Lesern nur Bewunderung zu meinen „Werken“ wachrufen könnte, wäre wohl auch nur ein frommer Wunschtraum. Trotzdem wurmt es mich, wenn, wie im letztwöchigen Beitrag, Gedankengänge von mir eine derart unerwünschte Richtung nehmen, dass man sich fast gemüßigt fühlt hinzuweisen: Liebe Leser, schaut euch den Beitrag noch einmal an, das ist nicht das Thema! Bringen wird es nicht viel, ich würde mit einer derartigen Aktion nur noch mehr Missverständnisse ernten. Die Menschen lassen sich nicht vorschreiben, was sie sich aus einem derartigen „Artikel“ herausholen. Und damit muss ich wohl leben lernen…

Selber mag es einem wohl schon ähnlich gegangen sein, dass man Geschichten oder auch Filme ganz anders interpretiert, als der Autor oder der Regisseur als Message in der Handlung verpacken wollte. Ich bin ein vielschichtiger Mensch und sehr analytisch veranlagt, ich gehe den Dingen gern auf den Grund – manchmal schon zu sehr – wie Freunde durchaus augenzwinkernd gemeint haben, weil ich bisweilen an die Harmlosigkeit der meisten Menschen nicht mehr glauben mag. Zu oft haben sie mir schon das Gegenteil bewiesen… Aber zurück zu meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Schreiben: der Beitrag zur Grenzverletzung hat mich dazu veranlasst darüber nachzudenken, was oft sonst noch aus meinen Beiträgen herausgeholt oder quasi fehlinterpretiert wird (aus meiner Sicht), das ich im Grunde nur als Aufhänger benutzt habe um auf die eigentliche Thematik hinzuarbeiten – es wird wohl um einiges Mehr sein, als ich in meinen kühnsten Träumen vorher vermutet habe…

Mein Fazit, ich kann schreiben, was ich will, mit ernster, ehrlicher Intention und großem Engagement – gelten wird nur das, was Sie, liebe Leser, daraus machen, was Sie sich herausholen, wie Sie interpretieren und wie Sie sich beeinflussen lassen. Alles Dinge, die ich nicht steuern oder ändern kann, auch wenn es natürlich in meinem Interesse liegt, grundsätzlich keinen Zweifel an meiner Botschaft aufkommen zu lassen. Ein Gedicht, eine Geschichte, Poesie und alles andere – es gewinnt erst den Wert, den Sie ihm geben und die Bedeutung, die Sie ihm zukommen lassen. Was immer ich auch ausdrücken wollte – Sie vermitteln allem erst den wahren Sinn, jeder für sich, und wohl auch weitgehend unabhängig voneinander…

© Vivienne

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