Eine Flasche Speiseöl… – In eigener Sache

Den Menschen – man durchschaut ihn nicht an seinen großen Taten, an seinen Erfolgen oder gar an seinem Äußeren. Es sind die kleinen Gesten, die den Menschen ausmachen, die Kleinigkeiten – die das passende Licht auf seinen Charakter werfen. Natürlich stolpert auch mancher Elefant durch das Dasein, der alles um sich niedertritt in seiner Selbstsucht und Selbstherrlichkeit. Aber solche Wesen gibt es vergleichsweise wenige. Um beim Durchschnittsmenschen die Streu vom Weizen zu trennen, muss man genauer hinsehen, und manchmal dauert es bis einem die Augen geöffnet werden. Nachdrücklich… Geiz, Gier oder Selbstsucht zeigen sich in Details und im Verborgenen – Bereiche, die von den meisten Menschen gar nicht erst beachtet werden…

Dieser Tage machte ich nach der Arbeit ein paar Besorgungen im nahen Supermarkt. Ich befand mich auf dem Heimweg als ich an einem Parkplatz neben der Straße eine Flasche Speiseöl fand, 1l, irgendeine Eigenmarke. Offenbar hatte sie jemand beim Einräumen der Einkäufe in das Auto vergessen. Ich muss dazu anmerken, dass ich selber nicht unbedingt im Geld schwimme. Der Alltag ist bei mir immer mit Einschränkungen verbunden. Diese Flasche Speiseöl hätte meinen Bedarf für etwa ein Jahr gesichert, aber ich stellte sie wieder auf den Boden und ging weiter. „Dumm!“ höre ich da manche sagen. „Wenn du sie nicht nimmst, nimmt sie jemand anderer.“ Das kann zwar durchaus sein, aber genauso kann auch der Käufer zurückkommen und froh und erleichtert sein, dass das Speiseöl noch da ist. Und ganz ehrlich, ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Flasche eingepackt hätte – weil sie mir nicht gehörte. Dazu stehe ich.

Es gibt natürlich Menschen, die nicht so denken wie ich. Die mich nicht nur für weltfremd halten, weil ich so gehandelt habe, sondern ihrerseits keine Sekunde zögern würden, solche vergessene Artikel einzupacken und selber zu verbrauchen. Da gebe ich mich keiner Illusion hin. Aber ich will nun mal keinen Vorteil auf Kosten anderer, auch wenn das in dieser Welt im Wesentlichen nicht gelebt und auch nicht geschätzt wird. Jeder ist sich selbst der Nächste, und Typen wie ich sind die geborenen Looser: weil sie nicht rücksichtslos sind, nicht egoistisch und nicht selbstsüchtig. Das mag schon richtig sein, aber dafür bin ich – man möge mir verzeihen, wenigstens kein Arschloch. Ich gehe eben meinen Weg, auch wenn es nicht der Weg der Masse und der Angepassten ist. Dass dieser Weg nicht immer leicht ist, ist mir durchaus bewusst. Aber selbst wenn ich wollte, ich könnte nicht anders…

Selbstverständlich bin ich kein Heiliger und auch meinen Versuchungen ausgesetzt. Ganz ehrlich, um in dieser Welt zu bestehen, muss man sich wappnen. Eine Person, die ich lange kannte und die sich als egomane, selbstherrliche Person entpuppte, die mich schädigte und zu schädigen versuchte, hat das am eigenen Leib verspürt. Da ich wenig Möglichkeiten habe, sie direkt für ihr Tun zur Verantwortung zu ziehen, ich aber gleichzeitig sehr regelmäßig ihr anmaßendes Verhalten ertragen muss, revanchiere ich mich anders. In dem einen oder anderen Beitrag in den letzten Jahren hat sie schon ihr Fett abbekommen. Mancher von Ihnen, liebe Leser, wird nun einwerfen. „Ist das nicht kindisch?“ Das weiß ich nicht, doch auf jeden Fall ist es rachsüchtig und nachtragend und das gilt auch nicht als sehr christlich. Aber ich freue mich jedes mal diebisch, wenn ich ihr (schriftlich) Saures gebe… Und sie selbst kämpft auch nicht mit fairen Methoden… Ich bin letztlich nur ein Mensch.

Zurück zu der Flasche Speiseöl. Hand aufs Herz: Hätten Sie die Flasche mitgenommen? Hätten Sie zweimal nach links und nach rechts geblickt und das Speiseöl einfach eingepackt? Oder hätten Sie es wie ich gemacht und wären Sie ohne Flasche weitergegangen? Vielleicht ist das auch eine Sache des Wertes… Wissen Sie, wie der Zufall es wollte, kam ich an jenem Tag einige Meter weiter vorne auf meinem Heimweg wieder an einem Block vorbei und da glitzerte etwas auf dem Gehsteig. Ich hob es hoch und erkannte ein Bettlerarmband, Silber, vielleicht auch Weißgold, mit Perlen und hübschen Anhängern. Einen Moment betrachtet ich es, es  gefiel mir, dann legte ich es an die Gehsteigkante und ging wieder weiter. Und Sie?? – Um es noch einmal zu erläutern, ich wollte wegen dieses verlorenen Schmuckstücks nicht zur Diebin werden. Und das wäre ich, auch wenn ich das gute Stück nicht weggenommen hatte sondern lediglich gefunden und nicht zurückgegeben hätte. So bin ich nun Mal – auch wenn das andere nicht nachvollziehen können.

Jeder Mensch ist anders. Der eine findet nichts dabei andere zu betrügen und auszunutzen. Die andere sammelt „brav“ leere, oftmals verdreckte Bierflaschen auf der Straße, die dort von Sandlern und Ähnlichen weggeworfen wurden, und holt sich den Einsatz für die Flaschen. Und der nächste leiht sich viel Geld von einem guten Freund um es nie mehr zurückzuzahlen… Gottes Zoo ist groß, Gott sei Dank, und jeder muss seinen Weg finden. Ich habe meinen gefunden, er ist uneben und manchen Stein habe ich mir selber aufgeladen. Dazu stehe ich auch, wie dazu, dass ich niemanden bestehlen oder missbrauchen möchte. Und ich bin für die Meinen da, und die suche ich mir, das ganz deutlich, selber aus. Mein Weg ist nicht einfach, und manchmal handle ich mir auch Probleme ein, weil ich meine Grundsätze lebe. Aber es wäre wohl auch zu einfach immer nur mit den Wölfen zu heulen…

Vivienne

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