Geht’s dir gut?

Was für ein Zufall!
Du hier?
Wie viele Jahre ist es her?
Fünf oder sechs?
Ich weiß es nicht.
Aber du siehst gut aus.
Wirklich gut…
Nun.
Ein wenig blass vielleicht.
Und deine Augen.
Sie glänzen.
Fast fiebrig.
Geht’s dir auch gut?
Wirklich?
Du nickst.
Schnell.
Zu schnell.
Kommt mir vor.
Und du beginnst zu reden.
Von deiner Arbeit.
Von dem Stress.
Und dass du öfter schlecht schläfst…
Du bist wohl urlaubsreif…
Meinst du.
Und lächelst.
Etwas aufgesetzt.
Du zuckst mit der Schulter.
Und ich merke plötzlich.
Deine Hände zittern.

Mein Blick fällt dir auf.
Es ist nichts.
Beeilst du dich zu sagen.
Gar nichts.
Es ist einfach viel los…
Du unterbrichst dich.
Deine Stimme bricht…
Deine Frau.
Sie ist schwer krank.
Und man kann ihr nicht helfen.
Nein.
Die Ärzte.
Sie tun ihr Möglichstes.
Aber die Krankheit…
Tränenspuren auf deinem Gesicht.
Du drehst dich weg.
Ich soll es nicht sehen.
Aber ich nehme deine Hand.
Dann beißt du dir auf die Lippen.
Ein Schluchzen.
Ein Aufschrei der Seele…

Wir sitzen in einem Lokal.
In der Nähe.
Etwas schmuddelig.
Und schlechtes Licht.
Zigarettenrauch hängt in der Luft.
Und du trinkst dein Mineralwasser…
Als würdest du verdursten.
Du müsstest heim.
Eigentlich.
Deine Tochter…
Deine Mutter passt auf sie auf.
Die Kleine.
Sie versteht es nicht.
Die Krankheit.
Wie aus heiterem Himmel.
Und nichts wies darauf hin.
Gar nichts.
Vor einem halben Jahr…
Da habt ihr noch geträumt.
Du und deine Frau.
Von einem zweiten Kind.
Eure Kleine.
Die wünschte sich ein Brüderchen…
Du rauchst eine Zigarette.
Und deine Finger zittern noch immer.
Es ist wie ein Albtraum.
Sagst du.
Nur dass er nie aufhört.
Nie mehr.
Vor ein paar Wochen.
Da ist sie umgefallen.
Deine Frau.
Einfach so.
Man hat sie untersucht.
Im Spital.
Das Blutbild.
Es passte nicht.
Und dann die Diagnose.
Ein furchtbarer Schlag…

Wir sitzen hier.
Eine Stunde.
Zwei.
Du redest und redest.
Ich höre dir zu.
Du erzählst mir viel.
Alles.
Was dir einfällt.
Was dich belastet.
Und bisweilen weinst du.
Und deine Stimme erstirbt.
Und du rauchst.
Als würde es dir Kraft geben.
Als würde es dich stärken.
Deine Mutter.
Sie ruft einmal an.
Wo du bleibst.
Du wechselst deine Maske.
Sofort.
Du hast eine Freundin getroffen.
Erzählst du ihr.
Aufgedreht.
Eine alte Freundin!
Es gibt so viel zu reden!
Du kommst bald.
Fröhlich klingst du.
Fast echt.
Aber dein Gesicht.
Es straft deine Rede Lügen.
Du legst auf.
Und deine Mundwinkel.
Sie sinken nach unten.
Der falsche Glanz deiner Augen.
Er erlischt wieder.
Du siehst mich an.
Dann redest du wieder weiter.
Ansatzlos.
Aber ich merke.
Du bist ruhiger geworden.
Und deine Hände.
Sie zittern nicht mehr…

Du musst heim.
Sagst du dann.
Irgendwann.
Dein Kind…
Wir stehen auf.
Zahlen.
Und du siehst mich an.
Drückst meine Hände.
Danke.
Höre ich dich flüstern.
Danke für’s zuhören.
Danke dass du warst.
Du schluckst.
Und dann lächelst du.
Und diesmal ist es echt.
Ein letzter Blick.
Die Hoffnungslosigkeit.
Sie hat dich verlassen…

Vivienne

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