Kettenreaktion – Aus dem Hinterhof der Seele

Ein Blick auf die Uhr.
13.30 Uhr.
Erwin seufzte.
Kaum hörbar.
Dann arbeitete er weiter.
Ein Fax kam herein.
Eine Kollegin holte es.
Warf ihm einen Seitenblick zu.
Leicht ironisch.
Na?
Willst du nicht auf Mittag gehen?
Bist du nicht hungrig?

Erwin wandte sich ab.
Später.
Seine Stimme klang leise.
Die dumme Gans!
Gisela.
Eine Bekannte von Sandra.
Von seiner Ex.
Sie wusste alles.
Und hatte es unter die Leute gebracht.
In der Firma.
Und manchmal.
Da standen sie beisammen.
Sie tuschelten.
Und musterten ihn verstohlen.
Von Zeit zu Zeit.
Mit boshaftem Lächeln…
Gisela!
Er könnte ihr den Schädel ausreißen!
Aber…
Das würde auch nichts ändern.
Nichts mehr.
Sandra.
Seine Ex.
Sie hatte ihn verlassen.
Und das ließ sich nicht kitten…

In der Kantine.
Eine halbe Stunde später.
Erwin bestellte das vegetarische Menü.
Und ein Glas Mineralwasser.
Die Nachspeise.
Die ließ er liegen.
Nach kurzer Überlegung.
Er musste ja nicht fett werden.
Weil Sandra weg war…
Er kaute.
Ohne Appetit.
Dachte nach…
Wie lange war es her?
Ein gutes Jahr.
Vor Weihnachten noch.
Da hatte er sie getroffen.
Marie.
Blonde Mähne.
Lange Beine.
Bei einem Geschäftsessen.
Sie hatten den Abend miteinander verbracht.
Und danach.
Hatte er sie gevögelt.
Zwanglos.
Unverbindlich.
In seinem Auto.
Alle Achtung.
Sie hatte gehalten.
Was sie versprochen hatte.
Und vor allem.
War sie so aufgeschlossen gewesen.
Nicht zickig.
Wie Sandra.
Migräne.
Müdigkeit.
Oder einfach keine Lust.
Ganz anders Marie…
Prickelnd war der Fick gewesen.
Wie ein Glas Champagner…
Er hatte Marie geküsst.
Zum Abschied.
Dann zog er den Hosenschlitz zu…

Erwin holte sich einen Mokka.
Setzte sich an den Tisch.
Dieser Fick mit Marie.
Er hatte sein Leben verändert.
Sandra.
Attraktiv.
Und wenn sie einmal in Fahrt war.
Wirklich toll im Bett.
Aber das war sie selten…
Erwin gähnte.
Affären.
Er hatte sie immer wieder gehabt.
Ohne dass Sandra etwas ahnte.
Ihre sexuellen Bedürfnisse.
Die reichten ihm nicht aus…
Er zündete sich eine Zigarette an.
Verlassen.
Hätte er Sandra nie.
Auf keinen Fall.
Ihr Vater.
Ein wichtiger Geschäftspartner seines Chefs.
Auf die Vorteile.
Hätte er nie verzichtet.
Und auch nicht auf das Geld.
Damals.
Fuhr er einen Alfa Romeo.
Und die Urlaube.
Quebec.
Mauritius.
Hawai…
Erwin dämpfte die Zigarette aus.
Und ging zurück ins Büro…

Marie.
Sie passte ihn ab.
Eines Tages.
Nach der Arbeit.
Ich bin schwanger.
Du bist der Vater!

Er.
Erwin.
Er war aus allen Wolken gefallen.
Das Luder hatte nicht verhütet!
Solche Frauen…
Die waren ihm die „Liebsten“!
Er war in Panik geraten.
Abtreiben!
Er wollte ihr Geld geben.
Aber sie winkte ab.
Ich will das Kind!
Unbedingt.

Er war wütend geworden.
Verschwinde.
Ich zahle nicht für dein Kind.
Bis ich alt und grau werde.

Du willst mich ausnehmen…
Er hatte sie gepackt.
An den Schultern.
Beweis mir doch.
Dass du schwanger bist!
Beweis mir doch.
Dass es von mir ist!
Beweis es mir!

Erwin.
Er telefonierte mit einem Kunden.
Blablabala.
Seine Gedanken schweiften ab.
Eigentlich.
Schien die Sache ausgestanden.
Er hatte nicht mehr daran gedacht.
Bis sich Maries Anwalt meldete.
Vaterschaftstest.
Vorladung.
Und Sandra.
Sie erfuhr alles.
Keine Möglichkeit zu erklären…
Sandra.
Sie warf ihn aus der Wohnung.
Und seither.
Hatte er sie nicht gesehen.
Oder gesprochen.
Ein Freund.
Ließ ihn bei sich wohnen.
Bis er selbst etwas hatte.
Ein paar Nummern kleiner.
Als Sandras Penthouse.
Und sie tröstete sich.
Mittlerweile.
Mit einem anderen.
Sein Chef.
Er verlor kein Wort über die Sache.
Aber…
Er, Erwin, hatte es gemerkt.
Der Kronprinz war er nicht mehr…

Er legte auf.
Las sich die Notizen durch.
Die er sich gemacht hatte…
Pech gehabt.
Einfach Pech.
Niemand.
Hatte das ahnen können.
Nach der kurzen Affäre.
Aber wirklich schlimm.
War nur eines.
Erwin blickte auf die Uhr.
Fast 16:30 Uhr.
Maries Kind.
Er war nicht der Vater.
Marie.
Sie war sich sicher gewesen.
Anscheinend.
Sie hatte hoch gepokert.
Und verloren.
Aber sie hatte auch sein Leben zerstört.
Sein bequemes, luxuriöses Leben…

Vivienne

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