Landleben? Nein, danke!

Über zwei Jahre wohne ich nun in der Stadt. Im gereiften Alter von fast 42 Jahren krempelte ich mein Leben noch einmal um, ein Alter, in dem mancher von der Midlife Crisis gebeutelt wird. Oder schon mit einem Auge auf das Altenteil schielt… Nun, das Altenteil ist wohl noch nicht meine Sache, aber die Midlife Crisis hat mich schon heftig im Griff, das gebe ich zu. Aber ich glaube an die Bestimmung und an den richtigen Zeitpunkt, und der war in meinem Leben im Mai 2007: damals bekam ich meine Wohnung und allen folgenden Krisen und Schwierigkeiten zum Trotz, lebe ich noch immer hier. Und das, allen Zweiflern ins Stammbuch geschrieben, sehr gerne. Ich bin hier in jenem Stadtteil von Linz daheim, das erste Mal in meinem Leben wirklich daheim… Und es ist schön, das sagen zu können!

Wer mir vor zwanzig Jahren gesagt hätte, ich würde einmal in der Stadt glücklich werden, den hätte ich wohl etwas ungläubig angesehen. Eigentlich hätte ich einmal das Haus meiner Eltern übernehmen sollen und ich genoss durchaus das Leben in Hotel Mama. Mein eher inkonstantes, chaotisches Liebesleben brachte es mit sich, dass ich woanders auch nicht wirklich Fuß fasste – vielleicht auch unbewusst nicht fassen wollte. Ich war ein Einzelgänger seit ich denken kann. Auf dem Heimweg von der Schule pflückte ich oft stundenlang Blumen und ich träumte Geschichten, die ich mir ausdachte. Vielleicht stehe ich zu leichtfüßig in dieser Welt und fühle mich viel mehr den Ebenen meiner Geschichten verhaftet als der Realität, aber wenn es so ist, dann hat es seinen besonderen Sinn. Kinderlosigkeit war mir schon sehr früh ins Lebensbuch gedruckt worden, was ich vor allem in der Jugend zu verdrängen versuchte, was aber in so mancher Neurose dann doch wieder ein Ventil suchte und fand.

Mit zunehmendem Alter fand ich das Leben auf dem Land immer bedrückender. Die Abhängigkeit von Mitfahrgelegenheiten und das Pendeln in die Arbeit ödeten mich immer mehr an. In diese Zeit fallen auch ein paar kuriose Kuppelversuche: manche scheinbar gute Freundin hätte mich gerne auf einem Bauernhof als Bäuerin und Stammmutter eines neuen Erben gesehen, aber ich begriff schnell, dass das nicht der Weg war, aus der Einsamkeit zu entfliehen. In gewisser Weise bin ich nämlich ein sehr bequemer Mensch, der sich nicht gerne die Hände schmutzig macht und außerdem ausgesprochen gern lange schläft – vor allem am Wochenende. Selbst wenn mir die Mutterschaft doch in die Wiege gelegt worden wäre, so ein Leben als Bäuerin wäre nichts für mich gewesen. Und einer gewissen Einsamkeit lernte ich zu entfliehen – dann nach diesen Episoden wurde ich auf die Bohne aufmerksam. Seither glaube ich nicht mehr an Zufälle, es hat alles seinen Sinn und es musste wohl genauso kommen, dass ich mein Talent zu schreiben auszuleben begann…

Mein Domizil in Linz hat eigentlich mich gefunden und nicht umgekehrt. Ich hatte mir zuvor zig Wohnungen angesehen, aber in dieser hier, in der noch fleißig gewerkt wurde, traf mich der Funken. Überzeugt haben mich wohl vor allem die vielen Bäume vor dem Fenster und das riesengroße Bad. Ein Bund wurde geschlossen, vielleicht nicht für das Leben (man weiß nie, welche andere Stadtwohnung auf einen wartet), aber zumindest für eine schöne, gemeinsame Zeit. Wie ich schon anklingen ließ, waren vor allem die ersten Monate, in denen ich die Räume einrichtete, nicht einfach. Massive Veränderungen im Job führten immer wieder zu finanziellen Engpässen. Nicht wenige meinten, ich wäre nicht in der Lage das durchzustehen und ich sollte mich doch in eine Beziehung werfen, aber mir stand der Sinn nicht danach. Meine Unabhängigkeit wurde mir gerade in dieser Phase der Probleme besonders wichtig, ich lernt mich selber noch besser kennen und mir wurde auch klar, warum in den vergangenen Jahren manche Liebe in meinem Leben gescheitert war: weil ich für ein „normales“ Zusammenleben gar nicht geschaffen bin und wenn überhaupt wohl erst lernen muss, mich in einer derartigen Beziehung wohl zu fühlen. Aber wer weiß ob das jemals der Fall sein wird, wer weiß ob ich jemals „normal“ leben möchte. Denn mich hat immer das Besondere angezogen und gereizt und nicht das Normale…

In dieser kräfteraubenden Phase der weltweiten Krise mache ich mir oft Sorgen um meinen Job. Diese Form der Existenzangst kannte ich lange nicht und es war nicht einfach für mich, damit umzugehen. Zu meiner Familie zurückzukehren habe ich nie ernsthaft ins Auge gefasst und auch wenn mir diese Option im Extremfall durchaus offen stehen würde: ich werde kämpfen um mein freies, unabhängiges Leben in der Stadt und um meine hübsche, kleine Wohnung, in der ich, wie ich schon vorher anklingen ließ, wirklich daheim, glücklich und geborgen bin. Mehr möchte ich gar nicht. Gott sei Dank habe ich genug Unterstützung hinter mir, um denen Paroli bieten zu können, die meine Lebensphilosophie in Frage stellen wollen. Es wird wohl Änderungen geben, geben müssen in meinem Leben, weil manche Bereiche mich einfach zu viel Kraft kosten und mir zusehends mehr Last werden als Freude bieten. Aber kommt Zeit kommt Rat und ich kann auf manches verweisen, für das es sich zu leben und durchzuhalten lohnt… Ich habe meine Unabhängigkeit gefunden hier in der Stadt und die gebe ich nicht auf!

© Vivienne

1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (Keine Bewertungen)

Schreibe einen Kommentar