Lebenskunst?

Es passiert einem „Schreiber“ immer wieder, dass Beiträge falsch und ganz anders interpretiert werden, als er es beabsichtigt hatte. So was kann einen ein Schulterzucken entlocken, aber auch eine alte Wunde aufreißen – und dieses ist mir vor einigen Tagen wieder passiert. Es geht dabei um den Beitrag „Hinter der Fassade“, den ich einer Frau in ihren Lebenslügen gewidmet habe, weil sie mir vor einigen Jahren übel mitgespielt hat. Diese Story habe ich auch auf e-stories veröffentlicht und bekam von einem durchaus sonst wohl gesonnenen Leser einen Kommentar deswegen, der mir wehtat. Sinngemäß beschrieb er das Vorgehen der Frau (ihre Lügen, ihr „Durchschummeln“) als „sympathisch“ und bezeichnete sie noch als „Lebenskünstlerin“ während es mir darum gegangen war, die Fassade einer Person bloß zu stellen, die sich selbstgerecht repräsentierte und doch in ihrem Privatleben völlig gescheitert war – in ihrer ganzen Selbstdarstellung.

Der Grund für meinen Unmut war und ist, dass ich selber ein Opfer dieser Frau geworden war. Falschen Verdächtigungen ausgesetzt (eine ehemalige Chefin hatte mich wegen eines Streites um offene Gelder gezielt verleumdet) hatte sich die selbstherrliche Person angemaßt, sich in einer Weise in mein Leben einzumischen, dass man durchaus Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Maßnahmen für Arbeitslose bekommen könnte. Durch die Unterstellungen der ehemaligen Vorgesetzten und das fast kongeniale Zusammenspiel mit jener Frau in angesehener Position war ich übrigens mehr als eineinhalb Jahre arbeitslos. Das nur zur Erläuterung, die Frau, eine Kursleiterin im Übrigen, wühlte in meinem Privatleben und sah sich als berufen mir wieder auf den „rechten Weg“ zurück zu helfen – ohne dass das je notwendig gewesen wäre. Ich entwand mich allerdings mit viel Glück und natürlich auf aufgrund der Haltlosigkeit aller Anschuldigungen wieder aus den Fängen dieser Person. Ich fand auch wieder eine Arbeit, ohne die Kursleiterin, und ließ aus eigenen Kräften die Langzeitarbeitslosigkeit hinter mir. Wenn man solche „Unterstützung“ genießt, dann braucht man keine Feinde mehr…

Müßig zu erwähnen, dass ich zwar am Arbeitsamt ziemlichen Wirbel machte, als ich die Hintergründe durchschaute, aber die Dame verstand es sich mit Beziehungen und – was sonst? – Lügen ihrer Verantwortung zu entziehen. Müßig auch zu erwähnen, dass besagte Ex-Chefin nie für ihre Verleumdungen bestraft oder wenigstens verwarnt wurde. Nur als Hinweis: Vereitelt ein Arbeitsloser eine Jobannahme, muss er mit rigorosem Strafen bis hin zum Verlust der Leistung rechnen. Vereitelt ein Vorgesetzter durch Lügen eine Jobannahme seines ehemaligen Mitarbeiters, hat das keine Konsequenzen für ihn. Wir kennen die Problematik, aber wir können nichts tun! bekam ich nur fast zynisch zu hören. Ich war verbittert nach dieser Affäre und der fragwürdigen Art und Weise wie sie geahndet wurde, nämlich gar nicht. Die selbstgerechte Person mit ihrem Herzen auf dem linken Fleck habe ich danach nicht mehr gesehen, aber das Geschehene natürlich nicht vergessen. Und darum stehe ich auch zu meinem Standpunkt: sich vor Konsequenzen des eigenen Tuns feig zu drücken hat mit Lebenskunst so gar nichts zu tun…

Ja, manche sind so angesehen, dass sie nur mehr aufwärts fallen können – das sind die Schlimmsten. Sagt der Philosoph Seume. Bewunderung, Sympathie oder Anerkennung kann ich dieser Person auch nach der Distanz der Jahre nicht entgegenbringen, aber ich bin natürlich nicht der Leser, der das alles in meinen Zeilen gefunden haben will sondern nur die betroffene Person… Mir ist schon klar, dass Lügen an sich jetzt nicht den Knackpunkt im Leben eines Menschen darstellen und Fassaden aufzubauen im Grunde fast ein jeder zu einem Teil seines Lebens gemacht hat. Aber keine Verantwortung zu tragen für sein Tun und eigenes Unrecht unter den Teppich kehren, weil ja nichts wichtiger ist als der eigene unangetastete Ruf, das ist mehr als nur verachtungswürdig– aber jeder mag das sehen wie er möchte. Ich musste wie schon erwähnt immer wieder feststellen, dass Bewunderung nicht immer durch etwas reell Bewunderungswürdiges ausgelöst wird. Neulich hatte ich es etwa mit einer Leserin zu tun, die wegen deren selbstsicheren Auftretens etwas „Bewunderungswürdiges“ im Verhalten kalter, manipulativer Menschen zu erkennen glaubte. Ich sage aber, es gibt auch einen anderen Weg. Ich sage auch, Menschen dieser oder jener Art leben im Grunde Menschenverachtung in Reinkultur und sind in ihrer krausen Geisteshaltung nur abzulehnen. Auch wenn unsere Gesellschaft uns oft etwas anderes vorlebt…

Wie auch immer – ich wagte nach all den Vorfällen damals einen Neuanfang und konnte dieser üblen Geschichte entfliehen – mit dem nötigen Glück und meiner Stärke. Dennoch musste ich auch begreifen, dass man mit Idealismus, Vertrauen und Menschlichkeit allein zu scheitern droht. Ich bin weiß Gott kein Engel und sicher kein unantastbarer Mensch, aber andere Menschen zu bescheißen und vor den Konsequenzen meiner Handlungen davonzulaufen ist meine Sache nicht. Man muss versuchen die Waage zu halten im Leben und dabei sich selbst treu zu bleiben. Und einen weiten Bogen um jene Menschen zu ziehen, die die Welt für eine Spielwiese ihrer Ziele und ihr eigenen Bedürfnisse halten… Lebenskunst für mich muss nicht notwendigerweise mit Unfehlbarkeit zu tun haben, aber auf jeden Fall im Wesentlichen mit Anstand, Ehrlichkeit und vor allem Verantwortung. Aber ich gebe zu, das ist nicht modern und mancher wird mich wegen dieser Ansicht für dumm und naiv halten…

An dieser Stelle also kurz einmal ein Diskurs zu einem Beitrag, der einmal persönlichere Hintergründe hatte – zum Nachdenken. Was kann man von einem Menschen halten, der sich eiskalt durch das Leben lügt? Wohl nichts Gutes…

© Vivienne

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