Liebeskrank – Teil 10

Was?
Er weiß noch immer nichts von der Geschichte?
Du musst es ihm aber sagen!
Die Stimme meiner Freundin klingt vorwurfsvoll.
Wir stehen gerade gemeinsam vor einem Schaufenster in der Innenstadt.
Sie schüttelt missbilligend den Kopf.
Sie hat nicht Unrecht.
Stefan hat dasselbe gesagt.
Und dann fällt mir wieder mein damaliger Freund ein.
Er hat mich deswegen verlassen…
Und hätte ich mit dir darüber reden können?
Nein.
Sicher nicht.
Es wäre dir vor allem unangenehm gewesen.
Du wolltest nur die eine Facette von mir.
Das fröhliche Mädchen.
Dass dir gute Laune machte.
Und immer Zeit für dich hatte…

Die Worte meiner Freundin holen mich aus den Gedanken.
Wann sagst du es ihm endlich?
Wie lange willst du noch zuwarten?
Ich schweige verbissen.
Sie weiß nicht, dass ich Frank seit fast einer Woche nicht gesehen habe.
Seine Anrufe nicht abgenommen habe.
Aus Angst.
Aus Furcht ihn zu verlieren.
Wenn ich ihm beichte, was mir damals passiert ist.
Dabei weiß ich nicht einmal genau, was er mir wirklich bedeutet.
Ich merke nur, dass ich mich geborgen bei ihm fühle.
Geborgen wie lange nicht bei jemandem.
Meine Mailbox ist voll mit seinen Bitten ihn zurückzurufen.
Dem Mann liegt wirklich etwas an mir.
Und ich behandle ihn so…
So völlig widersinnig!

Ich muss ich es ihm einmal beichten…

Auf dem Heimweg ihm Bus greife ich schließlich zum Handy.
Mit Herzklopfen.
Wähle Franks Nummer.
Zweimal.
Dreimal.
Er meldet sich nicht.
Beim letzten Mal spreche ich einen Satz auf seinen Anrufbeantworter.
Bitte, ich muss mit dir reden…
Ich seufze, als ich aus dem Bus aussteige.
Das war’s dann wohl.
Ich habe zu lange gewartet.
Viel zu lange.
Im Lift wird mir schwindlig.

Meine Hände zittern, als ich die Wohnung aufsperre.
Im Vorraum beginne ich dann zu weinen.
Im Grunde weiß ich nicht warum.
Ich kann mich trotzdem kaum beruhigen.
Ein Satz hämmert durch meine Gedanken.
Ich mache alles falsch.
Immer wieder.
Mit traumwandlerischer Sicherheit.
Wenn ich vor zwei Möglichkeiten stehe, wähle ich immer die falsche.
Oder ich warte so lange, bis es zu spät ist, eine Wahl zu treffen.
Keine Ahnung, ob das mit Frank etwas geworden wäre.
Aber jetzt werde ich es nie wissen…

Eine Stunde später sind meine Tränen versiegt.
In meinem Bauch heult eine weitere Wunde.
Schmerz und Resignation.
Mechanisch schalte ich das Fernsehrgerät ein.
Im Bad wasche ich mein verheultes, rotes Gesicht.
Schnäuze ein letztes Mal ins Taschentuch.
Und fixiere die Nachrichten.
Ich versuche mich zu konzentrieren.
Wortfetzen jagen an meinem Ohr vorbei.
Es ist schwer sich abzulenken.
Von den Selbstvorwürfen.
Irgendwann läutet es an der Tür.
Ich sehe auf die Uhr.
Um die Zeit?
Wohl ein Nachbar, der irgendetwas braucht.
Das kommt öfter vor.
Bedächtig gehe ich zur Tür und öffne sie.

Frank steht vor der Tür.
Ich bin völlig starr vor Überraschung.
Bringe kein Wort über die Lippen.
Frank sieht mich total schuldbewusst an.
Es tut mir so leid.
Der Akku meines Handys war leer.
Ausgerechnet heute.
Ich hab vorhin erst bemerkt, dass du angerufen hast.
Sag, wie geht’s dir?
Sein Blick wirkt jetzt besorgt.
Mir wird bewusst, wie ich aussehen muss.
Völlig fertig.
Und sagen kann ich noch immer nichts.
Nicht ein Wort.
Irgendwann fall ich Frank dann einfach wortlos um den Hals.
Fange wieder zu weinen an.
Aber diesmal aus Erleichterung.
Und ich habe ihn so vermisst.
So sehr.
Erst in diesem Moment wird mir das klar.
Als ich Frank wieder höre, wie er begütigend auf mich einredet.
Ohne ein Wort zu begreifen von dem was er sagt.
Spüre, wie er mich sanft streichelt.
Und ich mich wieder beruhige.
Ist das Liebe?
Oder nur Verzweiflung?
Wir stehen beide einfach da.
Hier am Eingang zu meiner Wohnung im vierten Stock..
Die Tür sperrangelweit offen.
Und umarmen uns wortlos.
Eine groteske Situation.

Aber das ist mir egal…

© Vivienne

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