Ich stehe gebückt vor einem Regal in meiner Wohnung.
Was nehme ich mit?
Was brauche ich noch?
In dieser Ecke ein paar Fotographien.
Von der Familie.
Von Freunden.
Teilweise sehr verstaubt
Meine Wohnung sieht jetzt seltsam leer aus.
Mein Magen krampft sich bei dem Anblick zusammen.
Ich habe hier fast vier Jahre gelebt.
Vier Jahre.
Seit mich damals mein Freund verlassen hat.
Damals.
„Danach…“
Ich habe mich nie wirklich dort daheim gefühlt.
So allein.
Mit mir selbst und meinen Gedanken.
Ich habe ein wenig Angst.
Angst vor dem Zusammenleben.
Angst, die Nähe manchmal nicht auszuhalten.
Die Nähe zu Frank.
Obwohl er mir so viel bedeutet.
Ich bin es nicht gewohnt…
Jemand ist an der Tür.
Etwas erstaunt blicke ich auf die Uhr.
Frank wollte mich erst in einer halben Stunde holen.
Hätte er nicht angerufen?
Dein Anblick vor der Tür macht allen Überlegungen ein Ende?
Gabriel?
Du?
Mechanisch bitte ich dich herein.
Dein Blick erstarrt.
Du …ziehst aus?
Deine Stimme zittert leicht.
Frank und ich leben schon zusammen.
Ich verschränke die Arme vor der Brust.
Du setzt dich auf einen Stuhl, der einsam im Wohnzimmer steht.
Sagst kein Wort.
Eine Weile beobachte ich dich.
Was willst du eigentlich?
Etwas aggressiv breche ich das Schweigen.
Möchtest du mir vielleicht erklären, was deine Anrufe bei Frank bedeuten sollten?
Für Small Talk habe ich eigentlich keine Zeit.
Frank holt mich dann.
Ich deute auf die Schachtel im Vorraum.
Nippes und Fotos liegen darin.
Und noch mehr.
Alles etwas durcheinander.
Gabriel steht wieder auf.
Ich weiß, dass es lächerlich war.
Ich wollte nur seine Stimme hören.
Die Stimme des Mannes, der dich mir weggenommen hat.
Unwillkürlich muss ich grinsen.
Ist das alles nicht lächerlich?
Hattest du nicht deine Chance?
Zwei Jahre?
Ich muss an Franks Worte neulich denken.
Wenn man sich von so einem Menschen zurückzieht, wird man plötzlich interessant…
Du, ich habe keine Zeit mit dir zu schwatzen.
Man sieht sich.
Ich wende mich halb ab.
Dann spüre ich deine Hand auf meiner Schulter.
Langsam gleitet sie herunter auf meine Brust.
Du atmest langsam.
Ich bin einen Moment überrascht.
Dann ziehe ich deine Hand zur Seite.
Bestimmt.
Frank kommt gleich.
Geh jetzt.
Lass mich einfach in Ruhe!
Die letzten Worte kommen heftig.
Vielleicht heftiger als nötig.
Vielleicht weil ich einmal davon träumte, dass du mich so berührst.
Und noch viel inniger.
Vielleicht weil diese Erinnerung wach wurde.
Und mir meine Gefühle für dich wieder kurz in Erinnerung rief.
Vielleicht aber auch nur, weil ich nicht gern so mit dir gesehen werden würde.
Von Frank.
Du siehst mich kopfschüttelnd an.
Eine Minute später fällt die Tür hinter dir ins Schloss.
Ich werde dich lange nicht sehen.
Das wird mir bewusst.
Frank reagiert etwas ungehalten auf diese Geschichte.
Ich beruhige ihn.
Ich habe ihm seine Grenzen gezeigt.
Es ist genau wie du sagtest.
Plötzlich würde Gabriel alles tun.
Und wenn ich dich verlassen würde seinetwegen, wäre bald wieder alles beim Alten.
Ich streichle Frank an der Wange.
Er hat jetzt verstanden.
Denk nicht an ihn.
Gemeinsam packen wir die beiden Kartons.
Ich sperre meine Wohnung zu.
Oft werde ich nicht mehr kommen.
Wieder dieses seltsame Gefühl.
Wieder ein Hauch von Abschied.
Obwohl ich hier nie gern war.
Wir fahren mit dem Lift hinunter.
Verstauen die Schachteln in deinem Auto.
Ich spüre eine leichte Spannung zwischen mir und Frank.
Eine Disharmonie.
Gabriel?
Vielleicht hätte ich Frank nicht von deinem Kurzbesuch erzählen sollen.
Aber wäre das nicht auch zwischen uns gestanden?
Unser Schweigen macht mich unsicher.
© Vivienne