von Vivienne – Mai 2004
Männer – eine seltsame Spezies, Teil 2
Was hab ich früher Klassentreffen gehasst! Aber als es mich vor ein paar Jahren halb wider Willen auf ein Treffen meiner Maturaklasse verschlug, änderte ich meine Meinung darüber. Fast unwillig. Und seither bin ich auch mit einigen Leuten aus der Zeit wieder in Kontakt, die ich alle nach der Zusammenkunft ein Jahr nach der Matura im Grunde nicht mehr sehen wollte: Erich, Marlies, Hermann, Georg und Agnes. Ja, auch Agnes, mit der ich mich während meiner Schulzeit selber gar nicht so vertragen hatte. Aber das war längst vorbei. Wir alle entwickeln uns weiter, und manchmal kommt es eben vor, das man sich nicht auseinander- sondern zusammenentwickelt.
Und seither treffe ich Agnes zwei, drei Mal im Monat, für eine Stunde oder zwei in einem Cafè in der Linzer Innenstadt. Sie arbeitet in Leonding als Chefsekretärin, und das diese Gedanken musste ich mir anfangs ehrlich verbeißen obwohl sie dem Image der blondmähnigen berufsmäßigen Fingernägelfeilerin so gar nicht entspricht. Agnes trägt ihre kurzen, karottenroten Haare fast wie ein Statussymbol und außerdem hat auch sie Figurprobleme (wer hat die nicht!), die sich nicht verleugnen lassen. Aber sie steht dazu.
Vor allem, seit sie ihr Mann Ewald nach zwölf gemeinsamen Jahren und immerhin fast sechs Ehejahren verließ. Nicht wegen einer Jüngeren, dass Sie glauben, und schon gar nicht wegen eines Mannes (man weiß ja heute nie ) sondern wegen einer grandiosen Jobchance in Brisbane in Australien. Und Agnes wollte ihren Posten hier nicht aufgeben wohl weil man sich trotz aller früheren Gemeinsamkeiten auseinander gelebt hatte. Agnes hatte das schon länger gewusst und trotzdem am Ende der Beziehung gekiefelt, wie sie mir einmal gestand. Aber da sie im Gegensatz zu mir mit schwerem Kummer besser umgehen kann, nutzte sie ihre Singleleben leidlich aus.
Ein paar oberflächliche Beziehungen, jede Menge Bekanntschaften und viel Zeit im Chat, vor allem abends und am Wochenende verunsicherte sie diverse Chats. Und einmal mitten in der Nacht, du wirst es nicht glauben, klopfte ein gewisser Fox bei mir im ICQ an. Es war gegen vier Uhr morgens, ich war aus der Altstadt heimgekommen und wollte eigentlich nur meine Mails abrufen Agnes lächelte vergnügt und schob ein Stück Topfenstrudel in den Mund. Ich sah ihr neidisch zu, dachte an mein Gewicht und schluckte den Speichel wieder hinunter. Ich war müde, das kannst du dir vorstellen. Somit hatte ich nicht die geringste Lust auf einen langen Plausch. Aber der Typ kam dann so nett rüber, dass ich sage und schreibe fast drei Stunden mit ihm chattete.
Agnes kaute eifrig und führte ihre Kaffeetasse zum Mund. Ein Wirtschaftsinformatiker. So viel Pech mit den Frauen, die ihn alle nur ausnutzen oder als besten Freund sehen. Klang alles unglaublich rührend, ich war neugierig geworden auf diesen Mann, der in Wels arbeitete und den es immer wieder in die Nachtschicht in Linz-Leonding trieb. Deshalb sagte ich sofort zu, als er mich kennen lernen wollte. Ja, ich musste den Burschen sogar bremsen, denn er hätte mich am liebsten schon am nächsten Tag getroffen. Aber das ging nicht, ich musste meinen Chef zu einem Abendessen mit einem wichtigen Kunden begleiten.
Agnes war endlich fertig mit dem Strudel und ich stürzte mich auf meine Zigaretten. Meine Schulkollegin, selber erklärte Nichtraucherin, grinste verstohlen über mein Verhalten, als ich fast erleichtert den Rauch durch die Lungen inhalierte. also einigten wir uns auf Mittwoch, 18:00 Uhr. Wir tauschten über Email unsere Handynummern aus, und zwei Minuten nach dem ich mich am frühen Morgen endlich zu Bett begeben hatte, düdelte mein Handy schon und kündigte eine SMS an. Fox bat mich um Bestätigung seiner SMS und verriet mir seinen Vornamen: Erwin.
Ich zog die Augenbrauen hoch. Bestätigung? Agnes lachte. Du hast schon Recht. Ein bissl merkwürdig. Resultierte offenbar aus den negativen Erfahrungen dieses Burschen, den die Frauen gern auf den Arm nahmen, wie es schien. Also verriet ich ihm, dass ich Agnes hieß und schaltete das Handy zur Sicherheit aus. Ich wollte nämlich nun wirklich schlafen Und wie war dann euer Treffen? Ich konnte über diesen komischen Kauz nur den Kopf schütteln. Fox???? Seltsame Idee. Na, nicht so schnell! belehrte mich Agnes. Die drei Tage bis zu unserem Meeting verbrachte dieser Galan nämlich damit, mir immer wieder nette SMS zu schicken, nicht aufdringlich, dass du meinst, sondern einfach nett, ja, geradezu liebevoll.
Agnes lächelte versonnen. Ich konnte das Gefühl nicht loswerden, als ob sich der Bursche da in etwas verrannt hatte. Irgendwie verhielt er sich, als wären wir länger bekannt und sehr vertraut. Und davon konnte ja wohl nicht die Rede sein. Meine Kollegin Sarah, der ich eine der SMS zeigte, gab mir übrigens Recht, sie sah das genau so. Weißt du, Vivi, ich hatte mich auf das Treffen gefreut, aber durch diese sieben oder acht SMS hatte sich ein merkwürdiger Beigeschmack dazugemischt. Die Serviererin kam und fragte ob wir noch einen Wunsch hätten. Ich orderte einen weitern Verlängerte, während Agnes in ihrem Redefluss fast nicht zu bremsen war.
Wir trafen uns also in dem Lokal. Unser Aussehen hatten wir uns nicht beschrieben, aber darüber machte ich mir keine Gedanken. Im Grunde erkannte ich ihn auch sofort als ich ihn sah und er mich auch. Trotzdem setzte er sich sofort an den Nebentisch und wartete. Ich weiß nicht worauf. Aber es amüsierte mich, es amüsierte mich sogar sehr und es machte mir Spaß um kurz nach 18:00 Uhr bei ihm anzurufen und so zu tun, als wüsste ich nicht, dass er einen Tisch weiter weg sitzt. Fox oder Erwin, wie er wirklich hieß, konnte seine Enttäuschung fast nicht verbergen. Keine Frage, Vivi, ich war mir sicher, dass er sehr romantische Vorstellungen mit meiner Person verbunden hatte. Vorstellungen, die sich nicht erfüllt hatten.
Agnes lachte und blickte sich nach der Serviererin um. Bitte eine Tasse Früchtetee! Ich zündete mir wieder eine Zigarette an, während Agnes noch einmal nach der Speisekarte griff. Noch ein Kuchen? schien mir ihre Miene zu verraten? Schließlich wandte sie sich wieder zu mir. Wo war ich? Das alles hatte ich also innerhalb weniger Minuten erkannt. Unsere Unterhaltung plauschte dahin, belanglos. Er erzählte von seiner Arbeit, von seinen semi-prominenten Bekanntschaften bei Ö3, auf die er sich nicht wenig einzubilden schien und verriet mir, dass er gerade erst 27 Jahre alt war, also fast zehn Jahre jünger als ich.
Darin schien der Kern des Pudels zu liegen, ich war ihm zu alt. Nun, ich hatte ihm nichts vorgemacht. In meinen ICQ-Daten hätte er mein Alter nachlesen können. Stattdessen hatte er wegen einer gewissen Übereinstimmung und einem unüberhörbaren Faible für Meg Ryan mein ICQ-Nik ist ja Meg! angefangen sich in dieses Date hoffnungslos hinein zu theatern! Während er immer öfter auf die Uhr sah und sein Desinteresse immer augenscheinlicher wurde, fiel mir wie Schuppen von den Augen, woher der Nickname Fox kam. Natürlich aus Email für dich! Dass mir das nicht gleich aufgefallen war
Agnes stürzte sich über die Kardinalschnitten. Wie Meg Ryan werde ich nie aussehen Und das möchte ich auch gar nicht. Ich bin ich selbst, weißt du? Erstaunlich war für mich nur, dass er nach unserem Rendezvous völlig den Kontakt zu mir abbrach. Nicht einmal ein hallo im ICQ. Verrückter Kerl! Ich war nicht seine Traumfrau, also auch keines weiteren Treffens oder Gesprächs würdig. Gut, dass ich ihm nicht gesagt habe, dass er noch viel weniger mein Traummann gewesen wäre. Agnes lachte vergnügt und trank einen Schluck Tee. Fox ist beziehungsunfähig, so sehe ich das. Auf der Suche nach einer tollen Frau, die er nie bekommen wird. Zwischen uns hätte sich eine schöne Freundschaft entwickeln können, wer weiß? Ich sehe viele Leute aus dem ICQ regelmäßig. Aber ich bin ja nicht Meg Ryan komm Vivi, möchtest du nicht auch einen Kuchen oder ein Stück Torte?
Ich wehrte ab, obwohl ich wieder Speichel schluckte. Mehlspeisen haben ja so verteufelt viele Kalorien also versuchte ich mich abzulenken. Keine Freundschaft zu Agnes, weil sie nicht aussah wie seine Traumfrau? Schon eigenartig, wo Freundschaft doch fast das Wichtigste im Leben ist. Dieser Erwin musste entweder sehr viel Freunde haben, dass er es sich leisten konnte, sich die Leute aus zu suchen, oder, was wahrscheinlicher war: er war sich des Wertes einer neuen Freundschaft gar nicht bewusst. So oder so, ein merkwürdiger Mensch
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