Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Mai 2004



Tamara

Armin lag wach in seinem Bett.
Das Fernsehgerät lieferte ihm einen Actionstreifen ins Schlafzimmer.
Schüsse fielen.
Eine Verfolgungsjagd begann.
Aber Armin registrierte wenig davon.
Nur manchmal zuckte er in seinen Gedanken zusammen.
Wenn die Musik laut wurde.
Die Spannung unterstrich.
Aber im Grunde interessierte ihn der Film nicht.
Nicht im Geringsten.
Er lag da.
In seinem schmalen Bett.
Dachte an Tamara.
Die quirlige Tamara mit den dunklen Locken.
Und den aufreizenden Körperformen.
Wie sie ihn immer angesehen hatte!
Dieser Blick.
Es schien ihm immer als wisse sie alles über ihn.
Auch, dass er nur von ihr träumte.
Seit er sie das erste Mal gesehen hatte.
Natürlich hatte er einen Rivalen.
Wenn er ehrlich war.
Rivale war da nicht ganz das richtige Wort.
Tamara hatte einen Freund.
Schon ein paar Jahre.
Und außer ein paar feurigen Blicken aus ihren grünen Nixenaugen durfte er sich nichts erwarten.
Das wusste er genau.
Einmal hatte sie ihn geküsst.
Wie man einen Buben küsst.
Aus einer Laune heraus.
Er hatte ihr Parfüm ganz intensiv gerochen.
Blumig und leicht.
Und nachher hatte er nicht gewusst, ob er sich nicht ärgern sollte.
Armin schüttelte den Kopf in Erinnerung.
Dann drehte er das TV-Gerät ab.
Versuchte zu schlafen.
Und starrte doch nur die Wand an.

Na, Armin.
Wieder fest am Radeln?
Sonja lächelte Armin freundlich an.
Er strampelte sich die Seele aus dem Leib.
Und lächelte zurück.
Minuten später machte er eine Pause.
Wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Atmete heftig.
Sonja stand auf und ging zu ihm hin.
Wie geht’s dir?
Du warst lange nicht da.
Sonja war nicht besonders groß.
Strähniges blondes Haar.
Ein wenig pummelig.
Unscheinbar.
Genau wie er.
Armins Blick wurde ernst.
Mir ging’s nicht so gut.
Wollte ein wenig Abstand.
Sonja sah ihn fragend an.
Aber sie sagte kein Wort.
Ein Stunde später saßen die zwei in einem Cafè das zum Fitness Center gehörte.
Beide hatten einen Vitamindrink vor sich stehen.
Spezialität des Hauses.
Armin war ein wenig aufgetaut.
Verzog immer wieder den Mund zu einem Lächeln.
Er lachte mitunter sogar laut.
Sonja erzählte aus der Arbeit bei der Post.
Sie saß am Schalter.
Kurios, was da immer wieder passierte.

Eine Stunde später saßen die beiden im Auto.
Direkt vor seinem Block.
Die beiden schwiegen.
Eine leichte Spannung lag in der Luft.
Eine erotische Spannung.
Armin legte den Arm um Sonja.
Kommst du mit rauf, ja?
Sonja sagte kein Wort.
Aber sie stieg mit ihm aus.
Während sie mit dem Lift nach oben fuhren, dachte Armin darüber nach.
Was jetzt kommen würde.
Wie es wohl sein würde.
Er war leicht nervös.
Aber auch euphorisch.
In der Wohnung fielen sich die beiden gleich in die Arme.
Küssten sich.
Streichelten sich.
Zogen sich gegenseitig aus.
Minuten später wälzten sich die beiden nackt auf seinem schmalen Bett.
Sonja war so weich.
Irgendwie hatte er Angst gehabt.
Angst davor, mit ihr zu schlafen.
Er war kein großer Liebhaber.
Aber diese Scheu war gleich von ihm abgefallen.
Ganz schnell.
Seine Erregung stieg.
Steuerte auf den Höhepunkt zu.
Das Glücksgefühl in seinem Kopf explodierte.
Tamara!

Armin schreckte auf.
Was hatte er da gerufen?
Die Elektrizität zwischen den beiden war blitzartig weg.
Sonja sah ihm direkt in die Augen.
Sie hatte genau verstanden.
Ihr nackter Körper war schweißgebadet.
Sie atmete hektisch.
Armin wusste nicht, was er sagen sollte.
Sein Aufschrei war ihm unsagbar peinlich.
Eine Minute saß Sonja neben ihm.
Scheinbar emotionslos.
Dann packte sie ihre Kleider.
Zog sich im Dunkeln wieder an.
Und ließ die Tür hinter sich krachend ins Schloss fallen.
Armin stand auf.
Er hatte kein Wort gesagt.
Nichts sagen können.
Langsam ging er ins Bad.
Starrte sein Gesicht im Spiegel an.
Ein Gesicht, das ihm fremd war.
Er duschte.
Versuchte einen klaren Kopf zu bekommen.
Was hatte er nur getan?
Welche Frau nimmt das schon hin?
Er hatte in der Sekunde der größten Intimität mit ihr den Namen einer anderen Frau geschrieen.
Er war ein Idiot.
Ein Versager.
Er hatte es immer schon gewusst.
Ihm war speiübel.

Armin saß schwitzend am Rad.
Strampelte, um den Hass auf sich zu besiegen.
Hass auf sich selbst.
Und Hass auf Tamara, die einen Narren aus ihm gemacht hatte.
Als er sich endlich eine Pause gönnte, hörte er seinen Namen.
Hallo Armin.
Sonja blickte ihn an.
Sie stand ganz plötzlich vor ihm da.
Wie aus dem Boden gewachsen.
Leicht unsicher.
Verlegen.
Armin fühlte ein Lächeln in sich aufsteigen.
Sonja!
Sie redeten über Belangloses.
Zehn Minuten.
Eine Viertelstunde.
Die Verkrampfung wich.
Armin fühlte sich besser.
Es tut mir leid.
Ansatzlos kamen die Worte.
Und sehr leise.
Armin sah Sonja scheu an.
Nahm ihre Hand.
Ein Lächeln huschte über Sonjas Gesicht.
Na ja.
Momentan schon ein Schock..
Ist sie deine Freundin?
Armin schüttelte heftig und entschieden den Kopf.
Längst vorbei.
Längst…
Er fühlte Sonjas Hand noch immer in seiner.
Und er fühlte sich leicht wie lange nicht.
Frei.

Vivienne

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