Schlagabtausch… – Die bunte Welt von Vivienne

Freitagmittag vor Pfingsten. Strahlendes Wetter wohin das Auge reichte. Ich machte kurz eine Pause um mir in der Küche einen Kaffee vom Automaten zu holen. Ich gähnte… Es war ruhig, mancher Kollege oder Kollegin hatte sich schon frei genommen um in einen Kurzurlaub zu starten. Einen Moment setzte ich mich hin und blickte aus dem Fenster… Ali hatte heute noch einen Zahnarzttermin, die einzige echte Hürde noch vor dem Pfingstwochenende. Dann wollte er mich abholen von der Arbeit und in einen Eissalon ausführen… so ließ es sich leben…

Ich schreckte hoch. Die Tür ging auf und Stefan Bachmann von der Marketingabteilung trat ein. Er grüßte kurz und warf eine Münze ein… Schweigen. Bachmann scharte sich lieber um jüngere, attraktivere Kolleginnen, da gehörte ich nicht dazu. Was aber bestimmt kein Grund zu Traurigkeit war – Bachmann gehörte sicher auch nicht zu meiner Zielgruppe. Unvermittelt hob er aber trotzdem seine Stimme. „Wissen Sie, was ich gelesen habe?“ Ich zuckte die Achseln. Ich erfuhr aber nicht, was dem guten Mann da aufgefallen war, denn eben kam Luise Stickler durch die Tür. Auch sie wollte sich noch mit einem Getränk stärken, aber sie holte sich ein Cola. „Vivienne, mein Kater ist wieder gesund!“ berichtete sie mir mit strahlenden Augen. „Die Pfote ist wieder heil…“

Bachmann kräuselte verächtlich die Lippen, sagte aber zunächst nichts. Ich antwortete Luise erfreut. „Das freut mich aber. Was ist ihm denn passiert?“ Gern ergriff Luise wieder das Wort. „“Ein Unfall, zu ungestüm gespielt. Aber Gott sei Dank nichts gebrochen.“ Sie strahlte. Wie ich wusste hatte Luise drei Perserkatzen, einen Kater und zwei Katzen, die bei der zweimal geschiedenen Kollegin ein wunderschönes Leben führten – in einer komfortablen Wohnung im Süden von Linz. Bachmann hatte uns zugehört. Plötzlich zischte er hervor. „Eine Katze? Das wäre mir viel zu viel Aufwand.“ Luise warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Mehr zu mir als zu Bachmann meinte sie schließlich. „Meine drei Katzen machen mir zusammen weniger Aufwand als einer meiner Verflossenen… Katzen wissen zu schätzen, was man ihnen schenkt… an Liebe und Wärme.“

Bachmann reagierte mit einem bösen Lachen. „Das sagen Sie jetzt, Frau Stickler. Ich wette, wenn Ihnen der richtige Mann begegnet, würden Sie sich auch liebend gerne von den Katzen trennen, wenn er es verlangt.“ Er grinste hämisch. Offensichtlich war Bachmann schlechter Laune und suchte Streit. So kam es mir zumindest vor, darum überraschte es mich, dass Luise auf diese Äußerung überhaupt einging. Sie drehte sich zu Bachmann und meinte abschätzend. „Für keinen Mann der Welt würde ich mich von meinen Katzen trennen. Wenn er der Richtige ist, muss er auch meine Katzen lieben…“ Der Kollege von der Marketingabteilung erstarrte. „Sie würde einen Mann abweisen, wenn er Ihre Katzen nicht mag?“ Stickler nickte. „Natürlich. Meine Perser lieben mich ein Leben lang. Ein Mann vielleicht nur ein paar Monate. Und dafür meine Katzen aufgeben? Nie!“

Bachmann verschlug es die Sprache. Dann murmelte er in seinen Bart. „Mir käme jedenfalls keine Katze in die Wohnung. Wenn doch, würde ich sie sofort aus dem Fenster werfen…!“ Er lachte hart. Konnte ich mir gut vorstellen, nach der Trennung von seiner Frau hatte der Marketing-Mann in eine kleine Wohnung umziehen müssen, was ihm dem Vernehmen nach nicht geschmeckt hatte. Da hätte eine Katze wohl auch keinen Platz – außer einer Zweibeinigen, denn Bachmann war dem weiblichen Geschlecht keinesfalls abgeneigt, was schließlich auch seine Scheidung forciert hatte… Luise hatte die provokante Äußerung des Kollegen mit einem Kopfschütteln goutiert. Dann wandte sie sich wieder ihrem Cola zu.

Aber Bachmann wollte sich damit nicht zufrieden geben. Er trat auf Luise zu und brachte seine letzte Provokation an. „Katzen sind außerdem falsche Kreaturen, die einen nicht ansehen können. Früher schon hat man sie mit dem Bösen in Verbindung gebracht. Ein Hund ist da ganz anders – treu und ergeben. Den würde ich akzeptieren…“ Luise verbiss sich ein Lachen. „Schön für Sie. Würden Sie mit ihm auch brav spazieren gehen morgens und abends? Ist in Ihrer Wohnung überhaupt Platz für einen Hund?“ Bachmann grunzte. Dann trank er seinen Kaffee aus und warf den Becher in den Müll. Luise lachte als er draußen war. „Der war stinkig drauf, was meinst du?“ Ich dachte an seinen Scheidungskrieg, über den fast alle in der Firma Bescheid wussten. „Die Scheidung frisst ihn halt finanziell auf. Aber dass es ihm nicht zu blöd war, wegen deiner Katzen herumzustreiten… Seltsamer Mensch.“ Ich hatte mich aus dem Schlagabtausch bewusst herausgehalten, das ging mich nichts an und im Grunde hätte Luise wohl auch zu den Bissigkeiten schweigen sollen. Wie ich für mich befand, all die negative Energie war einfach nur sinnlos verschleudert gewesen.

Während ich wieder an den Schreibtisch zurückging fragte ich mich, was oft wirklich hinter diversen Streitigkeiten stecken mochte… Unausgesprochene Ängste, Wut, Frust – und manches mehr. Alles sucht sich ein Ventil. Da erreichte mich eine SMS von Ali: Zahnarzt überstanden, noch alle Zähne dran. Na dann, dachte ich mir lächelnd. Dieses Streitgespräch, dessen Zeuge ich eben geworden war, sollte mich nicht länger beschäftigen…

Vivienne

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