Zurück zur Tagesordnung?

Was kann man sagen, angesichts des Leids, das ein Einzelner, seines Leidens wegen anrichten kann?
Man kann mit den Angehörigen mitleiden und man kann sich damit trösten, dass das Leben nun mal weitergehen muss.
Die Fälle Amstetten und Winnenden sind natürlich gar nicht miteinander zu vergleichen.

War der Vater Josef F. scheinbar ein herrschender, selbstverliebter Egozentriker, der nur sein Machtwort gelten ließ und unter den sich sogar seine langjährige Ehefrau, bis zur Nichterkennung von sehr offensichtlich zu Tage liegenden Tatsachen duckte, so war dieser „Milchbubi“ Tim Kretschmer, möglicherweise, ein in der eigenen Wahrnehmung „Zukurzgekommener“!

Was absolut miteinander zu vergleichen lohnt, sind die Gefühle in uns, die bei solchen Schreckensszenarien zu Tage treten.

Beide Fälle scheinen sich im exact gleichen Milieu abgespielt zu haben. Hier ein allseits Geachteter und dort ein in besonderer Obhut einer geachteten Familie Aufgewachsener.

Hier, die beschwichtigend gemeinten Ausreden von Anwohnern in die gereckten Mikrofone der Sender, man habe den Josef F. nur als guten Ehemann und Vater erlebt. Auffälligkeiten? Nein, da war absolut nichts!

Dort, die mitleidsvolle Versicherung, wenn man doch nur geahnt hätte, welche Abgründe sich in einem solch jungen Mann, wie dem Tim Kretschmar, auftun können.
Nein, geahnt haben konnte man nichts!

Und doch ist da etwas, war da etwas.
Das eigene Gefühl der Erleichterung., dass man nichts, aber auch gar nichts mit „Solchen“ zu tun habe.
Dass man, von welchem Schicksal auch immer bedacht, fernab solcher geistiger Verirrung, sein Leben nach dem eigenen Lebensentwurf führen darf.

Dass einem „Keiner“ sein Lebensglück streitig machen darf.

Doch bei einer genaueren Untersuchung seinerselbst, fühlt man schon ein kleines Bischen mit den Tätern.
Ich gestehe hiermit, dass ich zumindest schon einige Male in meinem Leben darüber nachgedacht habe, meine manigfaltigen Enttäuschungen und Frustrationen die mir in nmeinem Leben begegneten, sehr gerne mit äußerster Gewaltanwendung und mittels eigenen Gewaltanspruches abgebaut hätte.

Der eigenen Tochter Gewalt anzutun kam dabei allerdings nicht in Frage.
Möglicherweise auch zwangsläufig nur dadurch bedingt, dass ich gar keine Tochter habe.
Hier kann ich nur spekulieren und hoffen, dass es nicht nur dadurch gegeben ist!

Doch das Gefühl zu haben, mich in eine von mir selbstgeschaffenen Welt zu verdrücken, in die mir die ganzen Sorgen und Nöte nicht folgen könnten. Dieser Gedanke und ich gebe es hier unumwunden zu, dieser Gedanke gefällt mir schon.

Nun gut Amstetten ist, mit Annahme des Urteils durch F., bald in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit Geschichte und über Winnnenden breitet sich auch schon sehr bald das Tuch des Vergessens aus, wenn auch noch lange nicht für die in ihrem Leid gefangenen Betroffenen, Angehörigen und Ermittler, die solches wohl bis an ihr Lebensende nicht verarbeitet haben werden.

Wir anderen, „die noch mal Davongekommenen“, müssen in uns selber hineinhören und uns dazu zwingen, endlich anzuerkennen, dass es eben nicht unser Verdienst ist, wenn uns solch ein Leid erspart bleibt.

Dass es unsere Aufgabe ist, zuzuhören, wenn uns mal jemand darum bittet und wir nicht sofort zur Tagesordnung übergehen, wenn uns in der Nachbarschaft jemand besonders unangepasst erscheint.
Nicht die Augen zu verschließen, wenn Nachfragen angebracht erscheint.

Manchmal hilft es schon, die Statistiken helfen da nicht zu tieferen Einblicken, einfach mal seine Sinne einzusetzen, wenn irgendwo eine Situation eskaliert und wir uns eigentlich einfach lieber abwenden wollen.

Ich weiß, beide Fälle wären nicht von außen zu verhindern gewesen. Doch ich glaube, beide Fälle haben mit der Kühle zu tun, die um uns herrscht und an deren Verbreitung wir auch nicht so unbeteiligt sind, wie wir gerne glauben würden.

Wir müssen uns nicht dazu zwingen, menschlich zu denken. Wir müssen uns nur manchmal daran erinnern, dass Menschlichkeit zu signalisieren, möglicherweise Zeit und Anstrengung bedeutet und damit Geld kostet. Aber dass Geld überhaupt nichts ist, wenn es Menschen schon hilft, einfach mal hinzuschauen und ihnen nur zuzuhören.

Was Geld bedeutet in dieser Welt, ist angesichts der aktuellen Weltkrise sehr gut zu sehen. Wobei wir nun schon bei einem ganz anderen Thema sind, wie sicher die Mehrzahl denken kann. Doch ich bin mir, genau gesagt, da noch nicht einmal so sicher.

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