Thomas, Maria und Arnulf saßen um den Esstisch im Haus der Eltern. Arnulf hatte sich zurückgelehnt und die Arme vor dem Körper verschränkt. Thomas wirkte müde und angespannt. Maria schenkte jedem Kaffee aus der Porzellankanne ein und rückte den Teller mit den Nusskeksen etwas nach links, bis er mittig zwischen ihnen stand.
„Also, ihr könnt sagen, was ihr wollt, wir müssen jetzt was machen“, wandte sie sich an die beiden Männer. „Wir haben abgewartet, ob es sich von selbst regelt, aber das hat es nicht. Constanze ist im Moment nicht in der Lage, um Entscheidungen für sich selbst zu treffen, das müssen wir jetzt eben machen. Wir können uns nicht mehr drücken, auch wenn’s schwer fällt.“
Thomas nickte müde. Arnulf schnaubte und sagte: „Und was schlägst du vor? Irrenhaus oder was? Ich sag dir, das bringt gar nix. Erinnerst du dich an Axel von der Arbeit? Seit der in Rente ist, wird das mit den Depressionen seiner Frau immer schlimmer. Erst ist sie hier in der Therapie, dann da in der Klinik. Und bringen tut es gar nix. Null und nix, sagt er. Er meint sogar, seit er zu Hause ist und sie so mehr Aufmerksamkeit kriegt, wird es grad noch schlimmer. Und was für einen Kram die in den Kliniken machen! Bilder malen und Körbchen flechten! Ja, ist man denn im Kindergarten? Axels Frau ist nach Hause gekommen mit einer großen Kiste mit getöpferten Schälchen, bemalten Seidentüchern und so einem Mist. Die Depressionen hatte sie aber immer noch. So einen Kram kannst du vergessen, das bringt gar nix. Das ist meine Meinung dazu.“
Er stopfte einen Keks in den Mund, kaute und nahm einen Schluck Kaffee. „Der ist aber arg stark heute, Maria.“
Maria stand auf, ging in die Küche, füllte etwas Wasser aus dem Wasserkocher in ein kleines Kännchen und brachte es Arnulf.
Thomas hatte sich inzwischen aufgerafft und wandte sich an seinen Schwiegervater: „Ganz so kann man das nicht sagen, Arnulf. Manchen Leuten hilft es ja. Und ich für meinen Teil habe keine Ideen mehr. Wir haben sie für sich sein lassen und ihr nichts mehr aufgebürdet. Hat nichts gebracht. Dann haben wir versucht sie zu beschäftigen. Oder geschaut, dass immer jemand da ist. Wir haben ihr gesagt, dass Stefan sie braucht. Dass wir sie brauchen. Haben versucht, mit ihr Sachen zu machen, die ihr Spaß machen. Und was hat es gebracht? Nichts. Mir gehen die Ideen aus. Ich weiß nicht mehr weiter.“
„Vielleicht sollte das ja auch ein Arzt entscheiden“, warf Maria ein.
Thomas verdrehte die Augen: „Und was wird der uns sagen, Maria? Dass sie zum Psychiater muss oder in eine Klinik. Das macht der schon vorsichtshalber, weil er dafür keine Verantwortung übernehmen will. Darüber müssen wir uns vorher klar sein, dafür müssen wir planen.“
„Es war ja auch eine Straftat. Entführung war das ja. Das dürfen wir nicht vergessen. Man kann ja nicht einfach ein Kind mitnehmen“, warf Arnulf ein.
„Ach, Arnulf, die Ärzte haben doch Schweigepflicht. Die dürfen gar nichts weitersagen.“
„Wenn das trotzdem rauskommt, dann kann sie ihren Job als Lehrerin vergessen.“
„Das kommt nicht raus und das kriegen wir wieder in den Griff! Wir müssen nur zusammen mit Thomas besprechen, wie es jetzt weitergeht.“
Thomas atmete tief ein: „So ungern wir alle das wollen: Wir müssen uns Hilfe suchen. Ich kann keinen Rund-um-die-Uhr-Aufpasser engagieren. Wer weiß, was sie als nächstes macht. Depressionen sind die eine Sache, aber das hier war was anderes. Was, wenn sie als nächstes das Haus anzündet? Klar ist das mit einer Psychotherapie so eine Sache. Muss doch aber keiner außer uns wissen. Unseren Bekannten erzählen wir einfach was von einer Kur. Vielleicht was mit dem Rücken. Kriegt doch dann keiner mit.“
„Weißt du, was es gibt, Thomas?“, schaltete sich Maria ein. „Tageskliniken. Da gehst du morgens hin und abends und nachts bist du wieder zu Hause. Das müssen wir nur mit Ärzten abklären, ein paar Wochen Wartezeit, dann wird das schon.“
„Es gibt bestimmt auch Privatkliniken.“ Arnulf wandte sich an Thomas. „Nicht ganz in der Nähe, bisschen diskreter. Und finanziell können wir zwei das schon mal stemmen.“
Thomas und Arnulf nickten sich zu.