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11.06.2005, © Vivienne
Der Abschluss einer alten Liebe
Wenn ich Ali über meine Schulzeit erzählte und das Erlebte auch immer wieder mit Fotos dokumentierte, zeigte er sich oft ungewöhnlich interessiert. Und am meisten amüsierte ihn immer, dass ich vor fast fünfundzwanzig Jahren hoffnungslos in meinen Französischprofessor verschossen gewesen war. Eine echte Teenagerliebe halt, das Objekt der Begierde (wenn ich auch Prof. Kubinger damals in meiner Pausbäckigkeit sicher nicht als solches bezeichnet hätte) war verheiratet und hatte eine kleine Tochter. Meine Gefühle waren also völlig sinnlos und es stand damit auch fest, dass mir das irgendwann bewusst werden musste.
Vorher wurde ich durch diese Liebe aber sehr beflügelt, ich schrieb sehr gute Noten in Französisch, was meine Englischprofessorin lange nicht begreifen konnte immerhin kämpfte ich in Englisch lange ums Überleben. Eine Altlast unseres unfähigen Englischlehrers aus der Hauptschule, der so wenig wie nötig tat um sein Gehalt einzustreichen und es nebenbei auch noch genoss, das sei am Rande erwähnt, die ihm anvertrauten Schüler zu demütigen Wie hat er denn ausgesehen, dein Französischprofessor? Ali liebte es, unerwartet das Gespräch auf dieses Thema zu bringen, ich verstand gar nicht, warum, bis Bea einmal den Gedanken äußerte, er könnte vielleicht halb und halb doch ein wenig eifersüchtig sein Aber ganz überzeugt hatte sie mich noch nicht.
Vor kurzem musste ich nach der Arbeit noch schnell aufs Magistrat. Ich hatte dafür extra früher Schluss gemacht, und Ali wollte mich gegen 13:30 Uhr ebendort abholen, damit wir die übliche Einkaufsoffensive für das Wochenende starten konnten. Immer dasselbe, dachte ich mir. Man heiratet und hat als Frau nur Scherereien. Aber ich musste mir den umgeschrieben Pass trotzdem heute noch abholen, denn Ali und ich wollten als verspätete Hochzeitsreise demnächst nach Sardinien fliegen und wann hätte ich sonst noch Zeit dafür gefunden?
Ich holte mir also mein Reisedokument mit dem fremden neuen Namen ab und war mit dem Lift schon wieder nach unten gefahren, als mir ein kleiner Mann vor mir auffiel. Er wirkte ziemlich gedrungen, und sein Haar hing in langen blonden Strähnen von seinem Kopf. Ich stutzte. Das erinnerte mich doch an jemanden und als ich ihm näher kam, stockte mir kurz der Atem. Das war doch Professor Kubinger von der HAK, noch immer mit dem gallischen Schnurrbart im Gesicht, der ihm Ähnlichkeit mit einem Musketier verlieh! Ich musste mich tatsächlich beherrschen um nicht lauft aufzuschreien vor Überraschung, was der Mann sicher nicht verstanden hätte.
Seit ich von der Schule weg war, hatte der Mann tausende Schüler gehabt, und hätte sich nie an mich erinnert, wenn ich es gewagt hätte ihn anzureden. Im nächsten Moment musste ich aber schon verhalten schmunzeln. Gott, war der klein geraten! Damals war er mir irgendwie größer erschienen! Eine verirrte Liebe jedenfalls, in jeglicher Hinsicht. Wenn ich ihn mit Ali verglich, fielen alle Punkte zu dessen Gunsten aus. Nicht weil Ali deutlich jünger war, nein. Ali war einfach größer und irgendwann hatte sich in meinem Leben herauskristallisiert, dass ich eben doch nicht auf klein, blond und dick fixiert war sondern auf groß, dunkel und stämmig Als ich an Prof. Kubinger vorbeiging, fiel mir außerdem erst richtig auf, dass dieser sich im Laufe der Jahre eine große Stirnglatze erworben hatte. Dadurch wirkten die blonden Strähnen, die genauer betrachtet schon ziemlich angegraut waren, fast grotesk
Wir gingen fast gleichzeitig durch den Ausgang. Weiter vorne wartete bereits Ali und mein früherer Professor wandte sich zielsicher nach rechts, also in die ganz andere Richtung, Ali begrüßte mich leicht irritiert. Was lachst du so? Und wer ist der komische Kauz, mit dem du herausgekommen bist? Ich drehte mich um und wies auf den gedrungen Mann. Das ist Prof. Kubinger, weißt eh, mein Französischprofessor von der HAK! So ein Zufall! Sieh ihn dir an mit sechzehn war ich in ihn verliebt! Ali folgte meinem Blick und ich konnte eine merkwürdige Veränderung in seinem Gesicht beobachten. Aber es war keine Amüsiertheit eher so etwas wie Befriedigung Mein Mann blickte dem Lehrer nach, dann musterte er mich eindringlich. Du warst noch sehr unreif damals, nicht wahr? Was hast du nur an dem gefunden? Ich zuckte die Achseln. Wo die Liebe hinfällt, was weiß ich, Ali. Was soll ich da lange erklären? Ich war doch noch fast ein Kind! Irgendetwas an ihm hat mich damals angezogen, aber was immer es war, es ist weg Ali strahlte unvermittelt. Dann starten wir doch endlich in die Plus City. Den Pass hast du bekommen? Ich nickte, und dann folgte ich nachdenklich meiner besseren Hälfte in die Pfarrgasse, wo er das Auto geparkt hatte.
Bea musste anscheinend doch Recht gehabt haben mit ihrer These, irgendwie hatte Ali mehr als nur neugierig auf meinen ehemaligen Professor reagiert. Obwohl diese Liebe seinerzeit einseitig wie platonisch geblieben war er musste sich wohl doch indirekt ein wenig mit diesem Mann gemessen haben, der vor vielen Jahren meine Gefühle so durcheinander gebracht hatte. Und mir selber hatte die Begegnung sicher auch gut getan, denn jetzt hatte ich wohl endgültig einen Schlussstrich hinter diese Altlast gesetzt. Für mich selber wusste ich nun genau, dass er nicht der Mann gewesen war, dem ich nachtrauern hätte müssen
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